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392 B u c h XL Kap. 3. §. 56.
Aveder mit den Klöstern oder mit den Kathedralkirchen in Verbindung
standen. An lateinischen Schriftstellern, namentlich an Chroniken
Legenden und Biographien der Heiligen, fehlte es daher
auch in der tiefsten Finsterniss des Jahrhunderts nicht ganz, während
Ueberreste romanischer gothischer baskischer keltischer gaelischer
angelsächsischer und deutscher Literatur entweder ganz
fehlen oder zu den grössten Seltenheiten gehören. Es war die
Zeit, in der sich die neuen sogenannten romanischen Sprachen im
weitern Sinne des Worts, das Italiänische Spanische und Französische,
auszubilden anfingen, Latein war die allgemeine Schriftsprache,
und gleichwohl verstand selbst der Eömer, ohne sie besonders
zu erlernen, diese Sprache nicht mehr. Der Kirche allein,
dem lateinischen Kirchengesange und der Messe, dem Ansehen
der Kirchenväter und den Verhandlungen und Beschlüssen der
Ivirchenversammlungen, die in dieser Sprache abgefasst waren,
verdankte sie ihr Fortbestehen. Daher denn auch einige, obschon
sehr beschränkte Kenntniss alter römischer Literatur nie ganz erlosch,
wogegen das Griechische, ünteritalien ausgenommen, wo es
zum Theil noch die Sprache des Volks war, nur von einzelnen
besonders gelehrten Männern nothdürftig verstanden ward.
Auch die damals allgemeine Einrichtung des gelehrten Studiums
darf ich nicht ganz übergehen, die Eintheilung der sieben sogenannten
freien Künste in das Tr ivium, Grammatik Dialektik und
Rhetorik, und Quadr ivium, Musik Arithmetik Geometrie und
Astronomie, wie sie in zwei alten bizarren Gedenkversen geordnet
und definirt sind:^)
GRAMM, loquitur, DIA. vera docet, RHET. verba colorât,
MVS. canit, AR* numerat, GEO. pondérât, AST. colit astra.
Man sieht, wie sich das Trivium, welches von Wenigen überschritten
ward, auf das Studium der (lateinischen) Sprache und ihrer
Anwendung zum Disputiren beschränkte. Aber auch der zweite
höhere Cursus ging kaum über das tägliche Bedürfniss des Lebens
hinaus. Von der Kunst des Rechnens und Messens versteht sich
1) B r u eher historia critica philosophiae III^ 597, Woher die Verse genommen,
sagt Brucker nicht; für ihr Alter bürgt ihre barbarische Form.
B u c h XL Kap. 3, §. 56.
dies Bedürfniss von selbst, etwas Astronomie gebrauchte man zum
Kalendermachen und zur Regelung der Kirchenfeste, und die Musik
beschränkte sich auf den Kirchengesang, dessen conventionel genaue
Ausführung den Christen damals eine eben so wichtige Angelegenheit
war, wie den Moslimen die conventionel richtige Aussprache
und Declamation bei der Lesung des Korans, i). Wenn spätere
Scholastiker dieselbe Eintheilung zwar beibehiehen, das Trivmm
aber als philosophische Propädeutik, das Quadrivium als Mathematik
Physik und Metaphysik behandelten, so legten sie hinein,
was ursprünglich nicht darin lag.
Auf ganz gleicher Stufe der Bildung oder Rohheit standen
jedoch die Länder nicht. Spaniens arabische Literatur kommt hier
nicht in Betracht. Lidess ist bekannt, mit welcher Duldung moslimische
Fürsten ihre christlichen Unterthanen behandelten; und
so treffen wir mitten in Portugal unter maurischer Herrschaft sogar
einen christlichen lateinischen Schriftsteller, dessen Werk sich erhielt,
den Chronographen I s idorus Pacens i s (aus Baja). Wie
es aber im christlichen Spanien unter fortwährendem Kampf gegen
die Mauren, welche den Kampf gegen die Ungläubigen zu ihren
Religionspilichten rechneten, aussah, dazu liefert uns Brucker2)
einen merkwürdigen Beleg. Das schon im siebten Jahrhundert,
a^so vor dem Einfall der Mauren in Spanien, zu Toledo gehaltene
Concil verordnete in seinem neunten Kanon, es solle fortan niemand
mehr die Priesterweihe empfangen, der nicht wenigstens die Psalmen
und sonstigen feierlichen Kirchengesänge verstehe, und die
Gebräuche der Taufe kenne. Nicht viel besser war der Zustand
in Ober- und Mittelitalien unter der rohen Herrschaft und bei den
ununterbrochenen Kämpfen der Longobarden unter einander, mit
den Griechen und den Landesbewohnern selbst. Tiraboschi 3),
1) Heeren, Geschichte des Studiums der klassischen Literatur /, Seile 102
der ersten Ausgabe von 1797.
2) Bruder 1. c. pag. 571.
3) Tir ah OS chi storia della letteratura Italiana tom. 11 J, Uh. I l , cap. 1,
§. 10, oder pag. 86 der römischen Quartausgabe in 13 Bänden 1782—1797, deren
ich mich gewöhnlich bediene.
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