obwohl .«"hon vierundzwanzig Jahre alt und ganz wohl gebildet, doch nur drei Schuh vier Zoll
hoch war. Ob diese Meine Statur in dem Stamme erblich, oder, wie die Eigenschaft des Kakerlaken,
den wir in der Barra beobachteten, und des zweiten, den ich in Taruma sah, nur
Zufälligkeiten zuzuschreiben sey, lass’ ich unentschieden. — Ich setzte über die Mündung des
Yurud, und gelangte noch an demselben Abend vor die furchtbare Barreira castelhana. Wie
gross war mein Schrecken, hier einem fünfzig bis sechzig Fuss hohen Ufer entlang hinfahren
zu müssen, das, durch die Strömung ausgehöhlt und durch Regen locker gemacht, theilweise
mit dem daraufwachsenden hohen Wald in den Strom herabgestürzt war, oder durch'neuen
Einsturz den Schiffen gleichen Untergang drohte mit jenen spanischen Booten, welche, liier zerschmettert
und untergetaucht, dem Orte seinen Namen gegeben haben. Zur Vermehrung der
Gefahr konnte man nicht so schnell, als ich wünschte, an diesem Orte vorüberrudern, ja es
war sogar, da die Indianer nichts mehr gegen die Strömung vermochten, nöthig, sich an die
herabgestürzten Bäume festzuhalten, und so die Kähne langsam vorwärts zu ziehen. Diese
mächtigen Strömungen, das herüberhängende, zum Einsturz bereite, Erdreich und die gegen
den Fluss herabrollenden himmelhohen Bäume haben schon vielen Canoas im Solimoes den
Untergang gebracht, und sind die grösste aller Gefahren. Zu ihnen gesellten sich noch die
körperlichen Leiden, welche die Piüm, Carapand, Maruim, Mutucas, diese verschiedenen
Arten von Stechfliegen und Schnacken, ferner der Mucuim, ein fast unsichtbares, dem Acarus
verwandtes Thierchen, das sich in die Haut einfrisst, und Beulen verursacht, endlich die grossen
Heere von Ameisen mit sich brachten. Beinahe täglich habe ich bei der Fortsetzung der
Reise ähnliche Gefahren und Beschwerden zu bestehen. Mit vieler Mühe, jedoch glücklich,
kam ich bei der Barreira castelhana vorbei, und lenkte südlich in die Bucht von Fonte-Boa
(4.) , einer Meinen Ortschaft, deren Einwohner durch die Wechselfieber schon fast aufgerieben
worden sind, ein. Die ausserordentliche Entvölkerung längs des ganzen Solimoês hat ihren
Grund hauptsächlich darin, dass die Indianer, aus ihren Wäldern und ihrem rohen Naturleben
gezogen, der ungewohnten Lebensweise und den , ihnen von den europäischen Ansiedlern mit-
getheilten, Krankheiten sehr leicht unterliegen. —-Von Ega an wurde das Land immer wilder,
waldiger; die Ufer, allmäh'g höher, sind von zahlreicherenHeerden von Affen, Papageien, Peri-
quiten, Hoccos u. s. w. belebt; der Strom zeigt einen Ueberfluss an Fischen. Die Völkerstämme,
welche die Wälder längs dieses Theils des Solimoês bewohneri ; sind zahlreich, und sehr verschieden
an Sprache, Gebräuchen und nationalen Abzeichen. Man sieht hier Marauhds, Juris,
Passés, Jumdnas, Catuquinas, Tecùnas, Araycùs (Uaraycùs) u. s. f. Alle diese Indianer
gehen mehr oder weniger nackt, leben von Schlangen, Kröten, Fischen, Affen u. s. f., und
gebrauchen zu ihrer Jagd, nebst Bogen und Pfeil, wie alle übrigen Stämme des Solimoes, das
Blasrohr und vergiftete Pfeilchen. — Nach drei Tagen verliess ich Fonte-Boa, und noch an
demselben Abend und die folgende Nacht hatte ich gleichsam unter einer Armee von Vögeln,
Schildkröten und Krokodilen zu leben. Einige, auf den Spitzen der höchsten Bäume sitzende,
Königsadler (Fultur Papa), unzählige Fischreiher und anderes Gefieder luden mich ein, in
die schwarzen Gewässer des Lago da Campina einzulaufen, an dessen Mündung ich mich
befand. Ich gelangte vor eine einzelne, im Walde befindliche Hütte, wo eine Factorei zur
Trocknung und Zubereitung des hier häufigen Fisches.Pirarucu angelegt war* Der Inhaber,
ein Mulatte, begleitet von einigen Indianern und noch mehr Indianerinnen, lud mich ein, auszusteigen;
und einige Berge von Tausenden von Schildkröten, die ich am Ufer fand, waren
in der That ein interessantes Schauspiel. Diese Thiere werden, -sobald sie ihre Eier gelegt
haben, und die Regenzeit (der Winter) vor der Thüre ist, überall aufgefangen. Auf diese
Jagd sendet man Indianer, welche dié Thiere entweder auf den Sandbänken umkehren, oder
sie, auf längs des Ufers eingesenkten Pflöcken sitzend, im Vorbeischwimmen mit einem an
einer Schnur befestigten Pfeile in den Nacken schiessen, und dann herbeiziehen. Da das Rindvieh
hier noch äusserst selten ist, so vertreten diese Thiere seine Stelle, und- jeder Einwohner
hat am Hause eine Lache, worin er sie als Vorrath für den Winter aufbewahrt. Ich ging nur
wenige Schritte am Ufer vorwärts, als ich durch ein Heer von Krokodilen in Schrecken gesetzt
wurde, die dicht an einander gedrängt, wie bei uns die Frösche in der Laichzeit, nur mit den
boshaften Augen, dem Rücken und Schwänze aus dem Wasser hervorragten, und voll Begier,
die Abfälle der Factorei zu erhaschen, ihren langen Rachen bald öffneten, bald schlossen.
