Zwischenhandel.
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schleppt sie unermüdlich an Bord. Das Bergen geschieht, indem entweder
der Kran die Fässer und Ballen aus den Booten hebt und ,
neben die Luke stellt, oder die leichten Bündel, z. B. die Pflanzenfasern,
die unter dem Namen Piassava in den Handel kommen, werden
von den Negern an Bord geworfen.
Aufser der dumpfen, schwülen Treibhaushitze und den unzähligen
Moskitos in diesen gottverlassenen Flüssen und Krieks macht einen
noch völlig nervös das ununterbrochene, einförmige Zählen des „OlerkB“,
der Stück für Stück dem 1. Offizier — diesem obliegt (wenigstens auf
Woermann-Dampfern) die verantwortungs- und arbeitsreiche Last des
Ladung - Einnehmens und die Erfahrung fordernde Aufgabe des richtigen
Yerstauens derselben zuzählt: „one—two—th re e “ u. s. \ . —
„make dally“, d. h. 10, und dann wieder von neuem „one—two“ u. s. f.
vom frühesten Morgen bis in die späteste Nacht
Noch weit mehr wie die Niederlassungen an der Küste sprechen
diese Zweigfaktoreien allen gesundheitlichen Rücksichten hinsichtlich
der Lage Hohn. Am flachen Ufer eines Kriek gelegen, erstreckt sich
hüben und drüben eine mit Mangrove und Papyrus bedeckte Sumpfniederung.
Diesseits h a t das bei der Ebbe zurücktretende Wasser ein
weites, schwarzes Schlammfeld aufgedeckt, aus dem modernde Baumstümpfe
hervorragen und verderbliche Dünste in die Höhe steigen.
Beneidenswert ist das Los auf solchen Plätzen nicht. Der Eintausch
von Produkten füllt nur einen geringen Teil des Tages aus,
und das bethätigt oft der farbige Clerk, gewöhnlich ein Mulatte.
So verlernt der weifse Händler dort mehr oder weniger schnell Vergnügen
an der Arbeit zu finden und sucht den Beweis zu führen, mit
wie wenig körperlicher und geistiger Anstrengung der Mensch aus-
kommen kann. Der seltene Besuch von Europäern weckt wohl vorübergehend
den schlummernden Funken und Wünsche nach einem
menschenwürdigeren Dasein; bald aber machen die erschlaffenden
Eigenschaften des Landes ihren Einflufs wieder geltend, namentlich
wenn, wie so häufig, noch quälende Hautkrankheiten die Thatkraft
herabsetzen.
Derartige kleinere Zweigfaktoreien, soweit sie ins Innere des Festlandes
vorgeschoben sind, haben aufser dem allgemeinen kaufmännischen
Zweck einer Filiale überhaupt noch den weiteren mittelbaren,
allmählich Bresche in den Zwischenhandel zu legen.
Ich habe oben von den Eigenarten gesprochen, mit denen der
Handel bei seiner um sich greifenden Ausdehnung immer mehr zu
rechnen hatte, und eine derselben, das Vorschufssystem, bereits gestreift
(S. 44). Eine noch weit gröfsere, aus dem kaufmännischen Gebiet ganz
wesentlich ins kolonialpolitische hinüberragende Bedeutung h a t der
Zwischenhandel.
Sein Wesen glaube ich am kürzesten und deutlichsten an einem
Beispiel schildern zu können und wähle ich Verhältnisse, wie sie
gerade in Nordkamerun sich sehr ausgeprägt finden. Wie h ie r, so ist
es mehr oder weniger in ganz Westafrika.
Im Nordkamerungebiet wohnt eine ganze Anzahl von Stämmen,
die als selbständige Gemeinwesen sich voneinander gänzlich absondern,
so dafs kein Stamm es wagt, sich über seine Hinter- oder Vordersassen
mit einem ändern in Verbindung zu setzen. Von alters her
hat der eine Stamm feststehende Handelsbeziehungen mit dem benachbarten,
und wehe dem, der es versuchen wollte, dieses Herkommen zu
durchbrochen.
Vielleicht war eine solche gegenseitige Sperre schon d a , bevor
der erste Europäer seinen Fufs an das Gestade setzte; wesentlich verschärft
h a t sich dieses System aber zweifelsohne durch das Erscheinen
der Weifsen an der Küste. Denn nun wachten die der neuen E rwerbsquelle
zunächst sitzenden Stämme, in meinem gewählten Beispiel
die Dualla, mit gröfster Eifersucht darüber, dafs kein Binnenstamm
mit Überspringen eines der Küste näher wohnenden oder gar ihrer
selbst, die am Kamerunflufs safsen, sich unmittelbar mit den Europäern
in Verbindung setzte. Allerdings war folgerichtig diese Absperrung
auch umgekehrt in Kraft. Die Dualla durften nur mit
ihren nächsten Hintersassen sich einlassen und so fort.
Wie sehr jeder Stamm von dem erwerblichen Vorteil dieser Einrichtung
für sich (allerdings blofs in Beziehung zu seinem resp. Hintersassen)
durchdrungen is t, zeigt ihre Anschauung, die dem Weiterblickenden
natürlich nur Beweis eines engsten Gesichtskreises und
kaufmännischer Kurzsichtigkeit ist: jeder Vordersasse behauptet in.
rührender Einfalt, „dafs sein Hintersasse sein Sklave sei“. E r will
damit eben zum Ausdruck bringen, dafs er nur mit ihm und durch
ihn, aber nicht über seinen Kopf mit einem anderen Handel treiben
dürfe.
Dafs dieses Zwischenhandelsystem, das in engem Zusammenhang
mit dem der Vorschufsgebung steht, außerordentlich lästig und hemmend
auf Ausbreitung und Aufschwung des Handels wirken mufste
und mufs, liegt auf der Hand.