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322 DER NAHE SCHIFFßRUCH.
hindurch. Da sprang ich schnell in meine Cajüte, riss den
Koffer auf, steckte Berichte und Kechnungeii zu mir und
knöpfte fest die Brust z u , dass man auch im Tode treu mich
fände. Denn dass wir Unglück entgegengingen, war voraus zu
sehen, weil das Schiff, selbst wenn am Eingänge der Bucht
alle Segel niedergelassen worden wären, noch mit solcher
Kraft ankara, dass es unaufgehalten bis an’s Ende derselben
h ä tte laufen können; zudem ist der Grund tie f und voller
Steinplatten und ein Anker fasst daher schwer.
Ein alter Iljd rio tc rie f dem Schiffer zu: „W ir f den Anker.
” „ Später, ” meinte der kleine Nelson. Der Anker wurde
dann geworfen, fasste nicht, die Goelette drehte sich um;
die Segel waren noch nicht eingerefft, so warf Sturm nnd
Wellenschlag das Schiff mit der Steuerruderseite gegen die
Felsen.
„ J e tz t gilt’s , greif z n ! ” rufte ich zum Nachtposten.
Wir und ein Paar Matrosen rissen die langen Ruder von der
Schiffseite und krachend zersplitterten sie am Fe lsen , aber
das Steuerruder war für den Augenblick gerettet.
„Herauf, L eu te , h e ra u f!” rufte ich meiner beim Sturm
im Schiffsraum geborgenen Mannschaft zu , die je tz t, durch
den ersten Krack des Schiffes gegen den Felsen erschreckt
aufgefaliren , einander beim düstern Lampenschein anstarrten.
„H e rau s , heraus, wenn ihr nicht Seewasser schlucken
wollt.” Da konnte dieser ein Alontiningsstück, je n e r die Stiefel
nicht finden, als müsse er in voller Parade mit den Wellen
kämpfen. Einer von ihnen rie f: „H ie r ! hat man aber
das nicht früher sagen können.” Alein Bedienter, ein treu e r
Bayer, war gleich an meiner Seite. Nun begann ein Kampf
gegen die Felsen mit Rudern, mit jedem langen Holz, was
vom Schiff sich trennen liess. Zwei Alatrosen sassen auf den
Rahen, um die Segel zu reffen, und beim Sinken des Schiffes
schnell auf die Felsen zu springen, denn das Schiff lag ganz
auf der Seite.
Der alte Hydriote schwankte mit untergeschlagenen Armen
brummeiul hin und her auf dem Decke. Der Schiffer
DER NAHE SCHIFFBRUCH.
aber fuhr in mein Gabinet, riss das Heiligenbild des Schiffes
von der Wand und steckte es zu sich, versichert zu sein, dass
e r nicht umkomme, sprang dann mit wunderlichen Geberden
auf dem Verdeck umher und schrie: „O h Gott! Oh G o tt!”
Meine Leute stemmten mit Manneskraft Ruder und Stangen
gegen den Felsen und drängten gegen das anstürmende
Element zurück, doch lange hätten wir den Kampf nicht aus-
gehalten. Auch war kein Commando mehr, so nahm ich’s
denn und befahl: „Das Boot h e rau s!” man zog es auf, aber
es fiel auf das felsige Gestade, denn das Schiff lag, wie gesagt,
ganz auf der Seite. „ J e tz t Leute drängt zurück, dass
Gott uns h e lfe !”
Ein Klafter stiessen wir uns trotz Sturm und Wogenschlag
zurück, mit der Kraft des Todeskarapfes und das Boot stürzte
in’s Meer. Der Matrose, den ich vor kurzem zum Diener
genommen, sprang pfeilschnell hinein und stiess es vor das
Schiff. Schnell ward ein starkes Seil an’s Schiff gebunden,
und ein Alatrose schwang sich in’s Boot, in welches nun das
übrige Seil geworfen wurde.
Ein Paar Secunden später wäre er und das Boot z e rquetscht
worden zwischen Schiff und Felsen.
Durch schäumende Wogen arbeiteten sie sich an die nahe
gegenüber liegende Felsenwand der gekrümmten Bucht und suchten
im Finstern einen hervorragenden Stein, um den das Seil
geschlungen wurde. Während der Zeit stemmten wir rüstig
uns vom kiippigen Gestade, bis durch Sturmgebrauss der Ruf
erscholl: , ,Zieht au !”
Da zogen wir freudig uns ab an die andre S e ite , wo die
Macht des Sturmes und der Wellen gebrochen war und waren
gerettet.
F e s t am grossen Tau schaukelte nun das Schiff; hoch
schäumten die Wellen am Felsengestade, dem wir entronnen,
Ströme Regen stürzten herab und alle flohen in die Schiffsräume.
Aber jed e r war ernst und in sich g ekehrt, wie nah
wir der letzten Noth gewesen, und der Schiffer sagte auch
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