liehe Gewalt über ihre kleineren Brüder aus, denn man findet weite Strecken
von höherem Gebüsch und Kräutern entblösst, und statt derselben
nur Gräser, ein kleines Liliengewächs mit weissen Blüthen gleich dem
Lauche (Xiphidüxm album L .) und vorzüglich vielerlei Arten von Bromelien
und Aroideen, unter welchen das Dracontium polyphyllum durch
seine gefleckten, einer Klapperschlange nicht unähnlichen, Stengel sich
auszeichnet. Von den Bäumen hängen riesige Aronstauden, und, unserm
Baumbart ähnlich, lange Flocken der Tillandsia usneoidesYieväh. Noch
seltsamer ist der 'Anblick jener Stämme deren braunrothe, zähe
Rinde, einem dicken Tuche gleich, in ellenlangen Lappen herabhängt. Die
Indianer benützen sie zu Kleidern, um sich gegen die Mosquiten und
andere Insecten zu schützen. Sie gehören den Topfbäumen (Sapucai-
as) an, deren grosse, mit einem Deckel versehene Frucht viele mandelartige
Säamen enthält. Eine andere Art dieser Gattung ist wegen
des Reichthums der Rinde an langen zähen Fasern merkwürdig, wodurch
sie sich, wenn sie eingeweicht und dann geschlagen wird, in eine
wergartige Substanz auflösen lässt, welche statt des europäischen Wergs
zum Kalfatern gebraucht, und unter dem Namen Estopa sogar ausge-
fuhrt wird. Ein ähnlicher Baum (Couratari gujanensis, Aubl.') dessen
wir bereits (II. S. 877.) Erwähnung thaten, liefert einen äusserst dünnen
und feingewebten Bast (ToiwW) von blassröthlicher Farbe, der in
vielen Lagen den Splint umgiebt, und mit einiger Vorsicht in sehr
grossen Stücken abgezogen werden kann. Die Indianer bedienen sich
desselben, um Cigarren daraus »u verfertigen. %
Während sich das Pflanzenreich in diesen und vielen andern merkwürdigen
Erzeugnissen gleichsam von selbst darbot, fanden wir die
grössten Schwierigkeiten, uns über die geognostische Beschaffenheit des
Landes zu unterrichten, weil das Gestein gemeiniglich von einer sehr
mächtigen Schichte von Dammerde, oder, in der Nähe der Gewässer,
von Letten bedeckt ist. Eine Legoa nördlich von der Stadt, in Pederneira,
und am CasteUo beobachteten wir dasselbe eisenschüssige Sandsteinconglo-
merat ohne regelmässige Schichtung zu Tage ausgehend, dessen wir, als auf
der Insel Maranhäo und längs dem Rio Itapicuru herrschend, erwähnt
haben (II. S. 832.); und dieses Gestein ist es auch, welches man hie
und da entweder zu ganzen Häusern oder vorzüglich zu Grundmauern
oder Pfeilern benützt sieht. Es ist mir wahrscheinlich, dass die Niederungen
des Festlandes längs der Küste von Maranhäo bis Pa ra, und
eben so auch die Insel Marajö aus diesem breccienartigen Sandsteingebilde
bestehen. Im Innern dès Districtes von Para jedoch, d. h. südlich,
zwischen den Rios Gurupy und Tury - assü, dürfte eine ältere Formation,
vielleicht Glimmerschiefer, herrschen, wenigstens theilte uns S. E.
der Herr Gouverneur Goldstufen von dort mit, welche reiche Parthieen
dieses Metalls in weissem Quarze darstellen und die grösste Aehnlich-
keit mit Erzen aus den quarzreichen Gängen von Minas besitzen. An
den Ufern des Pordstromes und seiner Confluenten befinden sich grosse
Lager von farbigem Thon (Tabatingd) oder von grauem Letten; und
auf diesen liegt sehr häufig eine Schicht von härterem oder weicherem
Flussschlamm, in der Tiefe von ein bis sechs Fuss.
Wenn wir am Abende von unseren* Wanderungen in jenen merkwürdigen
Urwäldern nach der Rossinha zurückkamen, erwartete uns
die erheiternde Geselligkeit europäischer Freunde. Die Herren Dickin-
son , grossbrittanischer Consul, John Hesketh, J. Campbell, und L. Hein,
ein deutscher Landsmann, mögen mir erlauben, dankbar die Erinnerung
an jene Stunden zu erneuern, in denen sie uns eben so sehr die Freuden
eines gebildeten Umganges als die sorgsame Theilnahme rathender
und fürsorgender Freundschaft gemessen Hessen. Später gesellte sich
zu ihnen Herr F rancisco R icardo Z a n y , Capitän der Militzen, jetzt
Oberst im Generalstabe, aus Livorno gebürtig und seit vierzehn Jahren
in Rio Negro ansässig, der durch eine glückliche Verknüpfung von
Umständen mein Begleiter auf dem grössten Theile der Reise im Innern
von Parä und Rio Negro ward. Gleichartige Gesinnung und gleicher
Antheil an den Gefahren und Genüssen einer siebenmonatlichen Reise
haben zwischen uns eine unvergängliche Freundschaft besiegelt. Diese
heiteren Vereine wurden überdiess durch die kunstreichen Töne eines
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