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184 Bu c h X, Kap. 4. §. 24.
§. 24.
I b n Sin^'s oder Avicenna's Leben.
Diesem Manne wahr und gerecht zu sein, ist schwer. Denn
seine zahllosen Biographen und Kritiker spalteten sich früh in Bewunderer
und Verächter, und wir selbst kennen ihn im Grunde aus
einem einzigen grössern Werke nur als medicinisehen System
a t i k e r genau genug, um uns ein gültiges Urtheil zu bilden.
Was wir von seinen viel gerühmten philosophischen Arbeiten,
zum Theil nur in barbarisch-lateinischer IJebersetzung besitzen, ist
kaum der Rede werth; von seinen mathematischen astronomischen
gesetzkundigen und philologischen Werken blieb
uns nur das Verzeichniss übrig, und was er als Staatsmann gewollt
und gewirkt, ist uns vollends unbekannt. Die sichersten
Nachrichien über sein äusseres Leben bietet uns seine kurze,
nicht weit über seine Jugend hinausreichende Selbstbiographie
dar, fortgesetzt von seinem Schüler Freunde und unzertrennlichen
Gefährten, dem Faqih (Gesetzkundigen) Abu Obai d Abd AIwaKid
Algürgänin, die uns Abul farag^) im Auszuge, Ibn
A l q o f t h i ^ ) noch etwas abgekürzter, Ibn Abi Oszaibiah vollständiger
als jene erhielten, und von der Niccol o Massa^; eine
mir unbekannte lateinische, Hamm e r - P u r g s tal l eine deutsche
]) So nennt ihn Abul f eda , und unterscheidet sorgfältig die beiden in
Ibn Sinä's Leben vorkommenden Städte G'ürg'än mit einem Waw in der
ersten Sylbe, woher Abd Alwaliid gebürtig war, und wo sich Lehrer und
Schüler kennen lernten, und Kork eng' der Perser oder nach arabischer
Aussprache G'org'äniah, wohin sich Ibn Sinä früher begeben hatte.
Hiernach ist sowohl die Bezeichnung A1 g ' ü z g ' ä n i , mit Entstellung des r
in z bei Abulfarag', die Wüstenfeld beibehalten, wie auch Alg'orgäni, ohne
Waw, bei Hammer-Purgstall und Andern zu berichtigen G'ürgän liegt
jetzt in Trümmern, etwa drei Tagereisen östlich von Astrabad; G'org'äniah
ist das heulige Urg eng' im Lande Khiwa.
2) Abulpharaji hisio7\ dynasf, pag, 229 sqq.
3) (Alqofthi) Arahita philosophorim hibliotheca^ in C a sir i bihlioth, arahicohispana
7, pctg, 268 sqq.
4) Abgedruckt vor den drei letzten Ausgaben des Avicenna Venetiis
apud Juntas^ von löS^i 1592 und 1608 in foUo,
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Uebersetzung lieferten. Aus dieser Biographie nahm offenbar auch
A b u l f e d a 1) seine Nachrichten über Ibn Sin^. Von andern orientalischen
Biographien kenne ich nur noch die persische mit einer
französischen Uebersetzung und Anmerkungen von Jourdain herausgegebene
des K o n de mi r 2), die zwar viel mehr enthält als jene
erstgenannte, doch wegen ihrer vielfachen Abweichungen von derselben
wenig Vertrauen einfiösst; und die ganz fabelhafte, also
ganz unberücksichtigt zu lassende des L e o Af r ikanus bei Fabricius.
Neuerich widmeten Wüs tenfeldund Hammer-Purgstall
dem Leben Ibn Sinä's viel Sorgfalt. Jener benutzte ausser den
Genannten vorzüglich noch Ibn Chal l ikan und Ibn Abi Oszaibiah,
und vervollständigte Algürgäni's Nachrichten, ohne sich mit
ihnen in Widerspruch zu setzen. Dieser benutzte weit zahlreichere,
besonders persische, bisher unberührte Quellen, versuchte durch sie
Ibn Sinä's Selbstbiographie, die er aus Ibn Abi Oszailjiah voranschickte,
zu vervollständigen, und beschrieb auch Ibn Sinä's ferneres
Leben ausführlicher als je zuvor, nicht selten von all seinen
Vorgängern abweichend; eine sehr dankenswerthe, doch der Metakritik
bedürftige Arbeit. Ich, dem zu einer solchen die Mittel abgehen,
werde mich vornehmlich an Algürgäni halten.
Aschschaich Arraijis Abu Ali AlHosain Ben Sinä Alb
o c h ä r i wird unser Held von Äbulfeda genannt. Das ist in so
fern eine kleine Ungenauigkeit, als er nicht in, sondern nahe bei
Bochärä zu Afschenadt geboren ward, von wo jedoch sein Vater,
ein angesehener Staatsdiener, bald nach seiner zwei Söhne Geburt
nach Bochärä übersiedelte. Die beiden ersten Worte sind Ehrentitel,
die ihm fast überall beigelegt werden. Aschschaich heisst
zunächst der Alte, und dann der Ehrwürdige; Arraj j i s das Haupt,
und dann der Erhabene. Durch geringe Vocalveränderung, die
1) Ahulfedore annales muslemici, edid. Adler, III, pag. 93.
2) Biographie abrégée d'Äbon Aly Syna etc. par Jourdain, in den Fundgruben
des Orients I I I , (Wien 1813 in folio) pag. 168 sqq. Der persische Text
steht voran.
3) Wüstenfeld, Geschichte der arab. Aerzte und Naturforscher, nr. 128.
4) Hammer-Purgstall, LiLeraiurgeschichte der Araber, V, S. 368 ff.