Sobald ein Todesfall eintritt, trauern die weiblichen Verwandten des Mundrucü, indem sie sich
die, ausserdem langen, Haare abschneiden, das Gesicht schwarz färben, und ein Klaggeheul
längere Zeit fortsetzen. Der Leichnam wird innerhalb der Hütte in einer Hangmatte begraben.
Zur Ehre. des Verstorbenen werden nun Trinkgelage gehalten, die um so länger dauern, je
mächtiger er gewesen. An Unsterblichkeit glaubt der Mundrucü nicht; die einzige Spur eines,
höheren Glaubens finde ich in der Sprache, welche ein Wort (Getüut) für Gott, und ein ander
res (Cäuschi) für Teufel hat. Auch bei ihnen ist der Pajè eine mächtige und gefürchtete Pers
o n ; er wird als Verwandter des Teufels, oder als Inspirirter gedacht.
. (3.) Arrayolos ist gegenwärtig nach Macapd und Massagdo die blühendste Ortschaft in
, dem brasilianischen Küstenlande nördlich vom Aequator, im Allgemeinen aber befindet sich
dieser ganze Theil der Provinz in einem Zustande bürgerlicher Ohnmacht und Unthätigkeit,
der Folge verheerender Fieber, welche in den meisten Gegenden endemisch sind. Die Cultur
der Baumwolle scheint dem heissen, niedrigen Lande vorzugsweise zu entsprechen; auch webt-
män in Macapd viele grobe Baumwollentücher, die nach Pari versendet werden. An wilden
Naturproducten, namentlich Cravo, Copaivabalsam und Salsa, sind unter den Flüssen dieses
Landstriches der Jary und der Araguary vorzüglich reich , dagegen der Rio Parü arm, und
desshalb, so wie wegen seiner Fälle und der häufigen Pium wenig besucht. Der Yary hat
acht Tagereisen aufwärts angenehme Ufer, wird aber dann durch einen grossen Fall -in seinem
Lauf vollständig abgeschnitten, so dass man die Reise nur in kléineren Fahrzeugen fortsetzen
kann. Böse Fieber herrschen in ihm endemisch. Der Goarataburü, ein Seitenarm des Yary
vermittelt, nach einer schmalen Landfahrt, einen Ucbergang in den Araguary. Die Viehzucht,
wozu sich die ausgedehnten Fluren, eignen, ist verhältnissmässig gering, und man klagt die
l-ledermäuse als grösstes Hinderniss an. Der Verkehr mit Parä geschieht mittelst grosser Böte
und Sümacas, welche im Osten der Insel Marajo, und kleinerer Fahrzeuge, welche über Gu-
rupä und durch den Igarape- merim segeln. Jene Fahrt, die in drei, vier bis acht Tagen hc-
endigt wird, ist wegen der Untiefen und Strömungen immer gefährlich. Die Citadelle von
Macapd ist die brasilianische Grenzfestung (Praca fronteira) gegen das französische Gujana.
Sie ward in den Jahren 1760 bis 1773 unter dem Generalgouverneur F ern, da Costa Ataide
T eivf. (dem Erbauer des Regierungspalastes in Parä) aufgeführt, und kostete 3 Mill. Cruzados.
— Die ehemaligen Bewohner dieses ganzen Küstenstriches waren die Indianer Armabutos,
Arianas, Aroaquis, Tucuxus und Oaiapis. Die ersteren beiden sind jetzt in diesem Gebiete
verschollen, die andern thcils im Innern des Landes theils mit den übrigen Bewohnern vermischt
in Arrayolos, Esposende und um Macapd ansässig. — Dieser schöne Landstrich erwartet
Cultur und Bevölkerung von künftigen Geschlechtern.
(4.) D er A mazonenstrom. Wir haben geflissentlich diejenigen Thatsachen, welche sich auf
die Natur des grössten aller Ströme, auf sein Gebiet und seine Ufer beziehen, in dem Verlaufe
unseres Reiseberichtes nur berührt, um sie später in ein einziges Bild zusammenzufassen. Indem
wir uns nun hier zu diesem schwierigen Unternehmen anschicken, müssen wir noch insbesondere
die Nachsicht der Geographen in Anspruch nehmen; hoffen auch solche um so eher
für uns zu gewinnen, als der hauptsächliche Beruf unserer Reise eine ganz andere Richtung,
nämlich die Erweiterung der speciellen Fächer der Zoologie und Botanik, hatte.
