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waren, eiitblösst, eines solchen Mittels zu ihrer Subsistenz bedürften. Durch das neue System gab man
hun die rothen Menschen der Gewinnsucht Einzelner hin, welche nur. für ihr eigenes Interesse
zu eorgen hatten, und-sich nicht entblödeten, diess auf das Gewissenloseste zu thun. Besonders
ungünstig wirkte in dieser Beziehung der Umstand, dass die Gouverneure jene Director- ,
Stellen nicht durch bewährte Landwirthe oder durch wohlhabende und angesehene Fazendeiros
sondern durch Leute besetzten, welche noch keine Niederlassung besassen, und.den neuen Posten
als ein sicheres Mittel betrachteten, bald reich zu werden. Auch waren der Vortheile, die
der Director benutzen konnte, so viele, dass sich unversorgte Glieder der besten Familien um
Directorate bewarben, welche theils auf Lebenszeit, theils auf gewisse Jahre ertheilt wurden.
Uebrigens begünstigte in den ersten Jahren nach der Einführung der Directorate noch Mancherlei
ihr Emporkommen. Die Indianer, an die patriarchalische Verwaltung der Missionen gewöhnt,
in den Aldeas noch den heimischen Urwäldern nahe, unberührt von derCultur, -^reiche
sich allmälig in der Hauptstadt und in den volkreichsten Orten entwickelte, verweilten in grosser
Anzahl in den Directorien, ja manche Flüchtlinge stellten sich freiwillig, vielleicht aus
Furcht vor dem nun engeren Verbände aller Aldeas unter einander, welche sich die Ueberläu-
fer ausliefern mussten. Allein nach kurzer Zeit erwiess sich das System in seiner vollen Mangelhaftigkeit
; alle Zucht und Ordnung liess nach; an den Unterricht und die Civilisation der
Indianer ward nicht gedacht; der Eigennutz der Directoren war das einzige Triebrad der Verwaltung.
Viele Indianer flohen in ihre Heimath zurück, Andere Helen als Opfer der Krankheiten,
mit denen sie die Weissen und deren Ausschweifungen bekannt gemacht hatten. Die Vortheile,
welche der Staat von den Directorien 20g, verringerten sich immer mehr, und standen
ausser allem Verhältnisse zu den Opfern, welche dieser von Zeit zu Zeit gebracht hatte. Diess
beweisst unter An denn die kleine Summe, welche 1791., einem der besten Jahre, von den in
allen Indianeraldeas erzielten Producten gelösst wurde: Die Verkäufe derselben, entweder an
Ort und Stelle durch die Directoren oder in Parä durch die Thesoureiria geral, erwarben nur
3o Contos de Reis. Diese Summe war durch 2249 männliche und 72a weibliche Indianer gewonnen
worden, welche man in Holzschlägen, Fischereien, Spinnereien, Topf- und Ziegelbrennereien
und bei Einsammlung der rothen Handelsartikel beschäftigt hatte. Wären diese
Leute für Privatrechnung verwendet worden, so würde der Erwerb wenigstens das Vierfach®
abgeworfen haben. Unter diesen traurigen Verhältnissen fand D. F rancisco de S otjza Coutinho
Conde de L inhares, am Ende des verflossenen Jahrhunderts Gouverneur von Parä, die Indianer
und durch Gründe, sowohl der Menschlichkeit als des Patriotismus, suchte^er die Regierung zu
bestimmen, die Directorate abzuschaffen, und die Indianer in vollkommener Unabhängigkeit
’ sich selbst zu überlassen. In einem ausführlichen Plane über die Verbesserungen im Zustande
der Indianer, welcher nun dem Prinz Regenten vorgelegt wurde, wurde der schädliche Einfluss
der Directoren ins grellste Licht gestellt. „Der Director, sagt’ e r , war ein Tyrann, ein absoluter
Herr der Ortschaft und der indianischen Bevölkerung' in derselben von jedem Alter und
Geschlecht. Weit entfernt sie belehren und unterrichten zu lassen, vermied er sorgfältig sie
mit den Weissen in Berührung zu bringen, indem er Letzteren denselben bösen Einfluss auf
die Indianer zuschrieb, den früher die^fesuiten als Grund _ angegeben hatten, ihre Neophyten
isoliren zu müssen. Anstatt sie aufzumuntern Pflanzungen zu machen oder die wildwachsenden
Landesproducte zu sammeln , anstatt Indianer für den Dienst der Regierung oder der anwohnenden
Colonisten zur Disposition zu stellen, verwendete er deren so viele als möglich einzig
Hnd allein für seine Privatzwecke. Selbst die gemässigsten Directoren sandten, um den Schein
•zu meiden, höchstens diejenigen Indianer, welche ihnen am wenigstens nützlich waren, in den
Sertdo, um für Rechnung der Regierung zu arbeiten, oder erfüllten irgend einen Auftrag, der
ihnen von Parä aus gegeben wurde; ausserdem läugneten s ie , disponible Indianer zu haben.
