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B u c h IX. §. 1.
vorzLileucliten, sie zu neuem Leben anzuregen begann, ist es Zeit,
dass wir rückwärts blickend auch ihren Anfängen nachspüren.
In die Weltgeschichte treten die Araber erst mit Mohammed,
in die der Wissenschaft erst mit der Dynastie der Ommajaden ein.
Die beiden ersten Chalifen (Nachfolger des Profeten) eroberten
P e r s ien, die Dynastie der Sassaniden ging mit Jezdegerd III.
(t 652) zu Grabe, und fast ganz Persien trat über zum Islam.
Damals Avaren die Araber noch die zwar reich begabten, doch
rohen Sohne der Wüste; die Perser besassen neben den Künsten
des verfeinerten Lebens die Weisheit der Mager, so wie manches,
was ihnen die Nachbarländer an Literatur dargeboten. Griechische
Meisterwerke wurden, wenn nicht unmittelbar, doch durch
Vermittelung syrischer aus dem Vaterlande vertriebener, in Persien
gastfrei aufgenommener Christen aus dem Griechischen ins Syrische,
aus diesem ins Persische übersetzt. Mit I n d i e n stand Persien
in noch lebhafterem Verkehr und näherer Geistesverwandtschaft.
Auch indische Werke wurden ins Persische übersetzt, zum
ersten mal begegneten sich zwei vollkommen unabhängig von einander
erwachsene Literaturen, die griechische mit der indischen,
auf persischem Boden, wo ihnen jedoch der Sturz der Sassaniden
zu höherer Entwickelung nicht Zeit liess. Die Araber erbten den
literarischen Nachlass der Perser, sehr bald übersetzten sie selbst,
so wie Juden und Christen unter ihrem Schutz von zwei Seiten
her sowohl indische wie griechische, dazu auch national - persische
und einige nabathäische AVerke in ihre Sprache. Wir haben also,
bevor wir uns zur arabischen Literatur wenden, die der Inder
Perser und Nabathäer in Bezug auf Botanik zu mustern. Ich unterziehe
mich dieser Aufgabe, bitte aber bei meiner geringen Kenntniss
der arabischen und gänzlichen Unkenntniss anderer orientalischer
Sprachen für dieses Buch um mehr als gewöhnliche Nachsicht.
B u c h IX. Kap. 1. §. 2. 3
Erstes KapiteL
Zur Gescliichte der altern indischen Arzneimittellehre und
Botanik.
§• 2.
D i e indische Sage vom Ursprung und For tgang der
M e d i c i n .
Die Inder, gewohnt alles, was ihren Zustand veränderte, jede
Erfindung, jeden einflussreicheren Gedanken, auf ihre Götter zurückzuführen,
und Göttliches und Menschliches unauflösbar zu verflechten,
gaben auch der Medicin einen göttlichen Ursprung. Bhävamisra,
der Verfasser eines noch ungedruckten medicinischen
Werkes, aus dessen Einleitung Dietz einen Auszug lieferte, erzählt
ihn also: Das erste medicinische Werk, Brahmäsidhänta,
schrieb Brahma der Weltschöpfer selbst in hundert mal
tausend Sloka's (Doppelversen), Unmittelbar von ihm empfing
D a k s h a , von diesem die beiden Aswina' s (Sonnensöhne) den
Ayurveda (die Lebenswissenschaft, d. i. die Heilkunde), und schrieb
e n ein Buch darüber. Sie wurden die Leibchirurgen der
Götter und verrichteten viel wunderbare Kuren an ihnen, weshalb
I n d r a sie hoch in Ehren hielt, und von ihnen selbst den Ayurveda
empfing, den er wiederum dem A t r e y a vorlas und erklärte.
Dieser schrieb abermals ein medicinisches Buch, und
hatte viele Schüler; es werden deren sechs genannt, welche ein
j e d e r medicinische Vorschriften hinterliessen. Agniv
e s a , Bheda (oder Bhela), Jatukarna, Parasara, Kshir
a p a n i , Harita, und dazu noch der Muni Bharadvaja. Auf
sie folgte Charaka um die Zeit, als Vishnu die Gestalt eines
Fisches angenommen hatte, Sesha selbst, der Sohn eines Muni,
hatte auf der Erde den Namen Charaka angenommen, und
sammelte alles, was Atreya' s Schüler hinterlassen, in ein
1) Dietz^ analecta medica ex lihris manuscr, pay. 131.