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396 B u c h XL Kap. 3. §. 57.
nur schade, dass er, wie sein Hexaemeron zeigt, in den Naturwissenschaften
ausser der Astronomie völlig unwissend war. Ganz
naiv versichert er, durch missverstandene Bibelworte verleitet, im
Frühling keimten nicht allein die liräuter, sondern um dieselbe
Zeit trügen auch die Obstbäume ihre Frucht. Das konnte nur
ein hinter Klostermauern aufgewachsener und ergrauter Mönch
sagen.
§. 57.
K a r l der Grosse, und die Li teratur seines Capitulare
de villis et cortis imp erial ibus.
So war der Zustand der gelehrten Bildung, als Karl der Grosse
den fränkschen Thron bestieg, die Longobarden aus Italien vertrieb,
die Sachsen überwand, und das heilige römische Kaiserreich
deutscher Nation gründete. Seine Geschichte kennt jedermann,
es reicht hin an Einiges, was uns näher berührt zu erinnern, an
die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung Sicherheit und
Kirchenzucht, an die LIerbeiziehung gelehrter Männer, vornehmlich
aus England und Irland, unter denen Alkui n weit über alle
hervorragt, doch auch wenigstens Ein Italiäner genannt wird,
P e t r u s Pisanus, der den Kaiser selbst noch in der Grammatik
unterrichtete und merkwürdiger Weise, eben so wie der schon
früher erwähnte Paulus Diakonus, grade aus der Stadt war, wo
die Longobardenkönige Llof zu halten pflegten, wo man daher,
wenn Tiraboschi Recht hätte alle Barbarei in Italien von ihnen
abzuleiten, am wenigsten Ueberreste früherer Gelehrsamkeit erwarten
sollte. Ich erinnere aber vorzüglich an die Errichtung so vieler
neuer und Wiederherstellung; alter verfallener Dom- und Klosterschiilen,
und deren Besetzung mit ausgezeichneten Lehrern,
zumal in den neu erworbenen deutschen Provinzen oder deren
Nähe, von denen einige bald einen hohen Ruf und wissenschaftliche
Bedeutung erlangten, wie die zu Fulda, Hersfeld, Osna-
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brück i), Korvei, Reichenau, St. Gallen, St. Emeran u. s. w.; endlich
an die Stiftung einer anfangs wandernden Schule für die Sohne
der Grossen am kaiserlichen Hoflager, verbunden mit emer Bibhothek
und einer Art von Akademie, die später in Paris fortdauerte.
Der Zweck dieser Hofschule war, den Sinn für Wissenschaft, den
der Kaiser selbst in so hohem Grade besass, auch bei den Grossen
und Vornehmen, die sich meist nur noch in ritterlichen Hebungen
gefielen, aufs neue anzuregen.
Und wie der Kaiser, trotz der Last, die auf seinen Schultern
ruhete, trotz der allwärts widerstrebenden Elemente, die er theils
in Bewegung zu setzen, theils zu bändigen und zu bewachen hatte,
doch auch das Geringste im Auge behielt, das bezeugt unterandern
sein berühmtes Cap i t u l a r e de v i l l i s et c o r t i s i m p e r i allbus,
eine bis ins äusserste Detail gehende Verordnung über die Verwaltung
seiner Domänen, worin im letzten Kapitel sogar die Pflanzen
verzeichnet stehen, die in den kaiserlichen Gärten gezogen
werden sollten, nicht bloss Obstbäume und Gemüse, sondern audi
eine beträchtliche Anzahl von Zier- und Heilpflanzen. Es ist ein
nacktes Verzeichniss, die Obstsorten mitgerechnet etwas über hundert
verschiedene Pflanzen enthaltend, theils unter lateimschen
theils unter deutschen Namen, worunter manche sich kaum errathen
lassen; es ist also an sich ohne wissenschaftlichen Werth: aber es
ist eine heilige Reliquie, ein unverkennbares Zeichen der Achtung,
die der grosse Kaiser, der Stolz unsrer Nation, zu einer Zeit, als
es keinen Botaniker gab, doch auch der Botanik zollte, und darum
unsrer dankbarsten Anerkennung und vollen Aufmerksamkeit werth.
— Landwirthe Staatswirthe und Forscher des vaterländischen Alterthums
schulden diesem in seiner Art einzigen Document gleiche
Achtung. Daher es denn auch seit der Mitte des siebzehnten Jahr-
1) In dieser Schule sollte sogar G r i e c h i s c h gelehrt werden, und der
Bischof führte den wunderlichen Titel eines b e s t ä n d i g e n k a i s e r 11 c h en
G e s a n d t e n am Hofe zu Byzanz in Ileiraths angelegenhei ten.
Man hat beides bezweifelt. Der eben so kritische wie gelehrte ikioser vertheidigte
es in seiner osnabrücküchen Geschichte I, Abschnitt V, §. ä3 und
ßeite 362 ff. der dritten Auflage.
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