Manches in der Bildung des Amazonenstroms und seines ' Gebietes weicht von den Verhältnissen
ab, welche man gewöhnlich bei grossen Strömen beobachtet. Dahin gehört vorzüglich
der Umstand, dass die Hauptrichtung des Stromes , im längsten Theile des Verlaufes, von der
desjenigen Flusses abweicht, den man immer als seine erste Quelle oder als seinen Hauptarm
annehmen mag. Jene geht nämlich im Allgemeinen von W . nach 0 . , während der Marannon,
welchen man gewöhnlich seine Quéllé nennt, in der Richtung von S -S .-W . nach N.-N.-O.
alle übrigen Arme aber, welche rücksichtlich ihrer Länge als Hauptquelle betrachtet werden
könnten, wie namentlich der Ucayale und der Madeira, in der Richtung von S. nach N. fliesjgj
sen. Eben so liegt wahrscheinlich der Marannon, als dessen Quelle der See von Hiauricocha
angenommen wird, in seinem obersten Flussthale minder hoch, als die südlichsten Quellen des
Rio Madeira, welche aus den Gebirgen von La Paz hervorkommen, oder als die beiden
Quellen des Ucayale’. der Paucartambo (Yambari), welcher auf den nördlichen Gegengehängen
des merkwürdigen, 11,970 F. hoch liegenden Alpensees von Titicaca entspringet, und des Apurimaco,
der westlich von dem majestätischen Trachytberge von Chuquibamba liegt, . dessen Höhe von
P entland auf 20,640 (par.) Fuss angegeben wird. (Dieser Reisende hat nicht blös gefunden,
dass die Gipfel des östlichen Astes der Andescordilleren zwischen dem 14. und 17. "Grad s. B.
fast Ununterbrochen über die untere Schneegrenze* (dort 2,717 Toisen) hinausragen, sondera
auch dass die grösseren Ortschaften und Städte von Hóchpérü und Bolivia (z. B. Potosi,
Oruro, La Paz u. 8. £ ), sich im Allgemeinen höher über dem Océan befinden, als dié'damit
vergleichbaren Orte im nördlichen Peru, was zu dem Schlüsse berechtigt, dass diebewohnbaren
Hochebenen der ersteren Gegenden weiter als die der letzteren vom Océan an aufsteigen.) Endlich
ist auch der Lauf des sogenannten eigentlichen Marannon bis dahin, wo der Amazonas
die Richtung von W. nach O. annimmt, kürzer als der des Ucayale oder des Madeira bis zu
ihrer Mündung in den allgemeinen Recipiënten. Es erscheint sohin schwierig, zu bestimmen,
wo die wahren Quellen des Amazonas liegen, und man wird geneigt, diesen ungeheuren Strom
nicht als einen einfachen, sondern als zusammengesetzten, a ls e in g a n z e s S t rom s y s tem ,
zu betrachten. Demgemäss hat auch dieser Strom complex in seiner Hauptrichtung von- W. nach
O. dieselben und sich vollkommen gleichbleibenden Eigenschaften, während die einzelnen, ihn
zusammensetzenden Ströme, wie in Länge und Richtung, so in allen übrigen Beziehungen
manchfache Eigentümlichkeiten darstellen. Es mag daher um so zweckmässiger erscheinen, den
ganzen grossartigen Stromcomplex an gewissen Orten mit verschiedenen Namen zu bezeichnen,
was auch bereits der Sprachgebrauch der Anwohner bereits gethan hat, indem die Spanier seinen
westlichsten Theil Marannon, die* Brasilianer den mittleren Solimoes und den östlichen Rio das
Amazonas (Amazona) nennen. Hiebei wird einerseits eine politische Beziehnng geltend gemacht,
indem man den Namen Marannon bis an-dié Grenze Brasiliens ausdehnt, und andererseits
das Herkommen berücksichtigt, wenn man den Namen Solimoes von da an bis an die Vereinigung
mit dem Rio Negro gelten lässt. Eine genauere, auf die Natur der Beiströme gegründete
Bestimmung dürfte vielleicht füglich den Namen Solimoes von der Mündung des Madeira bis
zu der des Ucayale ausdehnen, denn diese beiden Beiströme führen auf der Südseite auf dem
längsten Wege die grösste Wassermasse herbei, und bezeichnen die Thallinie in den beiden
grössten Stromgebieten, welche sich von S. her in das des Amazonas öffnen.
Wollen wir in der Betrachtung dieses Stromes von dem Allgemeinsten zum Besondern
fortschreiten, so müssen wir für’s Erste einen Blick auf die Länge der einzelnen Zuströme
III. Theil. 170