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Westlich gegenüber ist an der Küste von Rliene'e ein
Ankerplatz für mittlere Schiffe, der Hafen des Generals genannt.
Rhenee hat ferner der Nordspilze der kleinen Rhematiari west-
licli gegenüber einen ziemlich geschlossneii, guten Hafen, der eine
Menge Schiffe fassen kann. Diese Häfen alle wurden unter
dem Namen des Hafens von Delos begriffen, der also Schiffen
aller Art Schutz gewährte und eine günstige Lage im
Mittel der Kykladen h a tte , es fehlt ihm aber eine Hauptsache,
süsses Wasser; auch sind beide Inseln nicht günstig fü r
die nöthigen Niederlassungen, die hier nur durch Tempeldienst
blühten, dieser wurde zerstört und somit auch der Hafen
nicht mehr besucht, an seine Stelle tra t der von Syra,
der damals schon unter dem hesondern Schutze des Apollonstaii
Wir fuhren zwischen Delos und der kleinen Rhematiari
durch und landeten von ihr östlich in dem nahen kleinen Hafen
, etwa 100 Schritte von der zerstörten Vorderseite des
mächtigen Apollontempels.
T r itt man mitten in die Ruinen der Tempel und der
S tadt, so sieht man, wie so häufig in Griechenland, ein Bild
grässlicher Zerstörung, Grundmauern aus weissen Marmorquad
e rn , Reihen von Säulenstücken, Kapitaler, Marmorplatten,
hin und wieder freie Plätze und häußg noch aufrecht stehende,
niedrige, dünne, graue Granitsäulen, das ist das Ge-
sammtbild, was dem Auge sich darstellt.
Unwillkürlich drängt sich die Frage auf: wie konnte von
60 vielen und so grossen Prachtgebäuden alles so verschwinden,
dass die Ueberreste je tz t fast der Erde gleich sind. Es
linden sich hier die Ursachen des Verschwindens vereinigt,
wie folgt.
Nachdem die Stadt Delcs mit ihren Tempeln und öffentlichen
Gebäuden wiederholt zerstört und das schönste weggeschleppt
worden war, wurden sie in spätem Zeiten als ein Steinbruch
b etra chtet; fü r die Benutzung dieser alterthümlichen
Schätze zahlten die Bewohner von Mykone jährlich an die Türken
z e h n Thaler Steuer. Quadern, Säulen, Platten u. s. w. führte
man Schiffsladungsweise weg zum Verkauf, um zu ändern un273
berühmten Gebäuden zu dienen; aus herrlichen Säulenstücken,
Architraven u. s. w. wurden Trep p en , Fensterstöcke gehauen,
aus Kapitälern, Piede stalen, ja aus den Leibern schöner Statuen
wurden schmutzige Kaffeeraörser gebildet; sogar um
Kalk zu brennen baute man h ie r und an ändern solchen Plätz
en , mitten unter den Ruinen Kalköfen, obgleich sowohl auf
Delos am südwestlichen Ufer ein mächtiges Lager reiner Urkalk
is t, so auch auf Mykone. Kalkstein giebt es in ganz
Griechenland bei jedem Platze, wenigstens nicht gar weit entfe
rn t, aber e r muss erst gebrochen werden, bei Ruinen braucht
man jedoch nur die gesonderten Blöcke, Säulen u. s. w. zn
zerschlagen und in den Kalkofen zu werfen.
Und wer that diess alles, damit nichts mehr von Hellas
Grösse zeige — in der Regel Griechen. Wenn dann Fremde
Alterthümer wegführten und man ihnen nachrief: es sei unverzeihlicher
R a u b , so waren es doch stets nur Gegenstände
der Kunst, die hier nicht verstanden Avurden, in cultivirten
Ländern besser aufgehoben, zum Studium dienten und manche
schönen F rü ch te trugen; verdienen sie nicht eher Dank, tru gen
sie nicht eher b ei, Hellas Grösse zu erneuern? Seit der
neuen Aera sorgt die europäische Regierung dafür, dass nichts
mehr beschädigt, und was sich schönes findet, auf bewahrt
werde.
Es mögen nun die Hauptpunkte der Ruinen betrachtet
werden.
Der T e m p e l d e s Ap o l l o n zeichnete sich noch in seinen
Ruinen vor allen ändern von Delos im Jahre 1701 aus,
wo T o u r n e f o r t diese Insel besuchte, siehe dessen Voyage
du Levant. Amsterdam 1718. L e ttre VII. p. 115. Derselbe
sah am Eingänge dieses Tempels noch zwei Bruchstücke der
kolossalen Statue des Apollon, nämlich die beiden Schenkel
und den obei'ii Theil des Rückens, der 6 Fuss breit war,
auf ihm zeigte sich ein Ueberrest g ro sse r, herabfallender Locken.
Beide Stücke sind weggeschleppt, aber die Plinthe der
Statue findet sich noch, sie ist von weissem Marmor, polirt,
151 par. Fuss lang, 10 Fuss 9 Zoll breit und 2 Fuss 3 Zoll
Zweiter Theil.
lil"