unzeitige Vertreibung' derselben wohl in mehr als einer Beziehung der wichtigsten Colonie. Portugals
einen empfindlichen Streich versetzt, riicksichtKch der Indianer aber ohne Zweifel ihren
politischen Verfall und jenen traurigen, hülflosen Zustand vorbereitet, in welchem wir die rothen
Menschen jener Länder gegenwärtig zu beobachten Gelegenheit hatten.
Er übergab nun, auf Anrathen seines in Para als Gouverneur residirenden Bruders, die
Sorge für die Indianer eigenen Verwaltern (Directores) , die durch eine ausführliche Instruction
über ihre Pflichten unterrichtet wurden. Diese Vorschrift (Dlrectorio, vom 3. Mai 1757.), welche
zuerst von jenem Gouverneur für Pari und Maranhäo bekannt gemacht, sodann für ganz
Brasilien administrative Kraft erhielt, und zum Theil noch gegenwärtig beobachtet wird, enthält
in einem seltsamen Gemische Grundsätze der jesuitischen Verwaltung, liberale und hemmende.
Bestimmungen, und ist mit theilweiser Kenntniss dessen', was der Indianer bedarf um Staatsbürger
zu werden, zugleich aber auch mit manchen chimärischen und irrigen Ansichten über
seine Fähigkeiten und seinen Character entworfen. Im Wesentlichsten stimmt das Directorium
mit den Grundsätzen der geistlichen Orden überein, denn es betrachtet die Indianer ebenfalls
nur als eine unmündige Menschenrape,. die einer beständigen Vormundschaft bedürfte. Wie
vorher unter den Missionären, sollten sie jetzt unter einem weltlichen Vorstande in den Aldcas
versammelt, und von diesem polizeilich ünd sittlich beaufsichtigt werden. Der Director sollte
ebenfalls die gemeinschaftlichen Arbeiten seiner Untergebenen leiten, gemeinschaftliche Anpflanzungen
machen lassen^ Expeditionen bewerkstelligen, um die wildwachsenden Producte des
Landes, wie Salsaparilha, Nelkenzimmet, Pechurimbohnen, Cacao, Vanilla u.s.w. einzusammeln;
er sollte ferner dafür Sorge tragen, dass von seiner Aldea abwechselnde Contingente für den
öffentlichen Dienst, zum Rudern der königlichen Canoas, zu Arbeiten im Arsenale, ah den
Festungs- und anderen Bauwerken, zu Unternehmungen gegen aufrührerische Neger (Negros
amocambados) oder feindliche Indianer u.. dgl. gestellt würden. Nächstdem war er aber verpflichtet,
für die Civilisation und den Unterricht seiner Pflegeindianer zu sorgen. Die männlichen
sollten Lesen und Schreiben, die weiblichen Nähen, Spinnen, Stricken und ähnliche Arbeiten
erlernen. Der Unterricht in der christlichen Religion ward, als diesem weltlichen Vorstande
fremd, der Sorge des Bischofs übertragen, welcher die Aldeas mit Geistlichen versehen
sollte. Diese, an und für sich rühmlichen und zweckmässigen Aufgaben, welche jedoch die
Ordensgeistlichen mit mehr Einheit und Consequenz zu lösen im Stande waren, wurden in der
Ausführung durch die Bestimmung erschwert, die Tupi-Sprache abzuschaffsn und alle Indianer
zur portugiesischen anzuhalten. Der wohlmeinende Reformator erblickte in dieser Sprache, so
wie in de^i Mangel von Familiennamen bei den Indianern, welche bisher nur nach dem Taufnamen
genannt wurden, einen Hemmungsgrund der Civilisation, während sie doch wegen ihrer
grossen Uebereinstimmung mit den übrigen Indianersprachen in Wortbau Syntax und der ge-
sammten geistigen Pragmatik ein nothwendiges Vehikel des gegenseitigen Verständnisses war,
was unter Anderm ihr Bestehen bis auf den heutigen Tag beurkundet. Man erwartete,, dass
die Directoren mit mehr Ernst und Nachdruck der Unsittlichkeit ihrer Untergebenen entgegenarbeiten
, sie besonders von der tief eingewurzelten Indolenz, von dem Laster des Trunkes uiid
andern Ausschweifungen entwöhnen und abhalten würden, ohne zu bedenken, dass jene, in
der Einsamkeit der Aldeas selbst unbeschränkte und nicht beobachtete Herrn der Indianer, viel
weniger geeignet seyn würden, durch Beispiel und Ermahnung zu wirken, als die Missionäre,
welche durch ihre Ordénsvei'p'fliehtiingèn, durch gegenseitige Beaufsichtigung ünd gemeiniglich,
