ab, der er befiehlt: Menschenfresser, die kaum die angeborne Sprache
sprechen, keinen Begriff von Oberherrschaft kennen noch dulden, in
dumpfem Uebermuthe nur sich selbst befehlen wollen, sind sie unbewusst,
aus Trägheit, Stolz und Eigennutz, seine Diener und Untertha-
nen geworden. Denn lediglich der Verkehr mit den Weissen, den er
fiir Alle zu leiten weiss, scheint ihm das Uebergewicht gegeben zu haben
, das er bei seinen Stammgenossen geltend maclit; aus einem Han-
delscommissionär ist er Befehlshaber der Horde geworden. Ueberhaupt
aber möchte ich annehmen, dass es, etwa mit Ausnahme des Kriegs,
immer ähnliche Verhältnisse seyen, durch welche die rohen Indianer
vermocht werden, Einem aus ihrer Mitte ein Uebergewicht einzuräumen.
Diese Leute empfingen uns übrigens mit einer Lebhaftigkeit, einer
heiteren lärmenden Beweglichkeit, die gar sehr von der traurigen
Gravität abstach, womit wir gewöhnlich von Indianern aufgenommen
wurden. W ir schrieben wohl nicht mit Unrecht diese Naivetät, diesen
sanguinischen Antheil an Allem, was uns betraf, dem freieren Naturstande
zu, worin sie sich, entfernt von Weissen, ohne Kunde von Frohnen
, die für alle Indianer ein Schrecken sind, al3 ein mächtiger Stamm
den Uebrigen selbstständig gegenüber, befinden. Roh bis zur Thierheit
fand ich bei genauerer Bekanntschaft diese Miranhas, aber jene Hinterlist,
Furchtsamkeit und Kleinheit der Gesinnung, wodurch sich der
aldeirte Indianer oft zum Gegenstand der Verachtung seiner Nachbarn
macht, ist ihnen fremd. Sie sind ein kräftiger, wohlgebauter, dunkel-
gefärbter Indianerstamm. Ihre breite Brust entspricht dem breiten Antlitze,
welches noch mehr in die Quere gezogen erscheint durch den
abscheulichen Gebrauch, die Nasenflügel zu durchbohren, und darin
HolzCylinder oder Muschelschälchen zu tragen. *) Von dieser gleichsam
*) Dieses Abzeichen entstellt mehr als irgend ein anderes, das ich gesehen, -das Antlitz,
vorzüglich-, wenn die Ausdehnung der Nasenflügel so weit getrieben worden, dass sie den Nasenknorpel
blosslegt. In solch grässlicher Vollkommenheit des Schmuckes müssen .die ausgedehnten
Nasenflügel gestützt werden, wesshalb man sie im Innern mit einem Bändchen aus
Palmblättern ausfüttert. Die Weiber, welche immer Zeit und Lust haben sich zu putzen , treiben
es hierin am weitesten; ich sah welche, die die Ringe der Nasenflügel über die Ohren stülerblich
gewordenen Verunstaltung mag die Breite der Nase herrühren,
die ich an allen Miranhas als physiognomischen Charakter wahrzunehmen
glaubte. Uebrigens tragen sie in ihren Gesichtern zwar den Ausdruck
der ungebundensten Rohheit, zugleich aber jene Gutmüthigkeit,
ohne welche wir den Menschen im Naturzustände nicht denken können.
Ihr Stamm ist der zahlreichste und mächtigste im ganzen Stromgebiete
des Yupurä, östlich von der grossen Katarakte; man nimmt an, dass
er sechstausend Köpfe zähle, die von dem Flusse Cauinarf nach Westen,
zwischen dem I$ä und Yupurä und dem Rio dos Enganos und also vorzüglich
auf der Südseite des Yupurä hausen. Nach dem Tubixava Ma-
n o e l nehmen sie die Wälder fünfzehn Tagereisen landeinwärts vom
Strome, d. h. wenigstens auf fünfzig Legoas weit, ein. Es giebt mehrere
Horden, die verschiedene Dialekte sprechen, und unter einander,
selbst Krieg führen. Der Tubixava gehört mit dem grössten Theile
seiner Leute zu der Horde der Schnackenindianer: Miranha Carapanä-
Tapuuja, und lebt in erklärter Feindschaft mit den Miranhas im Innern
und mit den Menschenfressern Umäuas, die oberhalb der Katarakte
von Arara-Coara am Yupurä wohnen. Nach unserer Ankunft beorderte
pen mussten, damit sie nicht schlaff herabhingen. Das Zuspitzen der Eckzähne trägt dazu bei,
das Gesicht dieser Wilden vollkommen zu entmenschen. (Vergl. das Porträt des „Miranha“, von
der Horde Carapand Tapuüja, im Atlas.) Selten trägt der Miranha ein Pflöckchen (Taboca) quer
im Nasenknorpel , aber häufig ist dieser Schmuck oder ein Büschel Ararasfedern in den Ohren.
Die Tabocas sind gemeiniglich anderthalb Zoll lang, von der Dicke eines Schwanenkieles-, und
an beiden Enden mit rother Farbe bemalt. Die Wenigsten haben Tatowirungen hü .Gesicht j, aber
der Häuptling selbst war wie ein Juri tatowirt. Bisweilen schwärzen sie alle Zähne. Ein ganz
eigentümliches Abzeichen dieses Stammes bildet endlich ein Leibgurt von weissem Turiribast,
der fast die Gestalt eines Bruchbandes hat. Ich habe ihn nur bei'diesem Stamme gesehen ; hier
aber fehlte er keinem erwachsenen Manne. Dieser zwei Zoll breite JGürtel wird str.aff um die
Lenden, und ein anderes strickförmig zusammengedrehtes..Stück Bast wird zwischen den Schenkeln
durchgezogen. Das letztere ist vorne angekniipft, hnd^ragt hinten in der Kreuzbeingegend,
wo es mit dem Quergurte verschlungen ist, frei hervor ; so dass es wahrscheinlich zu der Sage
von geschwänzten Indianern am Yupurä Veranlassung gegeben hat: (Vergl. oben S. 110.7.)
Subligatur hoc singulari suspensorio solummodo membrum virile, testiculo in utroque latere
libere desc’endente. Innerhalb des Lendengurtes befestigen sie bisweilen einen Büschel- von ho-
belspänartigen Stücken des wohlriechenden Holzes eines Lorbeers, das ihnen vielleicht als eine
Auszeichnung, wie in Europa die Epaulets, gilt.