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oben glatte Rinde bisweilen voij gelbst, häufiger aber, wenn sie
verg
wundet wird, einen Milchsaft orgiessb* der sich an der Luft verhärtet,
und dann als lange blassgraüe Stränge von der Dicke eines Gänsekiels
oft viele Ellen lang herabhängt. Diese Fäden bilden, wenn sie dünne
Aeste überziehen, elastische Röhren, durch welche zuerst die Zweckmässigkeit
des Stoffes zu allerlei Instrumenten angedeutet worden seyn
soll. Gewiss ist, dass, ehe man den Cautschuck als Mittel, Papier zu
reinigen anwendete, die Indianer von jenen Röhren zu Klystierspritzen,
Tabackspfeifen und, am Anfänge des vorigen Jahrhunderts, ein portugiesischer
Chirurg zum Kathederisiren • Gebrauch machten. Gegenwärtig
widmen , sich einsame Fazendeiros, und vorzüglich ärmere Leute
gemischter Abkunft, die davon den Namen Seringeiros erhalten haben,
der Einsammlung und Zubereitung jenes Saftes, und der grösste Theil
des elastisshen Gummi, welches aus Para ausgeführt wird, kommt aus
den der Hauptstadt nahen Wäldern, und von der Insel Marajö, obgleich
der Baum in dem ganzen Estado do Gram Para, so wie in der fran-
zösichen Gujana, wild wächst. Folgendes ist die von diesen Sammlern
befolgte Bereitungsart. Während eines grossen Theils des Jahres, vorzüglich
aber in den Monaten Mai, Juni, Juli und August, . verwunden
sie den Baum an mehreren Stellen durch senkrechte Einschnitte und
kleben unterhalb derselben kleine, gemeiniglich anderthalb Zoll im Dia-
meter messende, Schüsselchen, von rohem, ungebranntem Thon an, die,
wenn anders der Baum gesund ist, binnen vier und zwanzig Stunden
vom Safte angefüllt werden. Dieser wird nun über mannichfaltige Formen
von Thon gestrichen, in deren Auswahl und Modellirung der Erfindungskraft
der Seringeiros weiter Spielraum gegeben ist. Am häufigsten
formen sie jene bimförmigen Körper, durch welche die gewöhnlichen
Flaschen entstehen, ausserdem aber die verschiedenen Früchte
des Landes, als Acajüs, Attas, Ananas, Mängas, oder Thiere: Fische,
Onzen, Affen, den Lamantin, ja sogar menschliche Figuren oder allerlei
seltsame Gebilde ihrer, nicht immer sehr reinen, Phantasie. Damit
der, in dünnen Schichten aufgetragene, Saft schneller trockne und niemals
in Fäulniss übergehe, werden die überstrichenen Formen in den
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Rauch gehängt, welcher bei dem langsamen Verbrennen der rohen
Früchte der Oauassüpalme (Attalea speciosa, Mi) entsteht. Dieser
Rauch giebt dem ursprünglich schmutzigweissen Cautschuck jene dunkelbraune
Farbe und grössere Dichtigkeit, die wir an der käuflichen
Drogue wahrnehmen. Um ungebleichte Leinwand wasserdicht zu machen,
pflegt man eine dünne Schicht des frischen Milchsaftes auf die
eine Seite derselben aufzutragen und an der Sonne trocknen zu lassen.
Sie empfiehlt sich dann besonders zu Mänteln und Ueberwürfen für
Solche, die sich dem durchdringenden Nachtthaue aussetzen müssen;
doch ist diese Bekleidung, weil sie die Ausdünstung zurückhält, unleidlich
warm. W ir sahen sie bei den Polizeisoldaten von P a ra , und
wendeten sie selbst auf späteren Reisen an.
Noch viele andere Erzeugnisse des Pflanzenreiches unterhalten den
Naturforscher auf seinen Wanderungen durch die einsamen Urwälder!,
welche sich im Norden und Osten der Stadt ohne Unterbrechung ausdehnen
, und im Süden jenseits des Rio Guamä bis zu ungemessener
Entfernung erstrecken. Vor Allem aber war uns die ungeheuere Grösse
vieler Stämme auffallend, die selbst das Riesenhafteste übertraf, was
wir früher gesehen hatten. Wir massen einige Bäume von Sapucaja
{Lecythis) , Päo diAlho (Crataeva Tapia, L i) und Bacori {Sympho-
nia coccinea, Aubli) und fanden, dass sie am untern Ende des Stammes
fünfzig bis sechzig, und an dem sternförmig ausgebreiteten Wurzelhalse
ü^er hundert Fuss im Umkreiße hatten. In der Mitte zwischen
tmserem Landsitze und der Stadt erhebt sich ein prächtiger Baum einer
Lecythis zu so ungeheuerer Höhe, dass er uns schon aus weiter
Ferne Maassstab für den zurückgelegten Weg seyn konnte. Dieses
kräftige Wachsthum wird nicht blos durch die Warme des hiesigen
Klima, sondern vorzüglich durch das viele Wasser im Erdboden begünstigt.
Der thonige Grund wird beständig feucht erhalten, sowohl durch
häufigen Regen als durch zahlreiche Gräben, welche mit jeder Fluth
mehr oder weniger angefullt werden. Fast scheint es, als übten in
unberührten Urwäldern diese gewaltigen Kinder der Erde . eine verderb-
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