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470 B u c h XI. Kap. 4. 65.
nicht bei allen, doch bei den meisten Namen alte verworrene Erinnerungen
aus der Geschichte der Schule vorschwebten, die er
ohne Eücksicht auf Zeitfolge verknüpfte. Einen Salernus kennen
wir unter den salernitanischen Meistern; Renzi stellt ihn zum
Jahr 1160. Den Meister P o n t u s hielt man längst für eine Abkürzung
von Gariopontus. Im R abb i Hel inus sucht Henschel i)
vielleicht etwas zu Aveit einen Juden Eli Koph, und hält denselben
für den unter dem Namen Copho bekannten salernitanischen Schriftsteller
um 1090, von dem sonst nicht bekannt i'^t, dass er ein Jude
war; näher liegt Renzi's Vermuthung, die alte salernitanische Porta
Elina, das Eliasthor möchte den Namen suppeditirt haben; denn
der Chronik nach soll das Thor nach dem Meister benannt sein.
Der Saracene Aldana oder bei Mazza, der ihn gleich vorn als
Lehrer in saracenischer Sprache auftreten lässt, A d a n a , vielleicht
eine Entstellung aus Abdallah, machte Renzi'n, so lange-er noch
den klerikalen Charakter der Schule festhielt, viel Noth, und allerdings
ist schwer zu glauben, die Toleranz der Schule hätte sich
bis zur Zulassung eines Moslimen erhoben; doch Avarum könnte
er nicht ein morgenländischer Christ, oder getaufter Moslim sein?
Machte uns doch Renzi selbst mit einem Magi s t e r Thomas
i u s Saracenus clericus Salernitanus doctor in phys
i c a bekannt, der um 1200 gestorben. Der einzige vielleicht
bekannte unter den sieben Compilatoren des Antidotariums ist
aber Michael Stortus, und ich Tvundre mich, dass nicht schon
Renzi in ihm den bekannten britischen Astronomen und Zauberer
M i c h a e l Scotus begrüsste, der, nachdem er lange in Toledo
verweilt, am Hofe Kaiser Friedrich's II zu Neapel lebte, und von
vielen Italiänern, denen sich Renzi^) selbst zuneigt, für einen Salernitaner
gehalten wird.
Doch die Richtigkeit all dieser Deutungen vorausgesetzt, wozu
führen sie bei des Schreibers gänzlicher Nichtachtung aller Chronologie?
Und nun vollends bei ihrer Unsicherheit, wo liegt da der
]) Henschel de -praxi medica Salernitana pag, 12,
2) Renzi cojlectio Salernitana III^ pag, 332 nr. 64.
3) Ibidem -pag. 292. llL pag. 333 nr. 73.
Buch XL Kap. 4. §. 66. 471
historische Gehalt des ganzen Machwerks? — dem Geiste nach
ähnliche Geflechte aus einzelnen historischen Momenten, bleicher
Sage und reiner Erfindung ohne alle Chronologie finden sich bekanntlich
bei vielen Corporationen, zumal solchen, die sich einer
G e h e i m l e h r e rühmten, wie bei den Tempelherren, den englischen:
Logen der Architekten, die man für, die Vorläufer der Freimaurer
zu halten , pflegt, hin und wieder sogar bei unsern gewöhnlichen
Handwerkergilden. Was in aller Welt könnte unsre wunderliche
Chronik sein, wenn nicht ein geheimes Actenstück aus
dem Archiv der medicinischen Gilde zu Salerno? Wozu sonst die
Beglaubigung durch den Notar ? Bei den Abschriften gewöhnlicher
Chroniken bedient man sich solcher Förmlichkeiten nicht, bei der
vermeinten Stiftungsurkunde einer alten und wichtigen Corporation
war sie am Ort. Wozu sonst die Zurückführung des Antidotariums
auf die Versammlung der sieben Weisen, wenn nicht zu
dem Zweck das Buch dem jungen Gesellen im Licht der Heiligkeit
erscheinen zu lassen? Leicht Hessen sich noch mehr solcher
Beziehungen nachweisen, doch es bedarf dessen nicht. Wer das
ganze Fragment bei Renzi mit klaren Augen scharf ansieht, dem
sagt jede Zeile, es sei eins der Mysterien der medicinischen Gilde
zu Salerno; und wer sich von dem Vorhandensein der Geheimlehre
noch nicht überzeugen konnte, den wird dies Fragment
überzeugen. Er wird ferner die üeberzeugung daraus gewinnen,
dass die Schule einen hohen Grad von Toleranz ausübte,
dass sie sogar Juden, wenn auch vermuthlich unter gewissen
Beschränkungen unter sich duldete, sogar gegen Moslimen nicht
den sonst allgemein zu jener Zeit verbreiteten Hass nährte, kurz
dass sie kein geistHches Institut sein konnte. Und so bestätigt
die seltsame Urkunde fast alles, was Avir bereits auf anderm Wege
gefunden hatten.
§. 66.
C o n s t a n t i n u s Africanus.
Erst durch den Einfluss dieses merkwürdigen Mannes erhielt
die salernitanische Schule, wie mich dünkt, einen andern Charak-
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