das plötzliche Einstürzen der unterhöhlten Thonufer, welche der Mannschaft
das Landen erschweren. Mit dieser ^ anstrengenden Schifffahrt
brachten wir drei volle Tage längs dem nördlichen Ufer der Insel Pa-
ricatiba■ zu. Dieses Eiland ist fast überall mit künstlichen Anpflanzungen
von Cacao bedeckt, und gewährt durch den Anblick der in regelmässigen
Reihen, stehenden, anmuthig schattenreichen Bäume einigen
Ersatz für den Mangel anderer Beweise einer industriösen Bevölkerung.
Nur wenige Hütten und Landhäuser erscheinen an den Buchten und
Bächen der Insel, welche wir an mehreren Puncten durchstreiften, um
ihre Vegetation kennen zu lernen. Hier war es, wo uns zuerst zwischen
dichten Uferpflanzen die Palme Bubunha (Guilielma speciosa, IM.
Palm. Tab. 66. 67.) begegnete. Von allen Palmen Brasiliens diejenige,
welche am meisten Nahrung darbietet, und desshalb für die Oekonomie
der Ureinwohner vorzugsweise wichtig, sogar von ihnen angebaut,
verdient sie in der Anmerkung (9.) ausführlich erörtert zu werden. Am
dritten Tage erreichten wir die ansehnliche Fazenda des Cap. C a v a l -
c a n t e , die fast am westlichen Ende der Insel, noch eine Legoa von
der y illa de Obydos entfernt liegt. Von dem, wegen der jährlichen
Ueberschwemmungen, etwas erhöht gewählten Orte des Landhauses erblickten
wir vor uns in N. W . die Villa, an einem bebuschten Hügel
angelehnt, und den Strom, welcher hier in einem einzigen Körper zusammengedrängt,
sich mit höherem Wellenschläge und in der Mitte von
unergründeter Tiefe vorüberbewegt. Hier ist die Ansicht aufgenommen,
die ich im Atlas („der Amazonenstrom in seiner Enge bei Obydos“ )
mitgetheilt habe. Das ganze nördliche Ufer ist hügelig, und zeigt zwischen
dichtem Buschwerke weisse abschüssige Wände, welche, wie
wir später bei unserem Aufenthalte in Obydos wahrzunehmen Gelegenheit
hatten, aus einem jungen thonichten Sandsteine bestehen, worauf
ein eisenschüssiges Conglomerat und farbige Lettenschichten ruhen. Die
insellose Stromenge, vor welcher wir uns befanden, in der Lingua
geral Pauxis genannt, bildet als der zweite Pongo in dem ungeheuren
Amazonenstrome einen geographisch merkwürdigen Punct. Ihre
Breite ist von der portugiesischen Grenzcommission trigonometrisch auf
869 Klafter (Bragas; d e l a C o n d a m in e giebt sie zu 905 Toisen an) bestimmt
worden. Da ich ein allgemeines Bild des Stromes der Schilderung
unserer Rückreise Vorbehalte, so scheint es geeignet, dorthin die
weiteren Nachrichten über diese Stelle zu verweisen. Mit Eintritt des
abendlichen Ostwindes fuhren w ir , uns längs dem südlichen Ufer hinhaltend
, durch diese Meerenge von süssem Wasser. Das südliche Ufer
tritt nirgends aus seiner allgemeinen Verflächung in die Höhe, und bildet
hiedurch einen auffallenden Gegensatz mit dem nördlichen, dessen
abgerundete oder terrassenförmig ansteigende bebuschte Hügel, im Osten
der Villa oberhalb der Enge gesehen, sich unter ganz verschiedenartigen
Gestalten darstellen. (Siehe im Atlas die Ansicht „Obydos“ ). Wir
brachten die erste Nacht oberhalb der Enge von Obydos auf einer
niedrigen Sandinsel zu,1flie der Strom eben erst entblösst hatte. Der
Mond war aus düsteren Wolken hervorgetreten, und beleuchtete, in
tausendfach gebrochenen Reflexen auf dem Riesenstrome spiegelnd, mit
mildem Lichte die schweigsame Landschaft. Ein fernes Gemurmel der
bewegten Fluth tönte in unser Ohr. Doch bald veränderte sich diess
ruhig heitere Bild; scheu verbarg sich der Mond, die tiefste Nacht lagerte
sich auf Insel, Wald und Strom, und von ferne brüllten, gleichsam
zürnend, von allen Seiten schwere Donnerwetter. Während wir
hier mit frohem Gemüthe so zu sagen einen glücklichen Abschnitt in
unserem Reisedrama feiern konnten, fühlten wir mit erhöhter Empfänglichkeit
alle Schauer dieser furchtbar schwarzen Nacht, die ohne Stern
und Leuchte uns nur auf uns selbst, „unter Larven die einzige fühlende
Brust“ , zurückwies. Unter ähnlichen Verhältnissen sollten wir von nun
an manche Nacht durchwachen, und der freundliche Leser mag wenigstens
einmal Zeuge der tiefen, niederdrückenden ’Schwermuth seyn,
welcher dér Reisende auf dem Amazonas sich bisweilen wider Willen
Preis gegeben fühlen muss.