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430 Buch XI. Kap. 3. §. 63. B u c h XI. Kap. 3. §. 63. 431
brauch, den er von seiner Kenntniss macht. Fast bei jeder Pflanze
giebt er neben dem lateinischen auch den griechischen Namen an;
das wäre in Frankreich leere Aiiectation gewesen, in Unteritahen
hatte es guten Grund. Auch die Krankheiten werden häufig mit
griechischen Namen benannt, und selbst andre griechische Ausdrücke,
wie z. B. cacostomachon, was den Magen belästigt, kommen
vor, Entstellungen griechischer Namen und AVörter, wie Ipocras
statt Hippocrates, Jusquiamus statt Hyoscyamos, sciasis statt
ischias, incaustum statt encauston (Dinte) u. s. w., die sich bei vielen
mittelalterlichen Schriftstellern aller Länder finden, gingen gewiss
vornehmlich von da aus, wo sich beide Sprachen lebendig
berührten, das heisst von Unteritalien. In Einem Fall bei unserm
Macer kann ich das sogar durch ein bestimmtes Zeugniss nachweisen.
Vers 1201 heisst es, Gaulis werde in griechischer Sprache
B r a s s i c a genannt. Das klingt wunderlich, da doch Brassica ein
alt lateinisches Wort ist. Allein Hesychios i) sagt: BQaoxrj (nach
einer andern Lesart sogar ßQa(jaix.rj), >fQa/.ißt], Iralicorai, das heisst:
die Grossgriechen in Unteritalien (nicht die Italiä'ner in unserm
Sinn des Worts) nennen den Kohl Braske. Dasselbe vermuthe
ich von El na, angeblich griechischem Synonym von Enula vers.
1489, und Lol ium, angeblich griechischem Synonym von Nigella
vers. 2015. Sodann zeigt Macer eine B e k a n n t s c h a f t mit alten
s o w o h l g r iechischen als auch r ömi s c h e n Schriftstellern,
die zu der Zeit, wo er gelebt zu haben scheint, in Frankreich
vielleicht niemand besass. Besonders häufig benutzte er den Plinius,
zwanzig mal citirt er ihn sogar, einmal auch den Palladius,
und von Griechen den Dioskorides, Galenos, Oribasios. Andre
Schriftsteller mag er zum Theil nach fremden Citaten citiren, von
den genannten lässt sich nicht verkennen, dass er sie selbst benutzte.
Auch die vielen Beziehungen auf g r i e chi s che J\']ythologie
müssten uns, meine ich, bei einem Franzosen weit mehr befremden
als bei einem Bewohner Unteritaliens, wo man sich der griechischen
Literatur nie ganz entfremdete. Wohl zu beachten ist ferner der
gänzliche Mangel an theologischen Andeutungen in dem Gedicht,
woraus ich die Vermuthung schöpfe, der Ver fasser habe zu
d e n Laie n gehört. Ausserhalb Unteritahen möchte es schwer
halten in der Zeit, in welcher der Verfasser gelebt zu haben scheint,
einen Arzt weltlichen Standes nachzuweisen; in Unteritahen finden
wir dergleichen nicht nur von 900 an in Salerno häufig, sondern
einzeln finden wir sie auch an andern Orten. Mein Hauptargument
ist aber die Aufnahme so vieler Verse aus unserm Gedicht,
in das sogenannte Kegimen sanitatis Salerni, welches die salernitanische
Schule mit den Anfangsworten: - . .
Anglorum regi scripsit tota schola Salerni,
feierlich für das ihrige erklärt. Denn so augenfällig konnten die
salernitanischen Meister das Gedicht nicht plündern, wenn sie dessen
Verfasser nicht als einen der Ihrigen betrachteten; und als einen
solchen konnten sie ihn nicht betrachten, wenn er nicht, sei es
auch vor der Gründung der salernitanischen Schule, entweder zu
Salerno selbst, oder in dessen Nähe gelebt hätte. Kenzi kehrt die
Sache zwar um, und lässt den Macer Floridus das ßegimen plündern.
Sieht man jedoch, wie die gleichen Verse beider Gedichte
bei Macer überall in genauem Zusammenhange mit den übrigen,
im Regimen ganz aphoristisch dastehen, und, um die Spuren des
eigentlichen Zusammenhangs zu verwischen, oft sogar metrisch verschlechtert
sind: so erscheint ßenzi's Ansicht, der ausserdem auch
die Chronologie im Wege steht, ganz unhaltbar.
Nach seiner Meinung ist das Gedicht zu Anfang des zwölften
Jahrhunderts!), etwa um 1130^) geschrieben; ich mochte es dagegen
ans Ende des neunten Jahrhunderts, kurz vor die Anfänge
der salernitanischen Schule stellen, und zwar aus folgenden Gründen.
Der jüngste unter den vielen Schriftstellern, die Macer Floridus
citirt, ist Walafridus Strabus, gestorben 849. Aelter war
Macer Floridus also nicht, darüber sind Alle einig, nur darauf
kommt es an, wie viel jünger er war. Nach Kenzi ist der jüngste
) Renzi coUeciiü Salernitana 7, pag. 21 toj Ò q,
2) Ibidem pag, 521.
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