Seite von mehreren Negerfamilien', den Dienern in diesem schönen Be-
sitzthume, besetzt war, bietet, obgleich nur wenig von der Stadt ent- -
fernt, alle Reize der Einsamkeit dar. Vor ihr breitet sich eine ebene
Wiese aus, von künstlichen Hecken umfangen, und unterbrochen hier
von einzelnen Palmen, dort von zerstreutem Buschwerke. An die Rückseite
des Hauses schliesst sich ein geräumiger Küchen - und Baumgarten,
von* dem aus sich enge Füsspfade zu einem ungleichen unbebauten
Terrain fortschlängeln, das, mit schattenreicher Waldung und
mit undurchdringlichem Dickicht bewachsen, sich ohne Abgrenzung in
die Ferne zieht. Hier winden sich durch die Niederungen Gräben und
Teiche hin, und aus dem Gewässer scliiesst ein wildes Gehäge breitblätteriger
Schilfe und stachelicher Rohrpalmen empor. Mit Grauen
verliert sich der Naturforscher, unsicheren Schrittes, in diese Gründe,
wo ihn das Gefieder des Waldes verlässt, nur scheue Capivaren bisweilen
seinem Blicke begegnen, oder ein heftiger Moschusgeruch jene
gepanzerten Ungeheuer, die Kaimans, verräth, welche sich, wie die
tiefste Verworfenheit f in Moder und Dunkel verborgen halten. So fanden
wir uns 'also in einer Gegend, die auf der einen Seite schon durch
Cultur veredelt worden, auf der andern aber noch die wilde und unbesiegte
Zeugungskraft des americanischcn Bodens vergegenwärtigte; und
ein einziger Blick führte uns die mannichfachsten Naturentwickelungen
vor. Wenn wir aber bei jedem Schritte den üppigen Reichthum , die
unermessliche Fruchtbarkeit dieser Schöpfung bewundern mussten, so
fühlten wir uns zugleich erhoben und erquickt von dem Ausdrucke unaussprechlicher
Ruhe und Harmonie, den die Natur hier athmet. Was
uns umgab, trat vernehmlich hervor als ein Laut, eine Handlung in
dem grossen herrlichen Drama der Welt, Wo Alles und Jedes, vom
Schöpfer mit der unsterblichen Lust des Seyns, beseeliget, sich nach
seiner Weise zu Preis Und Dank hervordrängt; und bedeutsamer, offenbarer
als anderswö schienen uns die Pflanze wie das Thier, die Elemente
wie der Aether und die den Planeten bemeisternde Sonne zu
dem erhabenen Hymnus des Lebens zusammen zu klingen. Noch nirgends
hatte diese Betrachtungsweise sich in unserm Innern so tief, so
88Q
nothwendig angekündigt, als hier, wo die Nähe des Erdgleichers unserm
Standpunkte eine neue, uns heilige Bedeutung verlieh, und wir hielten,
an diesem Orte des Vollgenusses angelangt, uns aufgefordert, die Frucht
einer Betrachtung zu brechen, welche vorhergehende einzelne Erfahrungen
und Anschauungen allmälig in uns gereift hatten. Da dieser Reisebericht
auch ein Spiegel unsers innern-Lebens seyn, dem freundlichen
Leser nicht bloss von dem Gegenständlichen unserer Beobachtungen Kunde
geben soll, so sey erlaubt, dass der Heraifsgeber ein Blatt seines Tagebuchs
beifüge, welches freilich in einer andern, als der gewöhnten
Form, die Stimmung und Auffassung jener unvergesslichen Gegenwart
beurkundet. —-
„ P a ra , den 16. August 1819. Wie glücklich bin ich hier, wie
tief und innig kommt hier so Manches zu meinem Verständnisse, das
mir vorher unerreichbar standI Die Heiligkeit dieses Ortes, wo alle
Kräfte' sich harmonisch vereinen, und wie zum Triumphgesang zusammentönen,
zeitiget Gefühle und Gedanken. Ich meine besser zu verstehen,
was es heisse, Geschichtschreiber der Natur seyn. Ich versenke
mich täglich in das grosse und unaussprechliche Stillleben der Natur,
und vermag ich auch nicht1, es zu erfassen in seiner göttlichen Pragmatik
, so erfüllt mich doch die Ahnung seiner Herrlichkeit mit nie gefühlten
Wonneschauern. — Es ist 3 Uhr Morgens; ich verlasse .meine Hangmatte,
denn der Schlaf 'flieht mich Aufgeregten; ich öffne die Läden,
und sehe hinaus in die dunkle, hehre Nacht. Feierlich flimmern die
Sterne, und der Strom glänzt im Widerscheine des untergehenden
Mondes zu mir herüber. Wie geheimnissvoll und stille ist Alles um
mich her! Ich wandle mit der Blendlaterne hinaus in die kühle Varanda
und betrachte meine trauten Freunde: Bäume und Gesträuche, die um
die Wohnung herstehen. Manche schlafen mit dicht zusammengelegten
Blättern, andere aber, die Tagschläfer sind, ragen ruhig ausgebreitet
in die stille Nacht auf; wenige Blumen stehen geöffnet; nur ihr, süssduftende
Paullinienhecken begrüsset mit feinstem Wohlgeruehe den W^anderer
, und du erhabene, düsterschattende Manga, deren dichtbelaubte