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inüd am Hofe zu Korkang, der sich Ibn Sinä durch die Flucht
nach G'ürgän entzog, des letztern Aufenthalt daselbst unter fremdem
Namen, seine daselbst am Neffen des Qabüs verrichtete Wun
derkur, die Entdeckung seines wahren Namens durch Qabüs selbst
nach einem der Portraits, welche der Sulthän Malimüd als Steckbrief
in alle Länder versandt hatte, u. s. w. Ich begreife nicht,
Avie man diesen Märchen Glauben schenken kann, da wir aus Ibn
Sinä's eignem Munde wissen, dass Qabüs umkam, als jener ihn
aufzusuchen im Begriff war.
Von nun an verlässt uns auch ibn Alqofthi, indem er nur noch
von Ibn Sina's schriftstellerischen Arbeiten spricht. Nach Abulfarag
schrieb Ibn Sinä zu G'ürgän das erste Buch seines Qanün
und einiges andere, und begab sich darauf, vermuthlich wieder
durch politische Umwälzungen gedrängt, nach Rai, der Hauptstadt
des Buidenfürsten Magd Addaulah (die Trümmer dieser schon
durch Alexanders Feldzüge bekannt gewordenen Stadt liegen etwa
drei Stunden südöstlich vom heutigen Teheran), den er von einer
tiefen Melancholie geheilt haben soll. Ich weiss nicht, wie lange
er dort verweilte, doch gewiss nicht bis zu des Suithans Malimüd
Feldzug gegen Rai und dessen Eroberung, wie Kondemir und
Chuad Emir (bei Hammer-Purgstall) angeben. Denn diese
Eroberung erfolgte 420, und schon 414 eroberte Ibn Kaküjah die
Stadt und das Gebiet von Hamadsä-n, Avohin sich, Avie wir gleich
sehen werden, Ibn Sinä von Rai aus begab, und nahm den dortigen
Buidenfürsten Sarna Addaulah, einen Vetter des Fürsten von
Rai, bei dessen Vater und Vorgänger Ibn Sinä sein erstes Vezirat
bekleidete, gefangen. Auch einen Irrthum des sonst so zuverlässigen
Abulfeda muss ich hier berichtigen. Wie wir von Ibn Sinä
selbst vernehmen, ging dieser nach Rai, nachdem Qabüs lange todt
war. Gleichwohl lässt ihn Abulfeda von Rai nicht, Avie Abulfarag
und alle Andern erzählen, nach Hamadsän zum Fürsten Schams
Addaulah, sondern, ohne einen Ort zu nennen, zu Schams Almäli
Qabüs, d. h. zu jenem längst verstorbenen Qabüs, gehen. Offenbar
verwechselten, ich weiss nicht ob Abulfeda selbst, oder seine Abschreiber,
verleitet durch den gleichen ersten Namen Schams, die beiden
Fürsten von Dilhem und von Hamadsän.
Ibn Sinä ging also, unstreitig geraume Zeit vor 414, d. h. vor
seinem vier und vierzigsten Lebensjahre, ich weiss nicht warum,
von Rai nach Hamadsän zu dem dortigen Buidenfürsten Schams
Addaulah, nach Hammer-Purgstall einem Bruder des zu Rai herrschenden
Buiden; und bei diesem Fürsten setzte er sich in wenigen
Tagen, gewiss nicht bloss durch die schnelle Heilung einer
Kolik, in solche Gunst, dass ihn derselbe zu seinem Vazii ernannte.
Aber das Militär widersetzte sich der Wahl eines Philosophen zum
höchsten Staatsbeamten, stürmte seine Wohnung, und verlangte
vom Fürsten seinen Tod. Ibn Sinä verbarg sich, und benutzte
die Müsse der Zurückgezogenheit zu schriftstellerischen Arbeiten.
Nachdem sich der Sturm gelegt, trat er sein Amt aufs Neue an,
und verwaltete es von nun an bis zu seines Herrn Tode zu allgemeiner
Zufriedenheit. Den Tag über beschäftigten ihn die Staatsangelegenheiten
und das Hofleben, den frühen Morgen widmete er
auch jetzt noch der Wissenschaft, den späten Abend fröhlichen
Gelagen in geistreicher Gesellschaft, die sich bei ihm versammelte.
Namentlich schrieb er in dieser Zeit den physischen und metaphysischen
Theil eines grossen Werks unter dem Titel Aschschifä,
die Hei lung (des Geistes durch die Vernunft, setzt Hammer-
Purgstall erläuternd hinzu. Ein Auszug daraus unter dem Titel
A l n i g ä d t , die Zuflucht, den Avir noch besitzen, handelt in drei
Büchern von der Logik Physik und Metaphysik). Auch das erste
Buch des Qanün, das Einige schon zu G'ürgän vollenden lassen,
setzen Andere erst in diese Periode.
Schams Addaulah's Sohn und Nachfolger Samä Addaulah
wollte ihn dem Wunsche des Volks gemäss in seinem bisherigen
Amte bestätigen; Ibn Sinä, vermuthlich den nahen Untergang des
Hauses voraussehend, lehnte es ab, verbarg sich vorerst bei einem
ihm gewogenen Apotheker, schriftstellerte, und wandte sich heimlich
mit einem Gesuch um Aufnahme nach Iszfahän, an den mächtigen
Beherrscher des südlichen Iräq, Alä Addaulah, gewöhnlich
Ibn Käküjah genannt, denselben, dessen Uebermacht für Hamadsän
verderblich zu Averden drohete. Der Schritt ward verrathen,
als Hochverrath behandelt, und Ibn Sinä in eine feste Burg einge