— Ich setzte meine Reise dem, an Seen und kleinen Flüssen reichen, Ufer entlang stromaufwärts
fort. Nach drei Tagen schiffte ich über die Mündung des RioJutahy, welche eine Viertelstunde
breit ist. Dieser grosse Fluss, von schwarzem Wasser, wird in der Nähe seiner Mündung
von Indianern, der Nationen Mura, Marauhd, Massarari u. A. (Tapaxdna, Araycu
nach M onteiro, Conamands nach Ribeiro) bewohnt; tiefer landeinwärts ist er noch gänzlich
unbekannt. Die Marauhds tragen in den Ohrenlappen und in beiden Lippen Hölzchen, sind
aber nicht tatowirt. Die Männer verhüllen sich mit einem Stücke Bast, und legen gefranzte
Baumwollenbänder um die Waden und Knöchel, die niemals abgenommen werden; dieWeiber
gehen ganz nackt. Die Heurathen werden, nach Bewilligung'von Seite der Aeltern der Braut,
mit oder ohne Festtänze gefeiert. Wenn ein Marauhd Brüder hat, so darf er nur Eine Frau
nehmen. Nach der Geburt badet die Mutter das Kind in warmem Wasser, legt sich drei
Wochen lang in die Hangmatte, und geniesst, eben so wie der Mann, nichts als Brei von
Mandioccamehl, gewisse Vögel und Fische. Wenn die Mutter aufsteht, giebt der älteste Verwandte
dem Kinde in einem dunMen Zimmer einen, in der Familie gebräuchlichen, Namen.
Die darauf folgende Durchbohrung der Lippen des Kindes wird durch Feste gefeiert. Sind
die Knaben zehn bis zwölf Jahre alt geworden, so gräbt ihnen der Vater zunächst dem Munde
vier Striche ein; hiebei müssen sie fünf Tage lang fasten. Die älteren Bursche geissein sich
mit einer kurzen Gerte, eine Operation, die als Prüfung des Charakters angesehen wird. Ihre
Feste fallen in den Neumond. Nach dem Tode, glauben sie, kommen die Guten in Gemeinschaft
mit einem guten Wesen, die Bösen mit dem Teufel. Die Leichen werden in einer
gemeinschaftlichen Hütte begraben. — Einen Tag später traversirte ich den Solimoês zum nördlichen
Ufer, und kam, nach einigen glücMich überstandenen Stürmen, in sieben Tagen von
Fonte-Boa an gerechnet, in der Ortschaft am Tonantin (5.) an. Dieser Fluss entspringt nur
einige Tagereisen weit nördlich gegen den Yupurd hin. Es giebt hier viele Mandioccapflanzun-
gen. Der Tonantin ist vom Stamme der Cauixdnas bewohnt, welche als Krokodilfresser bekannt
sind, und vor einigen Jahren ihren Missionär ermordet haben. Bei meiner ersten Erscheinung
an ihren Wohnungen am Walde zeigten sie Furcht; aber bald kamen die Männer ganz nackt,
und hinter ihnen mehrere ihrer Weiber und Kinder, im Gesichte schwarz und roth betupft,
und mit Arm - und Kniebändern von Bast und Federn geziert, aus den Hütten hervor. Diese
sind von Palmblättem erbaut, laufen oben conisch z u , und haben eine niedrige Thüre zum
Ein- nnd Auskriechen. Männer, Weiber, Kinder und Hunde liegen alle zusammen in dieser
finstern, von Rauch erfüllten, Herberge. Man brachte viele Heulaffen, den schwarzen Teufels