„7. VII. 92. Kleines Sklavendorf eine Stunde nördlich von
Mi-Yimbi. 700 a. m. aufgebrochen mit allen Soldaten und 25 beladenen
Trägern (Wei und Dahome), diese unter Baioko gestellt. Behelfe mich
mit Ntchonyoya, der kann mithinken. Yap liegt noch an seiner
Wunde; mit ihm auch die beiden Weiber zurückgelassen, auf d em
Marsch kann ich sie nicht brauchen. Vortrupp ich, Nachtrupp unter
Landi und Ngeba.“ (Es waren dies meine beiden besten Baliunteroffiziere.)
„Strömender Kegen. Erstes Wasser zwischen Mi-Yimbidorf
und einem Sklavendorfe bis zur Brust, zweites bereits nicht mehr
passierbar. Bleibe hier, vielleicht fä llt das Wasser his morgen; auch
ist mein Bein noch ziemlich steif und fühle ich mich nicht recht wohl.
Kleines Sklavendorf, 20 Hütten, schöne Farmen.. Leute ruhig, aber
fast keine Weiber da. Zum chop blauen Fasan geschossen. Appetit
schlecht; 2 g Chinin, Wunde eitert wieder etwas.“
„8. VII. 92. Noch hier. Kegen. Versucht durchzukommen, unmöglich,
h a t die ganze Nacht geregnet. Nacht ruhig. Eine Patrouille
meldet mir, dafs eine halbe Stunde wasseraufwärts ein kleiner Trupp
Banyang mit Vieh gezogen sei, auffallend nafs, als ob sie durch den
Bach gewatet wären. Vielleicht eine F u rt da? Das jämmerliche Dorf-
oherhaupt, das der Sicherheit halber die Ehre h a t, stets in meiner
Nähe zu sein, beteuert, es gäbe keine. Gut, dann bleibe ich hier, bis
Baum gefällt oder Übergang möglich, und lebe auf Requisition. Plenty
chop hier, meine Requisitionstrupps häufen vergnügt ganze Depots auf.
Gutes Schufsfeld, Rücken deckt der Flufs.
Auf- und abwärts gesucht, endlich passenden Baum gefunden, bis
400 P- m. hacken die Wei und Dahome daran herum: wie er fällt, fällt
e r nach der Seite landeinwärts! Also heute wieder nichts mit Weitermarsch.
2 g Chinin . . . . Da hocke ich nun wieder, wie schon so oft,
einsam auf dem Schwellenbaum einer Negerhütte tie f im Busch; das
Essen, der Überrest des gestern geschossenen Fasans in Koko und
Bohnen aufgewärmt, die tägliche Nahrung auf dem Marsch, auf einem
schmutzigen Koffer vor mir stehend. Schaue hinaus auf die regentriefenden
Bananen und die elenden Hütten darunter mit ihren In sassen;
gegenüber reicht ein Weib ihrem schmutzigen Kind die schlappe
Brust; das drückt daran mit den Händen, dafs die Milch herunterträufelt.
Die Wunde h ren n t; ermüdende, nur zu bekannte Märsche
im Regen und gelegentliche Knallereien in Aussicht und als Endziel
dieses ewige Bali, wo ich dann wieder weiter vegetiere und wozu?
Wozu von zu Hause fo rt, ein liehes Mütterchen, das ich vielleicht
nicht mehr sehe, eine zärtliche Schwester verlassen, betrübt |fc
aund ein Narr wartet au f Antwort«.; Auf dem Feuer brodelt das Essen
meines Burschen, der davor kau ert, darüber trocknet, die triefende
Wäsche; hin ja heute zur Abwechslung wieder ein paarmal bis zum
Mund inj Wasser gewesen, einen Übergang oder einen passenden Baum
zu suchen, um über dieses verdammte Wasser endlich zu gelangen.
Meine Stiefel hängen am Strick; die Ratten haben mir heute Nacht
zwei Lederstreifen meiner Sandalen ganz aufgefressen . . . ,“
So geht’s noch ein ganzes Ende weiter in der jedem Afrikaner
wohl bekannten Gemütsverfassung, der so niederdrückenden Begleiterscheinung
des Fiehers. Sehnsucht nach der Heimat, Verzweiflung
geradezu an . der augenblicklichen Lage und insbesondere Sehnsucht
nach einem Lebenszeichen von seinen Lieben; all das steigt da überwältigend
auf. Und das letztere h a t schon seine gewisse Berechtigung.
Monatelang lebt man ja da drinnen zu tiefst im Busch ohne jede
Nachricht von zu Hause. Auf dem Marsch befindlich, d a rf man schon
von vornherein alle Hoffnung auf Eintreffen einer Post fahren lassen. —
„9. VII. 92. Sklavendorf 2 */s Stunden nördlich von Mi-Yimbi.
Ein flottes Marschtempo! U/a Stunden weiter wie gestern. Sitze eine
halbe Stunde nördlich des Mi-Yimbiflusses fest, an dessen Südufer ich
beim Heruntermarsch biwakierte.
6 30 a - m- aufgebrochen. Fieber und Wunde g u t, damit auch die
sentimentale Anwandlung weg. Nachts kein Regen, Wasser war etwas
gefallen.. Versuch durchzuwäten glückte mit Hülfe eines Lianenseils;
Wasser reichte aher bis zum Kinn. Auch über den Mi-Yimbiflüfs
ging s : Hängebrücke, die auffallenderweise nicht zerstört war. Am
nächsten Wasserlauf, nur eine halbe Stunde weiter, war die vorhandene
zerstört. Aber die Bewohner im kleinen Dorf nicht weit davon da, und
so werden sie herangeholt, unter meiner Bewachung sie wieder auszu-
bessem. Heute wird sie nicht mehr fertig. Leute ziemlich willig; S0
bezahlte ich die requirierten Lebensmittel. Ich gab die Stücke Zeug
dem Dorfbürgermeister. Nun war’s gelungen: der wollte das für sich
behalten und schleppte es in seine Hütte. Je tz t ging aber ein Skandal
an und es dauerte nicht lange, so war das Ende vom Lied, dafs die
getreuen Unterthanen ihren »König« regelrecht durchprügelten! Welch
himmelweiter Unterschied zwischen diesen »kings« des Waldlandes und
den Häuptlingen oben im Grasland. Hier ist der Herrscher der reinste
Hanswurst, dort genügt ein Wink und eine tausendköpfige Menge ist
totenstill.“ .
„ 10. VII. 92. Sabi (von hier ab erst wieder au f Baliburg nachgetragen).
630 a . m. Abmarsch. 700 bis 800 Übergang über die fertig