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438 Buch XI. Kap. 4. §. 64.
Mustern wir jetzt nach diesem Grundsatze die wegen ihrer
medicinischen Kenntnisse gerühmten Mönche von Monte Cassino,
so begegnet uns zuerst Ber thar ius , Abt des Klosters von 856
bis 884. Doch von ihm und seiner Keceptsammlung sprach ich
bereits §. 60, und habe jetzt nur noch ein paar Irrthümer zu berichtigen.
Aus den unzähligen Wirkungen der Mittel, die er nach
Petrus Diaconus zusammengetragen hatte, machte Mari, des Petrus
Commentator, unzählige Krankheiten, über die er geschrieben hätte.
Andre versicherten, Petrus selbst sage das. Dergleichen Ungenauigkeiten
begegnet man hier Schritt vor Schritt. Sprengel^)
meint sogar, Bertharius wäre gewiss nicht der erste gewesen, der
zu Monte Cassino mündlichen und schriftlichen Unterricht in der
Arzneikunde gegeben hätte. Die Quellen wissen von einem solchen
im Kloster ertheilten Unterricht zu keiner Zeit das mindeste.
— Nach der Zerstörung des Klosters im Jahr 884 durch die Sarazenen,
bei welcher Bertharius umkam, blieb das Kloster über zwanzig
Jahr lang eine Kuine, und ward erst 915 wieder auferbaut und
bezogen. Unterdessen hatten sich benachbarte Fürsten und Andre
vieler der so lange ohne Aufsicht gebliebenen Klostergüter angemasst.
Als die Mönche zurückkehrten, fanden sie so viel Arbeit,
das Verwahrlosete wieder in Ordnung zu bringen, dass sie, wie
sich Giesebrecht^) ausdrückt, kaum ihren Religionspflichten und
den dazu unerlässlichen Studien genügen konnten, und zu wissenschaftlicher
Thätigkeit weder Müsse noch Lust behielten. Erst
unter dem Abt Theobaldus (1022—1035) findet Giesebrecht wieder
einige schwache Spuren wissenschaftlichen Lebens überhaupt im
Kloster; von Medicin hören wir erst wieder reden unter der langen
und glücklichen Regierung des Abtes Des ider ius (1058—1086).
Drei Männer kommen jetzt vor andern in Betracht, drei ungefähr
gleichzeitige Mönche desselben Klosters, denen es seinen
Ruhm in der Geschichte der Medicin verdankt: D e s i d e r i u s selbst,
sein mit ihm zugleich in das Kloster eingetretene Freund Alfanus,
1) Sprengel, Geschichte der Medicin II, Seite á91.
2) Giesebrecht l. c. pag. 28.
Buch XI. Kap. 4. §. 64. 439
und der erst nach des Desiderius "Wahl zum Abt von diesem, wir
wissen nicht in welchem Jahr ins Kloster aufgenommene Cons
t a n t i n u s Africanus.
D e s i d e r i u s oder, wie er vor seiner Einkleidung als Mönch
hiess, Dauferius, oder wie er zuletzt als Pabst genannt ward,
V i c t o r III., von fürstlicher Abkunft, war schon als Jüngling seinen
Angehörigen und der ihm wider Willen aufgedrungenen Braut
entflohen, um sich in der Stille ganz dem Gebet und strenger
Busse zu widmen. Allein durch übertriebenes Fasten und Wachen
erschöpft, begab er sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit
nach Salerno. Hier knüpfte sich ein Band inniger und ausdaurender
Freundschaft zwischen ihm und Alfanus, einem jungen Mann,
der mit gleicher Neigung zum klösterlichen Leben viel wissenschaftlichen
Sinn und medicinische Kenntnisse verband, ein in
vieler Hinsicht merkwürdiges Verhältniss, welches Giesebrecht in
der angeführten Schrift besonders hervorhebt, und eben so wahr
als anziehend darstellt. Beide zugleich wurden im Jahr 1056 auf
Empfehlung des Pabstes als Mönche in das Kloster zu Monte
Cassino aufgenommen, und schon 1058 ward Desiderius zum Abt
des Klosters erwählt. Bis dahin hören wir nichts von seinen wissenschaftlichen
Leistungen oder Bestrebungen, und Giesebrechti)
meint nicht ohne Grund, er wäre in der frühern Zeit seines Lebens
vielmehr ein Verächter als Verehrer weltlichen Wissens gewesen.
Zu den ausgezeichneten Verdiensten vielfacher Art, die er sich als
Abt erwarb, gehört aber auch seine Sorge für die Klosterbibliothek
und die Anregung der Mönche zu wissenschaftlicher Beschäftigung.
Petrus Diaconus 2) erhielt uns in seiner Chronik ein langes Verzeichniss
von Büchern, die Desiderius durch seine Mönche abschreiben
Hess. Ausser vielen theologischen und einigen höchst
wichtigen juristischen Werken, enthält dasselbe auch mehrere lateinische
Klassiker und wenigstens Einen Codex medicinalis.
1) Giesebrecht l. c, pag. 33.
2) Chronica monaster ii Cas inensis III, cap. 63, bei Pertz l. c,
pag. 746 sq.
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