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ruvianischen Völkerschaften getroffen haben. — Nachdem wir uns unter
den Muras und in ihren Hütten umgesehen hatten, wendeten wir
uns an die Untersuchung ihrer Fahrzeuge. Nur ein einziges war -von
leichtem Holze gezimmert, und hatte eine Hänge von zwanzig Fuss;
die übrigen bestanden blos aus einigen Lagen von Baumrinde, die durch
Sipd verbunden, und an beiden Enden in die Höhe gebunden, einen
halbcylindrischen Schlauch von zwölf bis fünfzehn Fuss Länge bildeten.
In solch elendem Fahrzeuge setzen sich drei oder vier Muras dem
grössten der Ströme aus, und wenn es zufällig umschlägt, oder sich all-
mälig mit Wasser anfullt, so schwimmen sie so lange neben demselben
her, bis es wieder ausgeschöpft und in Stand gerichtet ist, die Mannschaft
einzunehmen. Bei unserer Abreise von den Muras kessen wir
ihnen einige Flaschen Branntwein zurück, deren sie sich mit wahrer
Leidenschaft bemächtigten, indem sie sie mit verschränkten Armen an
sich drückten. Wie es schien, berathschlagten sie lange, auf welche
Art ihre Dankbarkeit zu beweisen sey; und als wir bereits vom Lande
gestossen hatten, brachten sie eine grosse Schildkröte als Gegenge-
schenk nach.
Am Mittag des zweiten Tages nach unserer Abreise von Topinam-
barana erschienen die hohen röthlichen Lettenwände von Cararau - agü
(grosser Geier) am nördlichen Ufer des Stromes. W ir setzten zu
denselben in der Montaria über, eine, wegen der heftigen Strömung
im Hauptcanale, gefahrvolle Unternehmung, die uns übrigens
nicht einmal eine neue Anschauung verschaffte, indem das nördliche
Ufer, von einem dichten, unwirthlichen Walde bedeckt, durch
nichts von der allgemeinen Physiognomie abweicht. Wir nahmen uns
vor, von nun an ähnliche Traversen zu vermeiden, wie es die Schiffenden
überhaupt thun, um nicht unnöthig Zeit zu opfern. Auf dem
Rückwege zu der grossen Canoa begegneten uns zwei Kähne von Muras
, deren einen sie hoch auf mit abgebälgten und getrockneten Affen
angefullt hatten. Sie waren freundlich genug, uns mit grinsenden
Gebärden einige Stücke des eckelhaften Haufens zum Geschenke anzubieten.
Seit einigen Wochen waren sie am nördlichen Ufer beschäftigt
gewesen, diese Provisionen für ihre Horde zu machen. Die Thiere
waren reinlich abgebälgt, ausgeweidet und auf einem Roste über dem
Feuer (im Moquem) gedörrt worden. Ich erinnere mich nicht, einen unangenehmeren
Anblick, als den dieser Masse menschenähnlicher Leichen gehabt
zu haben, auf der die Augen der Jäger mit cannibalischer Freude ruhten.
Als wir uns eben entfernen wollten, ruderte ein alter Mura, der
einen gewaltigen Schweinszahn in der Unterlippe stecken hatte, zutraulich
neben uns, und zog aus dem Kahne ein sorgfältig zusammengewickeltes
Pisangblatt hervor. Wie erstaunten wir, als sich nach dessen
Entfaltung einige Dutzend Penes von Affen, besonders vom sogenannten
Prego (Cebus macrocephalus) , zeigten, die uns der Alte mit Schmunzeln
als ein bewährtes Fiebermittel anbot. Die Meinung, dass dieser
Theil der Affen eine Herzensstärkung und Panace gegen allerlei Krankheiten
sey, fanden wir fast überall unter den Indianern, und wenn sie
uns die erlegten Thiere brachten, war derselbe oft bereits als Eigenthum
des Jägers abgeschnitten.
Wir brachten auf der Reise von Topinambarana bis zu der P^illa
de Serpa sechs volle Tage zu, indem wir uns zwischen den zahlreichen
Inseln, meistens auf der Nordseite des Stromes, hielten. Die Reise, wegen
Mangels an Wind blos auf das Ruder und die Zugseile angewiesen,
war langsam und im höchsten Grade beschwerlich. Wo es die
Niedrigkeit des Ufers erlaubte, ward das Fahrzeug von den vorgespannten
Indianern gezogen 5 .gewöhnlich aber waren die Ufer sechs bis zwölf
Fuss hoch steil abgerissen und bis an den äussersten Rand so dicht bewachsen,
dass Niemand auf ihnen Fuss fassen konnte. Mächtige Bäume,
von hier aus in den Strom gefallen, lagen nicht selten in unserem
Wege, und mussten mit grosser Anstrengung und Zeitverlust umschifft
werden. An andern Orten drohten sie den Einsturz, so dass wir mit
verdoppelten Kräften an ihnen vorüber zu eilen trachten mussten. Wb
wir ans Ufer steigen konnten, war unser Spaziergang auf wenige
Schritte landeinwärts beschränkt. Mit fusslangen Stacheln besetzte Pal-
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