32 Bu c h IX. Kap. 2. §. 6.
Heidenthum seiner letzten Stützen zu berauben, einzog Nuschirvan,
meinten sie, hätte endlich den platonischen Staat auf
Erden verwirklicht. In dieser Hoffnung fanden sie sich zwar bitter
getäuscht; doch schon dass sie eine solche HofFnung fassen konnten,
spricht für den König, und dass er, als sie enttäuscht sich in
ihr'Vaterland zurücksehnten, sogar bei seinen Friedensunterhandlungen
mit dem Kaiser auf sie Rücksicht nahm, ihnen die freie
Rüdikehr und Unangefochtenheit wegen ihrer religiösen Ueberzeugungen
ausbedang 2), spricht noch lauter, wenn nicht für die
Tiefe seiner speculativen Erkenntniss, so doch für die Höhe seiner
Achtung vor der Wissenschaft. Ein anderer Philosoph oder Sophist,
Uranios, den Agathias als einen unwissenden Prahler
behandelt, doch vielleicht nur darum, weil er nicht gleich jenen
sieben in den Tiefen des Mysticismus schwelgte, fand sich bald
nach denselben mit einer kaiserlichen Gesandtschaft an Nuschirvan's
Hofe ein, gefiel sich besser daselbst, und erfreute sich lange
der königlichen Gunst und Freigebigkeit Vor allen aber war
der körperlich oft leidende König den Aerzten zugethan, und
zog die geschicktesten von allen Seiten herbei. Einer der berühmtesten
Praktiker seiner Zeit war T r i b u n o s aus Palästina. Dieser
hatte ihn einst mit Erfolg behandelt, und war reichlich beschenkt
wieder entlassen. Als der König aufs neue nach dem Arzt verlangte,
befand er sich grade mit dem Kaiser in Krieg verwickelt.
Er^'schloss einen Waflfenstillstand, und machte dabei die Bedingung,
Justinianus sollte ihm den Tribunos auf ein ganzes Jahr
überlassen. Es geschah. Nach Jahresfrist foderte der König seinen
Günstling auf, sich selbst seinen Lohn zu bestimmen. Tribunos
bat nicht um Geld, sondern um die Freilassung einer Anzahl
vornehmer griechischer Kriegsgefangener, und der König
gewährte nicht allein diese Bitte, sondern setzte ausserdem noch
1) Ich sprach darüber schon im vorigen Buch §. 55 bei D ama s ki o s ,
der einer jener sieben war. • j
2) Agathias 11, cap, 30, 3L Nach Wesselingii ohservaU var. libn dm
pag. 117 sqq. ward jener Friede geschlossen im Jahr 533.
3) Agathias II, cap. 29,
B u c h IX. Kap. 2. §. 7. 33
ceo-en drei tausend andere griechische Kriegsgefangene verschiede-
SeS Ranges in Freiheit. Dass unter eines solchen Königs Herrschaft
die Wissenschaften erblühen mussten, versteht sich von selbst.
§. 7.
S e r g i o s , dermuthmaas s l icheUeber setzer dergriechis
e h e n L andwi r ths cha f t ins Persische.
Unter Nuschirwan's Regierung und in seiner Nähe lebte auch
der persisch gebildete Grieche Sergios, der Freund des griechischen
Historikers Agathias (lebte ungefähr von 536 bis 582). Auf
dringendes Bitten, erzählt derselbe hätte sich Sergios von den
Aufsehern des persischen Hofarchivs historische Nachrichten über
die persische Geschichte verschafFt, dieselben ins Griechische übersetzt,
und ihm zur Benutzung freundschaftlich mitgetheilt. Er fügt
hinzu, Sergios wäre der beste Uebersetzer, und als der Gelehrteste
beider Reiche von Chosroes (Kesra) selbst bewundert. Nach
Agathias begegnen wir, wie ich nicht zweifeln kann, demselben
M^nne erst wieder bei Syrern und Arabern unter dem wenig veränderten
Namen Sargi s oder Sergis . Bar-Hebräus nennt ihn
in seiner syrischen Chronik^-) den A r c h i a t e r Sargis, und den
ersten, der philosophische und medicinische Bücher aus dem Griechischen
ins Syrische übersetzte. Darin irrt er; denn wie Wenrich''')
nachgewiesen, übersetzten Kumas, P robos uud Hibas
schon im fünften Jahrhundert einige aristotelische Schriften ms
Syrische. Liegt der Grund des Irrthums vielleicht darin, dass
Sergios zuerst auch ins Per s i sche übertrug? xVn einer andern
Stelle 4) lässt sich Bar-Hebräus folgendermassen über ihn aus:
Um dieselbe Zeit, als Ephraim von Amida noch am Leben war,
L m der Archiater Sargis aus Ras Ain (in Mesopotamien) nach
Antiochien, um den Bischof jener Stadt Askolios bei Ephraim zu
1) Agathiae historiar, Hb. IV, cap. 30 zu Anfang.
2) In Assemani hiblioth. orient. 11, pag. 315.
3) Wenrich de auctor. Graecor, versionibus etc. pag. 11.
4) Assemani l. c. pag. 323.
M e y e r , Gesell, d. Botanik. III.