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104 Buch X. Kap. 2. §. 12.
In ihm erkannten auch Orientalisten und Historiker fast von jeher
einmüthig den Quell jener bei Omar sich aussprechenden Gesinnung,
ausgenommen einen einzigen, und zwar einen der berühmtesten
Orientalisten der Gegenwart. Herr v on H a m mer-Purgs
t a l l lässt im Gegentheil arabische Wissenschaft, nicht dem Koran
zum Trotz, sondern eben aus dem lioran erblühen, und spricht
sich also darüber aus^):
„Den Koran nennt der Araber O nl ol k i täb, die Mutter
d e r Schrift, oder das Buch Mut ter, und wirklich ist derselbe
die Mutter aller Bücher, die im Islam erschienen. Schon in demselben,
so wie in den Worten des Profeten-) findet sich die Aufmunterung
zur Wissenschaft, und es ist um so wesentlicher hierbei
länger zu verweilen, als Unkunde und Parteigeist in
E u r o p a lang genug den Geist des Islams als einen der
B i l d u n g und dem Studium der Wissenschaf t feindsel
i g e n verleumdet haben/' — Zum Beweise seiner Meinung
fügt der Verfasser diesen harten Worten vier Koranstellen und
eine reichere Blumenlese aus der Ueberlieferung hinzu. Ungern
trete ich dem Meister vom Fach entgegen, doch beistimmen kann
ich ihm diesmal nicht, ignoriren darf ich ihn nicht, und den Vorwurf
der Verläumdung auf mich nehmen mag ich nicht.
Es handelt sich bei der ganzen Frage lediglich um die Bedeutung
des arabischen Wortes Ilm und seiner Stammverwandten
im Koran. Dass es in späterer Zeit ungefähr dem, was wir
W i s s e n s c h a f t nennen, entspreche, leidet keinen Zweifel, wiewohl
H'aggi Chalifah's Wissenschaft sich unsichtbar zu machen
und viele andre Wissenschaften gleichen Schlages, die er unterscheidet,
zu unserm Begriff der Wissenschaft nicht passen, und
wiewohl uns unter den fünfzehn Definitionen der Wissenschaft,
1) Hammer' Pur g st all ^ Literaturgeschichte der Araber^ XL, der
JEinleitung,
2) Das heisst in der mündl ichen Ueber l ieferung, H'adidh (vergl.
diesen Artikel bei d'Herbelot^ oder besser den langen Artikel bei Haji
Khnlfa^ edid, Fhiegel^ IIIy pag. 23 sqq.) welche, neben dem Koran, auf den
Profeten zurückgeführt wird, und viele Sammler fand.
B u c h X. Kap. 2, 12. 105
die er in der Einleitung seines Werks giebt, keine einzige genügen
kann. Aber Herr von Hammer legt dem Wort Ilm die Bedeutung
Wissenschaft schon im Koran bei, und darin, glaube ich,
irrt er. Des Korans G-rundlehre ist der alleinige Gott, der sich selbst
durch seine Proleten den Menschen offenbarte. Nicht selten fasst Mohammad
Juden Christen und Moslimen bald unter dem Namen der
S c h r i f t b e s i t z e r , bald unter dem der Wi s senden zusammen,
und stellt ihnen, um keinem Zweifel Raum zu lassen, die Unw
i s s e n d e n oder Heiden gegenüber. In engerm Sinne nennt er
auch die seiner eigenen Offenbarung vorausgegangene Zeit die
Z e i t der Unwissenhei t, indem er sich, wenn nicht für den einzigen,
doch grössten Profeten erklärt. In allen Stellen beider Art
bedeutet ihm also das Wissen oder die Wissenschaft lediglich den
Besitz einer göttlichen Offenbarung, die jedem Ungebildeten zu
theil werden konnte. Aber auch eine Erkenntniss Gottes durch
vernünftige Natur- und Weltbetrachtung nahm er an, und der Koran
p-edenkt ihrer oft. An solchen Stellen übersetzt U o llmann das Wo r t
Ilm durch Vernunf t oder natür l iche Erkenntniss, und eben
so mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die aus der Betrachtung
der Natur der Dinge zu schöpfende Gotteserkenntniss, erklärt es
sogar das unter dem Titel Tarifât bekannte philosophische Wörterbuch
bei Freytag Ziehe ich das alles in Betracht, so finde
ich in den von Herrn von Hammer citirten Koranstellen, die ich
im Original verglichen und meinem gelehrten Collegen Professor
Dr. Olshausen vorgelegt habe, durch das Wort Ilm nichts weiter
ausgedrückt als das Wissen des einzigen Gottes, sei es durch
Offenbarung überliefert, oder habe es sich der selbstthätigen Vernunft
erschlossen; und die in jenen Koranstellen erwähnten Gelehrten
sind vielmehr die Belehrten, die Bekenner des einigen Gottes.
Wie konnte auch Moliammad, der nicht einmal zu schreiben
verstand, der, wie oft er sich auch auf das Evangelium und die Thora
(das mosaische Gesetz) beruft, fast eben so oit sie nie gelesen zu
haben verräth, der alles was er lehrte, unmittelbarer Eingebung zu
1) Fr eytag ii lexicon Arahicum, voce
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