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42ß Buch XI. Kap. 3. (33.
der Verse übertrifft, ,Jch kann mich nicht genug wundern, sagt
Keuss in seiner Vorrede, wie in einem Jahrhundert, welches Baronius
an Unfruchtbarkeit im Guten eisern, an Scheusslichkeit des
hervorbrechenden Schlechten bleiern, an literarischer Dürftigkeit
finster nennt, solch ein Dichter erstehen konnte!" Er und sein
Cardinal haben übersehen, dass wir mit Karl dem Grossen aus der
Periode des ab- in die des zunehmenden Mondes der Geistesbildung
getreten sind. Las doch noch in demselben Jahrhundert
nicht lange nach Walafrid der Günstling König Karl des Kahlen
J o h a n n e s Scotus Erigena den Piaton und Aristoteles im
Original, übersetzte den Dionysios Areopagita aus dem Griechischen
ins Lateinische, und führte die Philosophie aus dem Orient
nach Europa zurück. Bald folgten ihm andere Denker. Die Poesie
hörte wieder auf lateinisch zu sprechen, sie ward wieder national
bei den Völkern des Abendlandes. Am Schluss des zehnten Jahrhunderts
bestieg, als sicherstes Zeichen der Zeit, ein Mathematiker
Sylvester IL sogar den päpstlichen Thron. Nur die Medicin, und
mit ihr die Pflanzenkunde, schliefen noch.
§. 63.
Mac er Floridus.
Diesen Namen führt fast in allen Handschriften, so wie in den
ältesten Ausgaben, der Verfasser, ich darf kaum sagen eines Gedichts,
— denn von Poesie hält es sich sehr rein, also lieber eines
in schlechten Hexametern geschriebenen Buchs de viribus oder
d e naturi s herbarum. Wie beliebt es im Mittelalter und noch
später gewesen sein mag, bezeugen, ausser dem häufigen Gebrauch,
den schon Vincentius B e i l 0 v a c e n si s und Andre davon
machten, und ausser den Bearbeitungen in fremden Sprachen, von
denen wir wenigstens die dänische durch Henr i k Harpestreng,
noch werden kennen lernen, schon die zahlreichen Handschriften
fast in allen grössern Bibliotheken, und die zwei und zwanzig von
Choulant aufgeführten, grösstentheils ältern Ausgaben. Die neueste
und beste ist:
Buch XI. Kap, 3. §. 63. 427
Mac er F lor idus de viribus herbarum, una cum Walafridi
S t r a b o n i s , Othonis Cremonensis et Joannis Folcz
carminibus similis argumenti, quae secundum codd. mss. et
veteres editiones recensuit, supplevit et annotatione critica ins
t r u x i t L u d . Choulant, Accedit Anonymi Carmen Graecum
de herbis, quod e cod. Vindobonensi auxit et cum Godefr.
H erm anni suisque emendationibus edidit J ul. S i i i ig.
Lipsiae 1832, in 8.
Wann, wo und wie der Verfasser lebte, ja welchen Namen er
führte, ist alles zweifelhaft oder völlig unbekannt. Der erste, der
ihm ein gründliches Studium widmete, und tüchtig aufräumte, war
M o r g a g n i der zweite Choulant-)^ der sich durch seine
treffliche Ausgabe des Schriftstellers grosses Verdienst erwarb, in
der Lösung jener literarhistorischen Räthsel aber, ungeachtet seiner
umfassenden Gelehrsamkeit und angewandten Mühe, wenig weiter
kam als sein Vorgänger; der dritte Renzi'^), der zwar eine ganz
neue Ansicht über Macer Floridus aufstellte, doch dieselbe nicht
so, wie man wünschen möchte, begründete.
A t r o c i n i a n u s , der das Buch 1527 neu herausgab, und einige
seiner Nachfolger nennen den Verfasser A e m i 1 i u s M a c e r, indem
sie ihn unbegreiflicher Weise mit dem altrömischen Dichter dieses
Namens, von dem ich Band I, Seite 396 sprach, verwechselten.
Halten wir uns dabei nicht auf. Beachtungswerther ist folgende
Angabe Merula's'*): „Hic libellus, qui sub Macri nomine circumfertur,
non hujus est, sed Odonis cujusdam medici, ut ipse
vidi in codice antiquissimo. Verum ut gratior iret in lucem, Macri
titulo inscriptus est. Diese Worte passen so genau auf den Titel
1) Morgagni opuscula iniscellania^ edit. Veneta in fol. Pars 7, pag. 103 sq.y
im ersten Brief über Q. Serenus Samonlcus, nicht weit vom Anfang.
2) Choulant in der Einleitung zur genannten Ausgabe, und später in
seinem Handbuch der Bilcherhunde^ 2. Aufl, S, 233,
3) Renzi coUectio Salernitana^ i, pag, 212 sqq. Mehr über dies Werk sehe
man §. 04 zu Anfang.
4) Gaudent. Merula de GaUorum Cisalpinorum antiquitate et origine^ üb. I,
cap, 10^ in Graevii thei'.aiirus antiqaüaturn Italiae^ tom, i, pars /, pag, 96^ oder
nach Choulant in der (3riginalausgabej Lugdani 153S in 8,, pag. 73.
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