auch durch ein höheres Alter von solchen Ausschweifungen und von der Duldung derselben
abgehalten würden. Man gebot den Directoren den Vorurtheilen entgegen zu arbeiten, wejphe
den ehelichen Verbindungen zwischen weissen und rothen Menschen .entgegenstünden; als wenn
nicht die Lehren des Christenthums diese auf eine viel eindringlichere Weise thun müssten,
und als wenn nicht gerade die Erhebung einzelner Weisser (welche schlechterdings keine Mischung
jüdischen Blutes haben sollten!) über die Indianer . von Neuem bestätigte , dass man
diese für. einè - untergeordnete, der eigenen Bestimmung unfähige, Menschenrape hielte. Man
setzte voraus, dass das gute Beispiel eines väterlichen Verhältnisses zwischen dem Director und
seinen Untergebenen recht viele Indianer anlocken werde, sich aus der Wildniss in die Aldeas
zu begeben, während man .denbehaglichen Zustand der Indianer in den Missionen und die
bedeutende Menge der Neophyten in entstellten oder ganz unwahren Berichten an die Regierung
zu Lissabon läugnete. So 'philanthropisch also die ganze Einrichtung derfDirectorien bei oberflächlicher
Betrachtung erschien, so lag ihr doch tiefgewurzelter Hass und*Eifersucht gegen die
Ordensverbindungen,. und übèrdiess auch eine Finanzspeculation zum Grunde. Die geistlichen
Orden hatten keine andere Abgaben zu entrichten, als die Ausfuhrzölle von denjenigen Handelsartikeln,
welche sie auf eigene Rechnung von ihren Negersdaven’und Indianern gewinnen Kessen.
Nach dem Plane des Directoriums aber sollten nun die Indianer stärker besteuert,es
sollte mehr Arbeit von ihnen gefordert werden. Die Zehnten gehörten schon seit langer Zeit
dem Aerar, welches dagegen die GeistKchen (im Allgemeinen mit einer Congrua von 80 Milreis)
besoldete. Nun sollte aber von dem Ertrage der Agricultur* Viehzucht, etc. der Indianer,
nicht nur ein Zehntheil für das Aerar, sondern ausserdem ein Sechstheil für den Director abgezogen
werden. Eben solche Abzüge sollten bei der Gewinnung des Fettes von den Schildkröteneiern
und den Lamantinfischen, im Fischfänge und dann eintreten, wenn die Indianer
einer Aldea eine Expedition unternehmen würden, um die wildwachsenden Handelsartikel einzusammeln.
Waren nach einer- solchen Expedition die Auslagen für die Fahrzeuge, Munition
und Provision u. dgl. gedeckt, welche von den Camaras der Ortschaften vorschussweise geKe-
fert werden sollten, so musste der Rest des Ertrages unter die theilnehmenden Indianer ver-
thcilt werden. Da aber die-Indianer zu unmündig wären, um einen andern als Tauschhandel
eintreten zu lassen, so gehörte ês zu den Geschäften des Directors, sie bei dem Abschluss ihres
Tauschhandels anzuleiten , oder diesen für sie zu betreiben. Eben so war cs der Director, -
welcher über die Arbeiten der Indianer verfügte, und sie als Taglöhner, Ruderer', Jäger, Fischer
fü. dgl. um einen sehr geringen Taglohn än Privatleute vermiethete. Ausserdem lag ihm
ob, über den Stand der Bevölkerung in seiner Aldea, Tabellen, und über die Zehnten allèr
Art, welche er für den Staat einzunehmen hatte, Rechnung zu führen. Alles erscheint in diesem,
zu Lissabon bei unvollständiger Kenntniss der Verhältnisse entworfenen, Plane besser berechnet,
als die Hauptsache; es fehlt nämKch eine Bürgschaft., dass der Director seine Verpflichtungen
gegen die Indianer und den Staat getreuKch erfülle. . Man hatte es den geistlichen Orden,
und namentlich den Jesuiten, zum Vorwurf gemacht'; dass sie ihre Neophyten mit der
Cultur oder Ein Sammlung von Handelsproducten beschäftigten, und war bemüht gewesen, das
Verhältniss derselben so darzustellen, als seyen sie ledigKch das Werkzeug des Eigennutzes und
der Herrschbegierde jener Corporationen, ohne zu bedenken, dass die Missionen, von aller
Hülfe der Regierung und frommtheilnehmendèr Anwohner, die hier noch gar nicht vorhanden