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456 Buch XT. Kap. 4. §. 65.
stossenen Frau niedern Standes, Hess sieh mit einer kleinern
Herrschaft abfinden. Robert Guiskard starb 1085, in demselben
Jahr mit Pabst Gregor VII, welchem Abt Desiderius als Victor III
folgte. Wir stehen also an der Grenze, bis wohin wir die Zeugnisse
für die salernitanische Schule in diesem Paragraphen bedürfen.
Ausser diesen Zeugnissen über Thatsachen aus bestimmten
Jahren, Hessen sich für das Alter und den Ruhm der Schule überhaupt
ohne Zeitbestimmung noch viele aufzählen. Nur zwei derselben
will ich ihres eignen Alters und ihrer Bedeutsamkeit wegen
nicht übergehen. Schon im vorigen Paragraphen machten wir die
Bekanntschaft mit Alfanus I, Erzbischof von Salerno, früher
Mönch zu Monte Cassino, noch früher und noch als Laie, wahrscheinlich
zur Vervollständigung seiner schon von Haus mitgebrachten
medicinischen Kenntnisse, zu Salerno. Auch als Dichter ist
er bekannt, und neuerlich vor Allen von Giesebrecht in seiner oft
angeführten Schrift de Htterarum studiis apud Italos gefeiert. Eins
seiner Gedichte, welches Renzi i) in seine Collectio Salernitana
aufnahm, schildert den Zustand Salerno's vor des Guaimarus II
glorreicher Regierung, also mindestens vor 908, wenn nicht eine
noch frühere Zeit gemeint ist, unterandern in folgenden Versen:
Tum medicinali tantum florebat in arte,
Posset ut hic nullus languor habere locum.
Das andre Zeugniss, die sogenannte Chroni k des Rabbi Hel
i n u s , bedarf einer genauem Erörterung, die ich erst etwas später
vornehmen kann.
Prüfen wir nun den Gehalt der beigebrachten Zeugnisse, so
ist das erste, was uns auffaHt, das hohe Alter der salernitanischen
Schule. Des Ausdrucks Schul e bedient sich zwar erst Ordericus
Vitalis, allein von den salernitanischen Aerzten in der Mehrzahl,
deren Ruf den Bischof Adalbero zu der damals höchst beschwerlichen
Reise von Verdün bis nach Salerno vermochte, spricht schon
der Mönch von Verdün, und nach des Alfanus Zeugniss dürfen
wir den Ruhm der Schule sicher schon um 900 als fest begründet
1) Renzi collectio Salernitana I, pag. 95 in der Anmerkung.
Buch XL Kap. 4. §. 65. 457
ansehen. Weil aber niemand ihrer Gründung, ihres Anfangs gedenkt,
so müssen wir voraussetzen, sie hätte klein und unscheinbar
begonnen, und sich erst allmälig empor geschwungen. Eine
Bestätigung dieser Vermuthung erblicke ich in den vielen salernitanischen
Aerzten frühester Zeit, von denen wir zwar nicht behaupten
können, dass sie MitgHeder der Schule waren, deren Menge
jedoch zur Kleinheit der Stadt in einem sonderbaren Missverhältniss
stände, wenn die Schule noch nicht existirt hätte. Demnach
scheint mir die Vermuthung nicht zu gewagt, angefangen hätte die
Schule etwa um 850, und gegen 900 hätte sich ihr Ruf bereits so
weit umher verbreitet, dass zu Salerno mehr Aerzte als in andern
Städten gleicher Grösse ihr Brod fanden. Ist das richtig, so können
die Benedictinerklöster zu Salerno keinen Antheil an der Gründung
der Schule gehabt haben. Man kennt deren drei, welche
MabiUon^) in folgender unchronologischer Reihe aufzählt: 1) das
des heiligen Benedict, durch Angelarius Abt von Monte Cassino
am Ende des zehnten Jahrhunderts aufs Neue eingerichtet (restruxit);
2) das des heiHgen Maximus, erbaut durch Gauferius Fürsten
von Salerno am Ausgange des neunten Jahrhunderts, und
3) das des heiHgen Petrus von Nursia, errichtet vom Bischof Petrus
vor dem Jahre 958. Nach Gattola^) waltet dabei jedoch ein Irrthum.
Das erst genannte Kloster war das älteste, und gehörte
ursprünglich zum Kloster Monte Cassino, war ihm aber lange
Jahre hindurch gewaltsam entzogen, und ward erst im Jahre 993
wieder hergestellt, und den rechtmässigen Eigenthümern zurückgegeben
durch einen gewissen Angelarius, doch nicht den Abt von
Monte Cassino gleiches Namens, der von 884 bis 889 während des
Exils zu Teano dem Kloster vorstand.
Bestand aber zwischen Monte Cassino und der salernitanischen
Schule kein Zusammenhang, so ist kein Grund sie für ein geistliches
Institut zu halten; denn darauf allein beruhete die Behauptung.
Auf die Benedictiner, sagte man, beschränkte sich damals
1) Mahillon annales ordinis S. Benedicti III, pag. 463.
2) Gatt ola liisloria abiatiae Casinensis 7, pag. 219 sq.
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