12Ó2
die Nothwendigkeit, eine so interessante Reise zu unterlassen, und wir
schifften vorüber. Die Indianer von Manacarü erzählten mir spater viel
von Sculpturen, die dort in ungeheuerer Ausdehnung die Felsen bedeckten,
von Bildern (Köpfen) und von grossen Gelassen, die, (wenn
ich sie recht verstanden habe) aus Stein gehauen, hie und da auf den
Campos der Serra dos Lfmduas hervorragen sollten. Wie schmerzlich
musste ich meine damalige Schwäche beklagen! Die Rückfahrt bis zu
dem Hafen der Miranhas ward in drei langen Tagereisen bewerkstelligt.
Wir folgten stets der mittelsten Strömung, ao f io da correnteza,
tupf: tipaquena piterpe. (Ich kenne die Ableitung von tipaquena, Strömung,
nicht, aber seine Endung erscheint oft in den Flussnamen der
Gujana.) Ich langte gegen Mitternacht an, und trat in die dunkle
Hütte des Tubixava, wo ich, zum grössten Schreoken, nichts vernahm,
als ein Geächze und Röcheln, als lägen hier lauter Sterbende. Beim
Schein einer Lampe erblickte ich die ganze Mannschaft vom heftigsten
Fieber ergriffen, und Cap. Z any dem Tode nahe. Er hatte, von- Fie-
bergluth verzehrt, einen grossen Vorrath von Essig als Limonade verbraucht,
und dadurch seinen Zustand verschlimmert. Alle Indianer, ein
Mulatte und ein junger Schotte, die er als Diener bei sich hatte, waren
erkrankt, und die Endemie, ein anhaltendes Fieber mit heftigem
Wurmreize, hatte also keiner Farbe geschont. Ich will den Leser nicht
mit der Schilderung der gemeinschaftlichen Noth und der dagegen gebrauchten
Mittel - ermüden. Es gelang, die Patienten wieder in einen
Zustand zu bringen, um stromabwärts schiffen zu können; nur Snr. Z any
erholte sich äusserst langsam. Inzwischen war auch das Fahrzeug, das
wir zu zimmern angefangen hatten, noch unvollendet, und der Häuptling
Joäo Manoel musste aus dem Walde zurück erwartét werden.
Meine Geschäfte theilten sich nun in die eines Krankenwärters und Schiffbauers.
Die Ausdehnung des wagerecht aufgestellten Baumstammes durch
das Feuer muss langsam geschehen, damit er nicht reisse. Wir wendeten
dazu die ersten Morgenstunden an, welche gemeiniglich windstill
waren. Einige Indianer hätten Sorge zu tragen, dass die Erhitzung
nicht zu stark werde; sie waren mit Besen versehen, um an die übermässig
erhitzten Stellen Wasser oder verdünnten Letten zu spritzen,
der in Schildkrötenschaalen vor ihnen stand. Der Nachen, welchen
wir auf diese Art aushöhlten, hatte in der Mitte sechs Fuss Durchmesser.
Die offenen Enden waren mit Brettern verschlossen, über deren
Fugen heisscs Pech ausgegossen wurde. Mit der Herstellung des Fahrzeugs
hatte ich noch zehn Tage in diesem traurigen Aufenthalte zu thun,
dessen Ansicht und Beschäftigungen die Tafel „Porto dos Miranhas“ im
Atlas vergegenwärtigt. Eines Tages ertönten die Holzpauken von der
südlichen Seite des Stromes herüber, und bald darauf sahen wir eine
Menge kleiner Nachen über den Strom kommen. Es war der Häuptling,
der mit seinem Kriegerhaufen und den erbeuteten Gefangenen zurückkehrte.
War auch mein Gefühl durch die grässlichen Anschauungen
der letzten Zeit und das eigene Elend abgestumpft, so musste ich
mir doch sagen, ein Schauspiel so gräulicher Erniedrigung und Entmenschung,
dergleichen sich jetzt darbot, hatten meine Augen vorher
nicht gesehen. Die Männer, einige dreissig an der Zahl, waren gros-
sentheils auf dem Wege zu dem Tubixava gestosS’en, nachdem er die
Streitenden seines Stammes versöhnt oder gestraft hatte, um den Streifzug
mit ihm zu machen. Jetzt zurückkehrend, trugen sie noch alle
Spuren roher Siegeslust und höher entflammter Wildheit in ihren verunstalteten
Gesichtern. Von Schweiss glänzend, rothe und schwarze
Flecke über Brust und Bauch ausgegossen, schwarze Binden und Schnörkel
auf die Schenkel und Füsse gemalt, in den Nasenflügeln runde
Schälchen oder ganze Muscheln in dem Nasenknorpel und in den Ohren
ein Rohrstück, um den Kopf einen Ring bunter Federn tragend, — so
schwangen, sie ihre schweren Keulen (Barasanga, Tamarana) von
schwarzem Palmenholze, oder einen Bündel von Wurfspiessen, deren
vergiftete Spitzen in einem Rohrfutterale stecken, und stiessen die Gefangenen,
besonders Weiber und Kinder, unmenschlich vor sich hin.
Diese wankten unter der Last von Tapioca, Beijus und Hangmatten,
der Beute, welche ihnen die Sieger in grossen Bündeln an einem Gurt
um die Stirne übergehängt hatten, und schritten ohne ein Zeichen von
Trauer, aber in dumpfer Versunkenheit, einher. Sie wurden in einer
160*