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Zug seines Charakters war unerschütterliche Treue gegen seinen
Kaiser. So hatte er stets Ludwigs des Frommen Partei gehalten,
und sich dabei doch die Achtung der feindseligen Söhne desselben
7.U erhalten gewusst. Eben so fest schloss er sich nach des Vaters
Tode im Jahr 840 an dessen ältesten Sohn und spätem Nachfolger
in der kaiserlichen Würde, Lothar; und als derselbe 842 von
seinen beiden vereinigten Brüdern Ludwig dem Deutschen und
Karl dem Kahlen von Frankreich geschlagen und zur Flucht aus
Deutschland genöthigt ward, legte Hrabanus lieber sein Amt nieder,
als dass er gleich Andern zur Partei des siegreichen Ludewig
übertrat. Der Erfolg belohnte seine Standhaftigkeit. Lothar erhob
sich bald wieder, verglich sich mit seinen Brüdern, und empfing
843 durch den Vertrag zu Verdün die Kaiserkrone. Hrabanus
hatte sich indess bei seinem Freunde, dem Bischof Haymo von
Halberstadt aufgehalten, war aber bald darauf wieder nach Fulda
oder in die Nähe des Klosters zurückgekehrt, und hatte diese Zeit
der Müsse zur Ausarbeitung seiner zwei und zwanzig Bücher de
U n i v e r s o , worauf ich zurückkommen werde, benutzt. Bald aber
ward er zu neuer Thätigkeit andrer Art aufgerufen. Im Jahr 847
fiel die Wahl eines Erzbischofs von Mainz auf ihn, und König
Ludwig der Deutsche, der ihn schon zwei Jahr zuvor gelegentlich
zu sich berufen und sehr gnädig behandelt hatte, bestätigte
seine Wahl. Es ist in der That bewundernswerth, wie er sich bei
seiner Gradheit und Freimüthigkeit im Urtheil über die politischen
Ereignisse jener wüsten Zeit die Achtung und das Wohlwollen
entgegengesetzter Parteihäupter stets zu bewahren verstand. Nachdem
Ludwig der Fromme von seinen Söhnen entthront und aufs
Unwürdigste behandelt war, widmete er dem unglücklichen Greise
eine Schrift über die Pflichten der Kinder gegen ihre Aeltern.
Als Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle ihren altern Bruder
Lothar zu der Schlacht bei Fontenay gezwungen hatten, die sie
als Gottesurtheil über ihre Ansprüche an die Herrschaft betrachten
wollten, sprach sich Hrabanus in der seinem Vorgänger und
Freunde, dem Erzbischof Otgar von Mainz gewidmeten Bussordnung
über die Vermessenheit der Menschen aus, auf solche Weise
die geheimen Rathschlüsse Gottes ergründen zu wollen. So unterwarf
er die politischen Handlungen der Machthaber schonungslos
dem Urtheil christlicher Sittenlehre, und sein Ansehen bei ihnen
sank nicht, sondern stieg, bis er 856, ein Jahr vor dem Kaiser
Lothar, wahrscheinlich im zwei und achtzigsten Jahre seines rastlos
thätigen Lebens sanft entschlummerte.
In seinen zahlreichen, meist theologischen, zum Theil auch
grammatischen Werken zeigt er sich als gründlicher Kenner der
heiligen Schrift und der lateinischen Kirchenväter, verräth auch
nicht geringe Bekanntschaft mit manchen der bessern altrömischcn
Profanscribenten, die er in der Bibliothek seines Klosters vorfand,
oder ihr selbst zu erwerben wusste. Die ihm oft zugeschriebene
Kenntniss des Griechischen möchte ich ihm dagegen absprechen.
Er geht zwar bei seinen Etymologien nur zu oft auf das Griechische
zurück, und liefert mitunter eine richtige Ableitung; doch eben so
oft erfindet er griechische Wörter, die nie existirt haben, oder legt
den vorhandenen Bedeutungen bei, die sie niemals hatten. Das
griechische Alphabet kannte er freilich, darüber hinaus scheint
seine Kenntniss dieser Sprache nicht gegangen zu sein. Ein grosser
Theil seiner griechischen Etymologien ist auch nicht ihm eigen,
sondern von Isidoras Hispalensis entlehnt.
Zu seinen grammatischen Werken rechne ich auch das de
U n i v e r s o , wiewohl es gleichfalls eine theologische Seite hat. Es
wäre ihm in den Sinn gekommen, sagt er, nach Art der Alten
ü b e r die Natur der Dinge und die Etymologie ihrer
N a m e n zu schreiben, doch so, dass er zugleich auf die myst ische
B e d e u t u n g jener Namen einginge. Sein Vorbild war also ohne
Zweifel Isidoras Hispalensis, doch seine Eigenthümlichkeit gestattete
ihm nichts ohne Bezug auf die Bibel zu behandeln; und
so erklärt er durchgängig erst die Namen der Dinge, und dann,
wie er es nennt, die spirituelle oder mystisch-allegorische Bedeutung
jener Namen in der heiligen Schrift oder auch wohl bei den
Kirchenvätern. Von Gott und den Engeln geht er aus, lässt darauf
die Hauptpersonen des alten und neuen Testaments folgen, und
kommt von der heiligen Schrift auf Bibliotheken und Bücher ver-
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