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440 B u c h XI. Kap. 4. §. 64. Buch XL Kap. 4. §. 64. 441
ohne Angabe des nähern Inhalts und des Verfassers i). Heber
theologische und historische Gegenstände schrieb Desiderius sogar
selbst; dass er sich aber jemals mit der Medicin befasst hätte, davon
sagen die alten Chroniken kein Wort. Nur Mari2), der immer
mehr wissen will als sie, nennt ihn medicinae artis peritissimum.
Ackermann 3) stellt ihn wenigstens in die Liste der um die Medicin
Ycrdienten Cassinenser, und fügt zu der einfachen Nachricht, Desiderius
hätte sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach
Salerno begeben, aus eigner Bewegung die Worte hinzu: ibique
prima medicinae fundamenta hausit. SprengeH) schreibt Mari
nach, als ob derselbe zu den sichern Quellen gehörte, und fügt als
Beweis hinzu: „er (Desiderius) hinterliess vier Bücher über die
m e d i c i n i s c h e n Wunder, welche der heilige Benedict verrichtet
habe." Das sind freilich Worte des Petrus Diakonüs, ausgenommen
das Wörtlein medicinische, was Sprengel einschiebt. Doch
gesetzt, es stände da, was hat die Erzählung von Wunderkuren
mit der medicinischen Literatur zu thun? Auch noch Häser s)
nennt den Desiderius gleich ausgezeichnet als Arzt und Rechtsgelehrten,
und erklärt es für ausgemacht, dass er ein auch mit
Bädern versehenes Krankenhaus zu Monte Cassino gegründet habe.
Dass ersteres wieder ein Nachklang von Mari's Angabe ist, leuchtet
ein; wie wenig von dem Krankenhause zu rühmen ist, wird
sich bald zeigen. Eenzi ist der einzige, der dem Desiderius nichts
andichtet, was um so mehr Anerkennung verdient, je geneigter er
sich sonst zeigt, die Verdienste der Benedictiner um die Medicin
1) Ren^.i giebt uns in seiner Collectio Salernitana 1 pag. 39 eine schätzbare
Nachricht über zwei noch jetzt zu Monte Cassino befindliche alte medicinische
Codices aus dem XI. Jahrhundert, die vielleicht von Desiderius herrühren
mögen. Aber den Beweis, den er darin findet, Monte Cassino wäre
vom VI. bis X. Jahrhundert ein Asyl nicht nur für wissenschaftliche Bildung
überhaupt, sondern ganz besonders auch für das Studium der Medicin gewesen,
suche ich vergebens darin.
2) Mar US ad Petrum Diaconum cap. 18 bei Graevius pag. 362.
3) Ackermann l. c. pag. 22.
4) Spr eng el, Geschichte der Medicin II, Seite 491.
5) Häser^ Lehrbuch der Geschichte der Medicin Seite 278.
im Allgemeinen zu überschätzen. Mir scheint des Desiderius Verdienst
um die Medicin, ausser seiner Begünstigung wissenschaftlicher
Studien überhaupt, darin zu bestehen, dass er dem Cons
t a n t i n u s Africanus, dem gelehrtesten Arzte seiner Zeit, eine
Zuflucht in seinem Kloster gönnte, und seine Macht als Abt, dem
die Mönche unbedingten Gehorsam schuldeten, nicht dazu missbrauchte,
die dem Klosler früher ganz fremde Art literarischer
Thätigkeit, welche der medicinisch tief gelehrte Constantinus darin
entwickelte, zu stören. — Ich hätte mir mithin die lange Abschweifung
über diesen Abt ganz ersparen können, läge mir nicht daran,
einmal an einem eclatanten Beispiele zu zeigen, wie willkürlich
man sich die Geschichte der Medicin, was Monte Cassino, und
eben so was Salerno betrifft, zurecht gemacht hat. Ich liefe sonst
Gefahr, von solchen, die das nicht ahnen, und sich aus vielen
Büchern berühmter Schriftsteller einer von der meinigen weit abweichenden
Darstellung jener beiden Institute erinnern, ungeprüft
verurtheilt zu werden. Die Prüfung scheue ich nicht, und jede
begründete Berichtigung soll mir willkommen sein.
War des Desiderius spätere Hinneigung zu den Wissenschaften
vielleicht ein Einfluss seines Freundes Al fanus auf ihn? Giesebrecht
vermuthet es, und von Alfanus wissen wir^), dass er sich,
versehen mit medicinischen Büchern, die er von Haus mitgeb
r a c h t , also M^ohl vorbereitet auf weitere medicinische Studien,
nach Salerno begeben, wo er den damals kranken Desiderius
kennen lernte. Wir wissen, dass er in Begleitung seines neuen
Freundes den Pabst aufsuchte, dessen Gunst er als ein ausgezeichneter
Sänger und geschickter Arzt für sich zu gewinnen hoffte
und wirklich gewann; dass er sogar zu dem Zweck viel e Arzn
e i e n im voraus bereitete und mit sich führte. Er war also
Arzt, hatte sich anscheinend zur weitern Ausbildung in seiner
Wissenschaft oder Kunst zu Salerno aufgehalten, und hatte es so
weit in der Medicin gebracht, dass er als Arzt den Beifall der
1) Chronicon
pag. 701.
inonasterii Casinensis III pag. 7, bei Pertz l. c.
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