Krone mich gegen den Nachtthau schützet. Gespensterhaft flattern
grosse Nachtschmetterlinge um die verführenden Lichter meiner Laterne.
Immer stärker durchnässt der Thau die frisch aufathmenden Wiesen,
und die Nachtluft legt sich feucht auf die erwärmten Glieder. Eine
Cicade, die im Hause wohnet, lockt mich mit heimischem Gezirpe wieder
hinein, und leistet dem glücklichen Halbträumer Gesellschaft, der
den Tag erwartet, vom Gesumse der Mosquiten, den paukenähnlichen
Schlägen eines Ochsenfrosches,, oder dem klagenden Rufe des Ziegenmelkers
wach erhalten. Um- fünf Uhr seh’ ich ringsum den Morgen
dämmern; ein feines gleichmässiges Grau, mit Morgenroth verschmolzen
und davon erheitert, umzieht den Himmel; nur der Zenith ist dunkler.
Die Formen der Bäume treten näher und näher, der Landwind
der in Osten aufsteht, bewegt sie langsam;— schon schimmern rosen-
rothe Lichter und Reflexe um die Kuppeln der domartig gewölbten Ca--
ryocar-, Berthöletia- und Symphoniastämme. Die Zweige, die Blätter
regen sich; die Träumer wachen auf, und baden in der erfrischten
Morgenluft; Käfer fliegen, Mücken summen, Vögel rufen, Affen klettern
schreiend ins Dickicht zurück; die Nachtschmetterlinge suchen lichtscheu
taumelnd ihre Waldnacht wieder; auf'den' Wegen regt sich’a,
die Nagthiere laufen ins Gemäuer zurück, und die hinterlistigen Marderarten
schleichen sachte vom Geflügel, dem der prunkende Haushahn
den Morgen ausruft. Immer heller wird’s in der Luft; der Tag
bricht an; — eine unbeschreibliche Feier liegt über der Natur: die Erde
erwartet ihren Bräutigam; und siehe! da ist er! wie rothe Blitze
leuchtet der Sonnenrand, jetzt steigt die Sonne empor, — m einem Nu
ist sie ganz über dem Horizonte, auftauchend aus feurigen Wellen, und
wirft glühende Strahlen über die Erde hin. Die magische Dämmerung
weicht, grosse Reflexe flüchten sieh verfolgt von Dunkel zu Dunkel,
und auf einmal steht rings um den entzückten Beschauer die Erde in
frischem Thauglanz, festlich, jugendlich heiter: die schönste Braut.
Kein Wölkchen am Himmel, ungetrübt wölbt er sich über der Erde.
Alles ist Leben; Thiere und Pflanzen im Genusä, im Kampf. Um sieben
Uhr beginnt der Thau zu verschwinden, der Landwind lasst etwas
nach, schon wird die zunehmende Wärme bemerklich. Die Sonne
steigt schnell und senkrecht am klaren und durchsichtig blauen Himmel
auf, in welchem alle Dünste gleichmässig aufgelöst sind, bis sich späterhin,
niedrig am westlichen Horizonte, kleine, weissflockige Wolken
bilden; diese spitzen sich gegen das Tagsgestirn zu, und verlängern
sich allmälich weithin am Firmamente. Um die neunte Stunde wird
die Wiese ganz trocken; der Wald steht im Glanze seiner Lorbeerblätter;
andere Blüthen entfalten sich, andere hat schneller Liebesge-
nuss bereits hinweggerafft. Noch eine Stunde später, und die Wolken
wölben sich hoch auf, sie gestalten sich zu breiten dichteren Massen ,
und ziehen bisweilen verdunkelnd und kühlend unter der Sonne hin,
die in leuchtender Fülle die Landschaft beherrschet. Es zucken die
Pflanzen unter den sengenden Strahlen der Sonne; ganz selbst verloren
geben sie sich dem mächtigen Reize hin. Goldbeschwingte Käfer
und Kolibris schwirren lustig näher, ein lebendiges Farbenspiel gaukeln
bunte Schmetterlinge und Libellen am Ufer durcheinander; die Wege
wimmeln von Ameisen, die in ausgedehnten Zügen Blätter zu ihren
Bauwerken schleppen. Aber auch die trägem Thiere empfinden den
Sonnenreiz; das Krokodil steigt vom Schlamme des untern Ufers weiter
herauf, und lagert sich in den heissen Sand; Schildkröten und Eidechsen
werden aus ihren feuchten Schatten hervorgelockt; buntschillernde
und düsterfarbige Schlangen schleichen in die warm beleuchteten Fuss-
wege. Die Wolken senken sich tief, sie sondern sich schichtenweise
ab, immer schwerer, dichter, düsterer umhüllen sie bläulichgrau den
Horizont, gegen den Zenith thürmen sie sich an zu hellem, weitver-
verbreiteten Massen, ein Abbild riesiger Gebirge in der Luft. Auf einmal
überzieht sich der ganze Himmel, nur hie und da blickt noch die
tiefe Bläue zwischen durch; die Sonne verbirgt sich, aber um so heis-
ser liegt die Gluth der Luft auf der Landschaft. Mittag ist vorüber:,
trüb, schwer, melancholisch hängt diese Stunde über der Natur; immer
tiefergreift die Spannung, und das Weh ist da, welches die Lust des Tages
gezeugt hat. Hunger und Durst jagen die Thiere umher; nur die ruhigen
, die trägen, in die Schatten ■ des Waldes geflüchteten ahnen nichts