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422 Bu c h XI. Kap. 3. §. 62.
§- 62.
W a l a f r i d u s Strabus.
Eine nicht so imposante, aber anmuthige Erscheinung ist
AValafridus St rabus, des Hrabanus Schüler, den Andre lange
vor mir in die Geschichte der Botanik einführten. Unter den vielen
einander oft widersprechenden Darstellungen seines einfachen Lebens
von alten und jungen Schriftstellern finde ich die in der Histoire
literaire de la France tom. V, pag. 59 mit den mir selbst zugäng-
Hellen Quellen am genauesten übereinstimmend. Doch werde ich
auch Andre nicht unbeachtet lassen Möchte er doch einen solchen
Biographen wie sein Lehrer finden! Es ist hier noch viel zu thun
übrig, und er verdient es.
Ob man ihn besser Strabus oder S t rabo nennt, ist ungegewiss;
er selbst nennt sich in seinen lateinischen Gedichten, wie
es zum Versmaass passt, bald so, bald so; doch einmal^) erklärt
er sehr bestimmt:
Edidit haec Strabus, parvissima portio fratrum,
Augiae quos vestris insula alit precibus.
Strabonem quamquam dicendum regula clamet,
Strabum me ipse volo dicere: Strabus ero.
Stände fest, was man so oft behauptet hat, dass ihm der Beiname
gegeben sei, weil er schielte, so wäre Strabo das Richtige, obgleich
man im Mittelalter in gleicher Bedeutung auch strabus sagte. Allein
der einzige Beweis, auf den man diese Meinung zu gründen pflegt,
nämlich dass er sich selbst einmal hebes nennt, kann eben so gut
auf Schwächlichkeit des Körpers überhaupt bezogen werden; und
leicht kann die Sage, er habe geschielt, aus dem Namen, den er
führte, entstanden sein. Dass er von Geburt ein Schwabe war,
bezeugt er selbst, indem er in der Vorrede zum Leben des heiligen
Gallus von dem Lande spricht, „quam nos Alemanni vel Suevi
1) Aus dem Gedicht ad Grimaldum magisirum abgedruckt bei Mabillon
annal ord. St, Benedicti II, pag, 495; auch bei Reuss in der gleich anzuführenden
Schrift pag. 3, not, 12, wo aber im ersten Verse unrichtig Strabo statt
Strabus steht. Eben so bei Choulant.
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incoHmus^' Dass er die Schule zu Fulda besucht, leidet keinen
Zweifel, da er den Hrabanus Maurus seinen Lehrer nennt 2); ob
er aber vor- oder nachher auch die Schule zu St. Gallen oder die
zu Eeichenau (Augia dives) besucht habe, wird bestritten Einer
seiner eigenen Schüler, der reichenauer Mönch Ermenricus sagt in
der Zueignung seines Buchs von der Grammatik an Grimaldus den:
Abt von St. Gallen: „Domnus Walhafredus tibi notissimus, quem
etiam tu ipse, ut peritus cathegeta, peritum sophistam enutristi''^).
Das wäre schlagend, wenn fest stände, dass Grimaldus zuvor niemals
weder zu Fulda noch zu Reichenau unterrichtet hätte; doch
darüber wissen wir, oder weiss ich wenigstens nichts. Aber im
Jahr 825 befand sich Walafridus nach kaum vollendetem
a c h t z e h n t e n Lebensjahr zu Reichenau, besang die im Jahr
zuvor daselbst vorgekommenen Visionen des Mönches Wetinus^
widmete das Gedicht jenem Grimald, und nannte in der Zueignungsschrift
nicht diesen, sondern den Hrabanus und den reichenauer
Mönch Tatto seine Lehrer^). Nach der Histoire literaire
de la France empfing er den ersten Unterricht in Reichenau, ging
dann nach Fulda, und kehrte von da sogleich nach Reichenau
zurück. Hier ward ihm mit vielem Erfolg die Leitung des Unterrichts
übertragen, und er darauf im Jahr 842, und im Alter von
n u r fünf und dreissig Jahren zum Abt erwählt. Schöttgen
lässt ihn zuvor noch Decan des Klosters zu St. Gallen sein, ohne
eine Quelle anzugeben, oder von Andern unterstützt zu werden.
Trithenüus macht ihn gar zum Abt von St. Gallen. Aber einer
der ältesten und zuverlässigsten Gew^ährsmänner, Hermannus Con-
1) Abgedruckt von Schöttgen im letzten Bande von Fahricii hiblioth.
latina mediae et infimae aetatis ^ voce Walafridus Strahns^ VI, pag, 310 editionis
Patavinae in 4,
2) Nach Mabillon l. c. und Andern,
3) Man vergleiche die angeführte Stelle bei Schöttgen für St> Gallen^
und Mabillon L c. für Reichenau^
4) Abgedruckt bei Schöttgen L c.
5) Nach seiner eigenen Dedicationsschrift bei Mabillon L c.
6) Tr i th emii scriptor, ecclesiast. cap, 646,
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