Der
„Sprecher“.
nahm das nicht so genau, war er doch selbst ein gar kampffroher,
a lte r Kampe. Endlich erscheint der Fürst. Ernst und schweigend läfst
er sich, ohne die Anwesenden zu bea ch ten , auf seinen Steinsitz oder
den ehrerbietigst ihm nachgetragenen Schemel nieder. Stets ist er von
einem kleinen Gefolge umgeben, Männern und einigen dienstthuenden
Weibern. Durch Zublinzeln verständigen sich die Gruppen, und gleichzeitig
klatscht alles dreimal in die Hände. Auch dieser Grufs wird
meist ohne jede Erwiderung gelassen, und von Beginn der Audienz ist
noch geraume Zeit keine Rede. Zuerst müssen noch weitere Vorbereitungen
getroffen werden. Alles und Jedes wird in diesen trinkfrohen
Ländern, un ter diesen echten Zechern, beim Becher verhandelt.
Dieses anfängliche Ignorieren ist übrigens nicht Mifsachtung,
sondern geradezu ein Stück Hofsitte. Es h a t auch statt, wenn Häuptlinge
gegenseitig Zusammenkommen, oder wenn der Weifse einen Graslandherrscher
aufsucht bezw. umgekehrt. In diesen Fällen nimmt der
Späterkommende nehen dem anwesenden Fürsten oder Weifsen Platz,
scheinbar ohne ihn zu sehen. E rst einige Minuten später wendet sich
nicht der zuletzt Angekommene, sondern der Besuchempfangende plötzlich
zu seinem ruhig geradeaus schauenden Besuch und reicht ihm die
Hand. Ein weiteres Moment bei solchen „Fürstenzusammenkünften“,
das auch beim Erscheinen von Gesandtschaften fremder Stämme oder
eines Weifsen stets innegehalten wird: der Verkehr der Herrscher
untereinander oder mit einem derselben findet nie direkt sta tt; auch
nicht, wenn beide Teile derselben Sprache sich bedienen, wenigstens ihrer
mächtig sind, sondern stets durch Dolmetscher bezw. durch den Vertrauensmann,
der zu den Füfsen seines Herrn kauert, „Mund oder
Sprecher des Häuptlings“ genannt. Beim Verkehr des Häuptlings mit
Angehörigen seines eigenen Stammes fä llt dieses lebende Verständigungszwischenglied
weg; sehr zum Vorteil rascherer Abwickelung der Angelegenheiten.
Einem dieser „Sprecher“ — jeder Häuptling besitzt deren ein
p a a r — fä llt übrigens bei diesen sowie auch bei sonstigen Gelegenheiten,
bei denen sich der Häuptling dem Volke zeigt, ein weiterer
Hofdienst zu. Jede Aeufserung seines Fürsten, sie mag thatsächlich
klug oder auch das Gegenteil sein, begleitet er mit einem andächtig
bewundernden Kopfnicken, nicht selten leisem Händeklatschen, sowie
dem Ausdruck seiner Bewunderung, in den auch bisweilen die anderen
einstimmen: „mboere fuon“, „ntchawo fon“, „ngöefuon“ (etwa: das hast
du gut gesagt, o Herr; prächtig, o Herr; wie bewunderungswürdig,
o Herr; u. dergl.). Diese Lobpreisungen erstrecken sich auch auf jede
Thätigkeit, ja die geringste Bewegung, die der Häuptling macht, und
ich mufste einmal geradezu mit einem unauslöschlichen Gelächter
herausplatzen, als Garega im Eifer des Gespräches ein anderer menschlicher
Ton entfuhr, welches Ereignis sofort mit einem bewundernden
„ntchawo fon“ von den gewandten Höflingen q uittiert wurde!
Nunmehr ist ein grofser Lehmtopf (Abb. 43) herbeigeschleppt
worden, und in ihm brodelt der Palmwein auf rasch entfachtem Feuer;
Abb. 43.
Aus Lehm gebrannter Topf
(zum Warmmachen des Palmweines)
mit Ornamentirung
in den Baliländern.
Etwa y i2 nat. Gr.
auch einige Säcke mit Kolanüssen sind zur
Stelle. Das heifse Getränk wird in die stets
mitgeführten Trinkgefäfse gegossen, der
Häuptling greift in eine der Taschen, zerkleinert
mit dem Fingernagel eine Kolanufs
und verteilt an seine Umgebung. Je tz t beginnt
erst die Verhandlung, die von seiten
der Untergebenen oder Nichtebenbürtigen
stets im leisen Flüstertöne geführt wird.
Wenn der „Sprecher“ dem Häuptling etwas
mitzuteilen hat, so geschieht das stets nach
vorangegangenem respektvollen Räuspern,
und hinter vor den Mund gehaltener Hand;
auch rutscht er wohl ein paar Zoll dem
Fürsten näher. Auch bei den wichtigsten
Angelegenheiten dreht sich das Gespräch
zuerst um gleichgültige, alltägliche Dinge,
das Wetter, Ernteaussichten, Befinden u. dergl.; erst allmählich lenkt
es auf den Kern der Sache ein — wie bei uns auch.
Nie begiebt sich ein freier, p o li ti s c h selbständiger Herrscher in
den Baliländern in das Dorf eines anderen Häuptlings, auch nicht
seines vertrautesten Blutsfreundes. Ein derartiger Besuch wird stets
als ein Zeichen der Untergebenheit, einer mehr oder minder grofsen
Abhängigkeit betrachtet.
Zusammenkünfte der gröfseren Häuptlinge sind überhaupt selten,
und wenn, dann finden sie stets an einem dritten Ort, in einem
Vasallendorf oder auch auf freiem Felde, statt. Meist werden die
Beziehungen durch Einzelgesandte oder Gesandtschaften gepflegt.
Ein lebhaftes Hin- und Hergehen solcher h a t im ganzen eigentlichen
Grasland stets statt, und je zahlreicher sie eintreffen, desto gröfser die
Freude und der Stolz der Häuptlinge. Eigentliche Gesandtschaften
stehen, wie wir bei den Rechtsverhältnissen hören werden, unter
dem ausnahmslos anerkannten und beachteten Schutz der Unverletzlichkeit.
Gesandtschaften.