!
:5
i'l • ä i J
fi
192 Buch X. Kap. 4. §. 24.
kerkert. Auch da scheint ihn sein guter Humor nicht verlassen
zu haben, er arbeitete wiederum fleissig, und schrieb sogar ein
Gedicht mit den Anfangszeilen:
„Den Eingang fand ich, wie ihr seht.'*
„Wer weiss, wie's um den Ausgang steht."
Es stand indess nicht zum schlimmsten, nach wenigen Monaten
ward er nach Hamadsan zurückgeführt, und fand Gelegenheit, im
schlechten Gewände eines Szi^fih (ungefähr gleichbedeutend mit
Derwisch), und in Begleitung seines Bruders, seines Freundes Algürgani
und zweier Diener nach Iszfahan zu entkommen. Ibn
Kaküjah Hess ihm einen überaus ehrenvollen Empfang bereiten,
und behielt ihn seitdem fortwährend in seiner Nähe. Sogar auf
dem Eroberungszuge gegen Hamadsan war Ibn Sina sein Begleiter.
Da dieser Zug im Jahre 414 vor sich ging, so lebte Ibn
Sina zu Iszfahan mindestens vierzehn Jahr, und verbrachte diese
Zeit in beständiger schriftstellerischer Thätigkeit. Unterandern
b e e n d i g t e er seinen Qflnün, und wollte demselben noch eine
S a m m l u n g eigener m e d i c i n i s c h e r B eoba chtunge n hinzufügen,
doch ging die Handschrift vor der Bekanntmachung verloren.
Dem schon genannten Werke die Hei lung fehlte noch
e i n A b s c h n i t t über die P f l a n z e n und Thiere, auch diesen
schrieb er jetzt. Auch eines besondern Werks über die
P f l a n z e n wird gedacht, vielleicht eine Verwechselung mit dem
vorigen. Als eines Tags bei tlofe von der Unzuverlässigkeit der
a s t r o n o m i s c h e n Tabellen die Rede gewesen, erhielt er den
Auftrag neue zu verfertigen, was er mit Hülfe seines Freundes
Algürg.lni ausführte. Ein gleichfalls bei Hofe vorgekommener leichter
Tadel seiner Diction bewog ihn sich längere Zeit ausschliesslich
mit arabischer Philologie zu beschäftigen, und auch
darüber mehreres zu schreiben, was ihm den Ruf eines vollendeten
Kenners erwarb. Gar viel weiss Algürgani von der Schnelligkeit,
mit der er arbeitete, zu erzählen, darunter einiges, was allen Glauben
übersteigt. Er starb auf einem Zuge Ibn Kaküjah's, den er
begleitete, 428 (1037) zu Hamadsan an einer Kolik, die bei den
gewaltsamen Mitteln, die er sich selbst verordnete, in Epilepsie
B u c h X. Kap. 4. §. 25. 193
übergegangen sein soll. Er besass einen kräftigen Körper, huldigte
aber zu sehr, wie sein eigener Freund beklagt, den Weibern
und dem Wein, was sein kostbares Leben verkürzte.
§• 25.
I b n Sina's Charakter, seine wissenschaf t l iche Bedeut
u n g und sein Qanün.
Ein solcher Lebenslauf verräth schon in den dürftigen Umrissen,
in denen er vor uns liegt, einen ungewöhnlich begabten Geist,
hohen Ehrgeiz, aber auch gerechten Anspruch auf eine hervorragende
Stellung in der Gesellschaft, grosse Energie, rastlose Thätigkeit,
durchdringenden Scharfblick, und eine Gewandtheit, die
sich nicht ohne die gefälligsten Formen des Umgangs denken lässt.
Ehe man ihm den öftern Wechsel seines Herrn zum Vorwurf macht,
und in dem Uebergange von Hamadsan nach Iszfahan wohl gar
eine Verrätherei sucht, bedenke man die damaligen politischen und
bürgerlichen Zustände des Orients. Das Chalifat bestand fort,
doch nur noch als Schatten vormaliger Grösse. Jeder Amir war
mächtiger und unabhängiger als sein Chalif, der mächtigste oft,
doch nicht immer, der, welcher den Chalifen selbst, gleichsam als
Staatsgefangenen in seiner Gewalt hatte, und oft, doch nicht ausschliesslich
den Ehrentitel Amir Alomra führte. In Ibn Sina's Leben
lernten wir allein sieben solcher Amire, die ich, da sie alle souverain
waren, Fürsten genannt habe, kennen, den zu Bocharä, den
zu Kurkang, den von Dilhem an der Südküste des kaspischen
;V[eers, die drei Bulden zu Rai, Hamadsan und Iszfahan, und aus
der Ferne den von Gazna, den ersten, der sich den Titel Suithan
gab, und sein anfangs kleines Reich nach und nach über einen
grossen Theil Indiens und des persischen Iraq ausdehnte. All diese
Fürsten, zu denen noch eine Menge anderer kommt, lebten fast in
beständigem Kriege unter einander, stiegen sanken und verschwanden
oft in kurzer Zeit, an Grausamkeit und Despotismus überbot
einer den andern, und ihre höhern Beamten waren eben so häufig
freigelassene Sklaven als vornehme Eingeborene. An Patriotismus
M e y e r , Gesch. d. Botanik. III. 13