10 Buch IX. Kap. 1. §. 3. Buch IX. Kap. 1. §. 3. 11
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nicht mit diesem Werke, Avelches er selbst ein systematisches nennt,
und welchem in der Sage so viele andere vorangingen, entstanden
sein kann, versteht sich von selbst. Die poetischen Bestandtheile
des Werks, die er jedoch nach einer Berichtigung bei den
Druckfehlern nicht alle für unzweifelhaft acht zu halten scheint,
können zwar, müssen aber nicht nothwendig dieser Periode angehören.
Sie scheinen ihm etwas jünger zu sein als die Vollendung
der grossen epischen Gedichte der Inder, welche er an einer andern
Stelle (I, S. 839) in die Zeit zwischen dem altern A^oka
(Kala^oka) und Kandragupta (Sandrakottos der Griechen), das
heisst zwischen 453 und 291 v. Chr. G. setzt. Ziehen wir nun
in Betracht, wie die kurzen poetischen Stellen durch die langen
p r o s a i s c h e n Zwischenreden commentirt werden, so können wir
unmöglich an ihrem weit höhern Alter zweifeln, und dürfen die
Abfassung des ganzen Werks in seiner gegenwärtigen Gestalt dreist
einige Jahrhunderte tiefer herabsetzen. Das scheint mir auch Lassens
Meinung zu sein; denn hätte er nicht die Absicht im dritten
Bande seines grossen Werks, welches die indische Geschichte über
das Jahr 280 n. Chr. G. hinaus verfolgen soll, nochmals auf unsern
Susruta zurückzukommen, so würde er dessen untere Grenze im
zweiten Bande schwerlich so ganz unberührt gelassen haben.
Ungern, und nur weil ich es meinen Lesern schuldig zu sein
glaube, bemerke ich nach dem Allen, dass K e s s l e r , dem wir für
seine mühevolle Uebersetzung des Susruta so viel Dank schuldig
sind, sieh noch immer nicht von dem alten Vorurtheil losreissen
kann, die indische Sage als verbürgte Geschichte zu betrachten,
und demzufolge dem Susruta noch immer ein Alter von mindestens
tausend Jahren vor Chr. G. anzuweisen, j a dass er sogar noch
in seinem Commentar vom Jahre 1852 alle diejenigen, welche anderer
Meinung sind, auf die schnödeste Weise abfertigt. Auf
einige einzelne Punkte bei ihm werde ich sogleich zurückkommen.
Endlich berühre ich nicht ohne Scheu noch Einiges, was
mir bei meiner eigenen Leetüre der hesslerschen Uebersetzung
aufgefallen ist, und worüber ich das Urtheil gediegener Sachkenner
erfahren möchte. — Bekannt ist, dass Susruta nicht bloss
der ano-ebliche Name des Verfassers, sondern zugleich des Werkes
Titel ist Jedes der fünf Bücher schliesst mit der Formel:
Somit ist vollendet das Buch - (folgt des Buches Separattitel)
des Susruta, enthaltend den Ayurveda (die Lebenswissenschaft)
" Nur in der Schlussschrift des ersten Buchs lesen wir noch
den Zusatz: „verfasst von dem verehrlichen Lehrer Susruta." Der
Text selbst ist gleich von vorn herein, und in mehrern Büchern
durcho-ängig, ein Dialog zwischen Susruta, des Visvamitra Sohn
(z B^'ll pag. 66), und Dhanvantari, dem Kasiraja und Gott der
Medicin ' Jener bittet diesen um Belehrung, dieser ertheilt sie,
und so spielt jener alle fünf Bücher hindurch (das dritte ausgenommen)
die Eolle des Schülers; der L e h r e r wird er nur einmal
in der Schlussformel des ersten Buchs. Sodann spricht Susruta'
niemals, wie ein Verfasser zu thun pflegt, unmittelbar von
sich selbst, sondern er sowohl wie auch Dhanvantari werden jedesmal
redend eingeführt von einer dritten ungenannten Person, dem
wirklichen Verfasser. Dieser dagegen spricht sehr häufig selbst,
ohne sich hinter den Gott oder Königssohn zu verstecken, z. B.
das ganze dritte Buch (die Somatologie) hindurch, worin er sich
nur ein paarmal (II, p. 12 und 17) auf Dhanvantari's Meinung
beruft, ohne ihn oder seinen Schüler selbst auch nur ein Wort
sprechen zu lassen; eben so im ersten Kapitel des vierten Buchs,
und öfter. Der ungenannte Verfassergab also seinem Werke
die Form des Dialogs und, nach Einem der Interlocutoren, den
T i t e l Susruta. Kann man zweifeln, dass sich daraus erst spater
die Meinung entwickelte und durch einen kleinen Zusatz zur
Schlussschrift des ersten Buchs feststellte, Susruta wäre selbst der
Verfasser? Noch mehr, es scheint herrschende Sitte bei den Indern
gewesen zu sein, medicinische Werke nach einem der alten sagenhaften
Aerzte zu benennen, gleich wie die Griechen ihre alchymistischen
Werke eine Zeitlang alle dem Hermes Trismegistos beilegten.
In zwei Katalogen medicinischer Sanskrit werke, m dem
der in London handschriftlich vorhandenen, welchen Dietz^), so
1) Dietz analecta, pag, 125 sqq.