von Capivaras brechen bisweilen schüchtern durch das Dickicht der
Ufer j oder das krächzende Geschrei der Araras tönt weit hin durch
die Waldung; ausserdem begegnet dem Reisenden nichts in dieser wilden
Einsamkeit, und der Mangel eines freien Luftzuges oder der heiteren
Aussicht auf eine bewegte Stromfläche erregt den Wunsch in das
Meer des Amazonas zurückzukehren. Hier fanden wir Inseln von
mancherlei Ausdehnung und Form durch ihn zerstreut; bisweilen aber
trat er in einen ungeteilten Strom zusammen, und dann erblickten wir
von Neuem die Gebirge der Nordküste, doch unter veränderter Gestalt,
indem sie einzeln von einander traten. Am Morgen des 16. Septembers
hatten wir die sogenannten Ilhas de Uruarä hinter uns, und traten
nun in einen andern Canal ein, der durch die Bifurcation des kleinen
Flusses Uruarä gebildet, einen niedrigen Theil des südlichen Festlandes
zurlnsel macht. Der Eingang ist 90 enge und seicht, dass unser Fahrzeug
einigemal nur mit gröster Anstrengung* durch den Teppich von
Schlingpflanzen fortgeschoben werden konnte, die sich von einem Ufer
zum andern ausgesponnen, und ausserdem in dem benachbarten Walde
zu undurchdringlichen Hecken auf zwanzig Fuss Höhe aufgerankt hatten.
Es war besonders eine Kürbisspflanze (Elaterium carthaginense,
Jacq.~) deren unglaublicher Wucher alle übrigen Gewächse gleichsam unterdrückt
hatte. Am Ufer stand ein Wald der Munguba, deren graulichgrüne
Stämme, schlanke Aeste und grosse gefiederte Blätter der Landschaft
einen eigenthümlichen Character verleihen. Es giebt wenige
Pflanzenfamilien in den Tropenländern, deren Glieder sich durch das
Colossale und Groteske ihrer Formen dem Auge des Reisenden so sehr
bemerklich machen, wie die Bombaceen (eine Abtheilung der Malven-
Gewächse), wozu auch dieser Baum gehört. In Africa ist es die ungeheuere
Adansonia; in den Urwäldern der südlichen Provinzen von
Brasilien hatten wir die dickleibigen, mit mächtigen Stacheln bewaffneten
Chorisien und Bombaxarten, in den dürren Ebenen und Catingas-
Wäldern des Innern von Bahia die tonnenartig angeschwollenen, mit
Warzen auf der Rinde versehenen Barrigudas (Pourretia tuberculata,
M.\ vergl. II. S. 582.) beobachtet. Jetzt traten uns zwei andere aus
diesem Riesengeschlechte entgegen. Die Munguba lebt gesellig in den
Niederungen des Stromgebietes, wo sie oft in weiten Strecken mit der
Ambaüva abwechselt; einzeln und mehr auf hochliegehden Landstrichen
begegneten wir hier auch der Samaüma (JEriodendron Samaüma, M.
Nov. Gen. t. 98.), einem verwandten Baume. Er erhebt sich noch
höher, als jener, und breitet seine Aeste in grosser Entfernung vom
Boden fast horizontal aus. Statt der leichtgedrehten Verzweigung und
der luftigen Krone der Munguba, fesselt er das Auge durch die kühne
Masse seiner ungeheueren Stämme und Aeste und die üppige Frondosi-
tät seines Laubes. Gewöhnlich sieht man diesen gewaltigen Baum wie
einen vegetabilischen Thurm über seine Nachbarn hervorragen, und
die Indianer, besonders die raubsüchtigen Muras, besteigen ihn als
Warte, um die Reisenden auf dem Strome zu erspähen, denen sie Hinterhalt
legen. Die Frucht dieser beiden Bäume, eine eiförmige, oft
spannenlange Capsel, enthält eine bedeutende Menge feiner, gekräuselter
Fäden, grösstentheils dem Mittelsäulchen befestigt, das nach dem
Abfalle der Fruchtklappen stehen bleibt, und dem Baume, wenn er
deren viele trägt, ein höchst seltsames Ansehen giebt. Die Wolle der
Munguba ist graulichgelb, die der Samaüma aber von der Weisse der
schönsten Baumwolle. Man hat versucht, diese vegetabilische Faser
gleich der eigentlichen Baumwolle zu spinnen; da aber die Fäden spröder
und nur mit wenigen jener kleinen Widerhacken versehen sind,
wodurch die Baumwolle sich für mancherlei Gewebe vorzugsweise eignet,
so hat man dabei .wenig Vortheil gefunden. Um so geeigneter ist
diese Art von Baumwolle zu Filzarbeit, namentlich zu leichten Sommer-
Hüten und zur Bereitung weicher und sehr elastischer Polster. Für
letztere Arbeit pflegt man von Para aus schon seit längerer Zeit Sendungen
nach Portugal zu machen. In kalten Ländern empfiehlt sich
besonders die Wolle der Samaüma, *) weil sie ein schwächerer W ä rmeleiter
ist, als die Wolle der Munguba, welche weniger erhitzt. Ah
*) Die Wolle beider Bäume wird ohne Unterschied Samaüma genannt; die Namen der
Bäume selbst aber erhalten von den Brasilianern nicht selten portugiesische Endungen: Mungu-
beira und Samaümeira (Sumaümeira).