Fast absichtlich suchten sie die Achtung der Indianer gegen Staatsdiener und gegen Weisse
überhaupt zu schwächen. Sie thaten nichts, um ihre Untergebenen von dem Laster des Trunkes abzubringen
; ja sie hielten Branntweinschenken auf eigene Rechnung, um den Unglücklichen das
zu entreissen, was ihnen auf andere Weise noch hätte entgehen können, kurz: die ganze
Ortschaft ward nur ein Mittel für die Monopoliën des Directors. Sobald irgend ein Staatsdiener
sich ihrem Beginnen widersetzte, Hessen sie es nicht anlntriguen gegen diesen fehlen. Sie selbst
verübten die grössten Grausamkeiten, die schändlichsten Laster, während sie die Indianer als
aller CiviHsation unzugängHch, als unvernünftige Wesen darstellten; bald warfen sie ihren Untergebenen
vor, dass sie den Lohn für ihre Arbeiten nicht zu Rath zu halten verständen, während
sie ihn geradezu verweigérteh, bald, dass sie nicht arbeiten und keinen Zehnten Lahlen
wollten, während sie Sich dadurch nur einer Abrechnung mit der Staatscasse zu entziehen suchten;
bald logen sie sogar einen Aufstand, den die Indianer im Schilde führten, um in einer
fortdauernden Unruhe einzige Herren der Aldea zu bleiben u. s. ft« Eine solche Auflösung
aller Bände der SittHchkeit in den Directoraten und zwischen diesen und dem Staate foderte
allerdings eine neue Organisation der Indianer. Der Vorschlag des D. Francisco de SouzaCou-
tinho, sie sich vollkommen zurückzugeben, und als freie und unbeaufsichtigte Bürger mit sehr
geringen Steuern zu belegen, hatte auch königHcheGenehmigung gefunden, und stillschweigend
wurden alle Indianer nodimals emancipirt, indem die Directorate entweder aufgehoben, oder ledig-
Kch als Polizeistelle, zur Aufrechthaltung der Ordnung belassen wurde, wobei auch Indianern
dieBefugiuss ertheilt ward, durch die Wahl ihrer Mitbürger zu jener Stelle zu gelangen. Die Steuer
der 6 pro C. von den Culturerzeugnissen, welche die Indianer den Directoren überall, wo diese
noch bestanden forthin entrichten mussten, ward durch ein kaiserHches Decret vom Jahre 1825
ebenfalls noch vollständig abgesdhafft. l)ie gemeinschaftliche Verwaltung der Pflanzungen, die
Unternehmungen zur Einsammlung der Landesproducte auf gemeinschaftliche Rechnung u. s. ft
horten auf; jeder Indianer ward sich und seiner eigenen Bestimmung zurückgegeben. Nur in
solchen Gegenden, wo Einfälle von feindHchen Horden zu befürchten schienen, oder wo das
Handelsinteresse ger Weissen eine regelmässige Verbindung mit den Indianern erheischte, wurden
auch fernerhin Juizes,.Richter, aufgestellt, die die Streitigkeiten zwischen Indianern und
Weissen zu schHchten äutorisirt wurden. So besetzte man vorzügKch die Fazendas an den
Mündungen und andern geeigneten Puncten der Flüsse im Sertäo, wohin die Weissen Expeditionen
zu machen pflegen, z. B. am Rio Puruz, Jutahy, Japurd, Ipd u. s. ft mit Weissen Jui-
zet, denen gleichsam Consulatsgeschäfte obliegen. Von diesen friedHchen und scheinbar sehr
wohlwollenden Grundsätzen wich man nuf in Beziehung auf die sogenannten Bugres ab, wie
man die fortwährend mit den Colonisten im Kriege befindKchen Cannibalen zu nennen pflegte.
VorzügKch die Botocudos in Minas Geraös, Porto Seguro und Bahia, welche bei dem allmäli-
gen Vorrücken der Colonisten und der mit diesen in Frieden lebenden Völkerstämme, der Pu-
ns, Coroados u. s. w ., beunruhigt worden waren, und nun als treulose, raschsüchtige Nachbarn
jene von Zeit zu Zeit überfielen, wurden, während man den aldeirten Indianern vollkom-
mene Freiheit zusprach, als offene Feinde der Brasilianer und vogelfrei erklärt. Diese Stämme
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