den Büchern und Karten die gröfsten Verwirrungen. Vieles h a t ü b e rhaupt
gar keine Benennung. Der Europäer will dies aber nicht begreifen
und will von seinem Dolmetscher oder Führer durchaus einen
Namen. Der Neger merkt das bald und ist pfiffig genug, einen solchen
zu erfinden j damit die arme Seele Ruhe h a t Diese willkürliche Bezeichnung
des Schlaukopfes wird dann sofort als grofse geographische
u. s. w. Errungenschaft dem Tagebuch einverleibt 1
Die nächste Regel ist die, dafs man sich durch die Befürchtung,
etwas nicht fachgemäfs gut geben zu können, ja nicht abhalten lassen
darf, die bezügliche Beobachtung zu bringen.
Daran schliefst sich sogleich als weitere: auch das scheinbar Unbedeutendste
nicht, als zu geringfügig, nicht zu beachten, oder etwas
nicht zu verzeichnen in dem Glauben, das sei doch schon längst bekannt.
Aus ganz rohen, unfachmännischen Aufzeichnungen und Wiedergaben
in Wort und Bild h a t sich schon gar manche wissenschaftlich
wertvolle Perle herausgeschält. Eine bestätigende Beobachtung, dafs
dieses Tier, jene Pflanze, diese ethnographische Eigentümlichkeit und
dergleichen auch in diesem oder jenem Gebiet sich findet, giebt der
Wissenschaft oft die Möglichkeit, Schlüsse, deren Bedeutung der Vermittler
der Beobachtung in ihrer Tragweite gar nicht ahnen kann, zu
ziehen, bildet oft das letzte, noch fehlende Glied einer Kette. Und
ebenso is t die einfache Feststellung, dafs dieser oder jener geographische
u. s. w. Moment da und da n i c h t beobachtet wurde, nicht
selten von grofser Wichtigkeit, gleich wie die einfache Meldung einer
Offizierspatrouille: »um die und die Zeit da und dort vom Feinde
nichts gesehen« dem Führer wichtige Klärung der Lage zu geben
vermag.
Vor einem naheliegenden Fehler soll sich der Forschungsreisende
im Interesse der Sache hüten: weitschweifende Schlufsfolgerungen aus
seinen Beobachtungen zu ziehen, Hypothesen aufzustellen u. s. w. Ist
e r au f einem Sondergebiet Fachmann, dann mag er es im Rahmen
seines Wissenszweiges ja thun. Aber der Forscher im allgemeinen
soll sich damit begnügen, n u r die einzelnen Bausteine heranzutragen;
den Bau selbst erstehen zu lassen, is t Sache der Fachgelehrsamkeit.—
Dafs die geographischen Ergebnisse geschätzt und sogar rascher
verlangt werden, als die Karte fertig ist (und zwar nicht nur von
der Wissenschaft, sondern auch vom „Volke“), dafür erhielten wir
auf Baliburg einen drolligen Beweis in Gestalt eines Briefes, den ich
mir zum Dank für seine komische Wirkung aufgehoben habe. Er
lautete (Ort: ein kleines Städtchen in Ostpreufsen): „Wir haben gelesen,
dafs Sie, meine H e rren ,.m it den Mohren vielen Krieg führen,
und wir möchten auch gerne mit. Aber wir wissen nicht, wohinein
der Weg zu Ihnen ist. Sind Sie so gut und schicken Sie uns die
Karte; damit wir zu Ihnen kommen können. Wir legen Ihnen für die
Auslage fünf Groschen in Briefmarken bei. Wir danken Ihnen im
voraus und grüfsen Siè.“ Folgen drei Unterschriften, deren Schreiber
sich als ehemalige Unteroffiziere in einem preufsischen Kavallerieregiment
bezeichnet'en! — —
Das erneute Vordringen der Expedition fand bis Nguti auf der
bereits von Zintgraff benutzten Marschstrafse statt.
Abgesehen von den praktischen Vorteilen ist ein derartiges Be- vorteile
gehen des gleichen W eges von verschiedenen Reisenden zu verschiedenen btoS ! ”
Zeiten auch im Interèsse der Wissenschaft gelegen; die Beobachtungen
jeglicher Art erfahren auf diese Weise Ergänzung, Bestätigung; der
eine richtet sein Augenmerk mehr auf ethnographische, der andere
auf naturwissenschaftliche Dinge. Insbesondere ist es von Wichtigkeit,
dafs auf diese Weise voneinander unabhängige Wegeaufnahmen entstehen,
deren späterer Vergleich einwandfreiere Routenkonstruktion
gestattet. Aus diesem Grunde d a rf man sich’s auch nicht verdriefsen
lassen, Wege, wenn man sie auch selbst schon begangen und auf-
genömmen hat, bei einer späteren Wiederbenutzung stets aufs neue zu
fixieren, -ai
Morgen, also am 26. Ju li 1891, beabsichtigte ich einen neuen
Weg, östlich der Zintgraffschen Route führend, bis Ntok-Difang, dem
Hauptquartier der stets widerhaarigen Banyang, einzuschlagen. Ngutis
Zweitältester Sohn erbot sich, mir ihn zu zeigen. Ich wollte au f
diesem Aufklärungsmarsch etwas überraschend im Banyangland auftauchen.
In Ntok-Difang tr a f ich wieder auf Zintgraffs Vfeg. Ich konnte
deshalb diese Strecke einige Tage später auf Mi-Yimbistation bereits
draufsen ungefähr nach meinen Uhr- und Kompafsablesungen flüchtig
zusammensetzen, was immerhin für später, auch für die eigene Erinnerung,
ein anschaulicheres Bild giebt. Wie so ein rasch hingeworfenes Marschkroki
dann aussieht: siehe das verkleinerte Faksimile (Abb. 3, a. f. S.):
Am 28. Ju li hatte ich Mi-Yimbistation erreicht, genau vier Wochen
nach Aufbruch von Barombi.
Ein J a h r später durchzog ich das Banyangland wieder an d er
Spitze von 50 Mann meiner selbstgeschaffenen Balitruppe. Das Tagebuch
dieser Streife, nach 12 monatlicher Buscherfahrung niedergeschrieben,
mag bruchstückweise später folgen; je tz t drängt es mich,
H u tte r, Wanderungen in Kamerun. Q