sollen. Schon die weissere Gesichtsfarbe zeichnet sie vor ihren Nachbarn
aus; noch mehr aber der feinere Gliederbau und eine der ameri-
canischen Raçe gemeiniglich fehlende Grösse und Ebenmässigkeit. Die
gegen andere Indianer dünneren Extremitäten, der längere Hals, die
stärker hervortretenden Schlüsselbeine, die zwar mit fleischiger Muscu-
latur versehene aber schmalere Brust, der schlankere, minder gewölbt
hervortretende Unterleib, die schmaleren Hüften — Alles erinnert vielmehr
an eine caucasische Bildung. Auch die Gesichtszügesind ausgezeichnet,
meistens angenehm, bisweilen sogar schön zu nennen. Diess
gilt jedoch mehr von den Weibern als den Männern; wahre männliche
Schönheit erheischt die Zierde des Bartes, der diesen ebenfalls mangelt.
Die Augen der Passés erschienen mir freier, feiner geschnitten, weiter
auseinander liegend und nicht schräg nach aussen gezogen, die Backenknochen
minder hervorragend, die Nase nicht so platt, sondern feingebildet
, gerade absteigend, oft sogar etwas gewölbt, mit abwärts gekrümmter
scharfer Spitze, was vorzüglich ihnen den Ausdruck von
Beweglichkeit, Kunsfertigkeit und einer Art von Verschmitztheit giebt,
die aber durch das Gutmüthige des feinen, kaum wulstigen Mundes
gemildert wird. Und gerade diese angenehmen Gesichtszüge werden
durch ein abscheuliches Abzeichen des Stammes verunstaltet. Der Passé
hat einen tatowirten Fleck (Malha) im Gesichte, '•') der unter den
Augen, wo er quer und rechtlinig abgeschnitten ist 5 beginnt, und abwärts
die Wangen, die Nase, und die Lippen bis zur Kinngrube einnimmt.
Die Männer schneiden sich die Haare ab, und lassen blos
am Rande der Stirne einen dünnen Kranz, so wie am Hinterhaupte
*) Da die Tätowirung nach und nach vorgenommen wird, so sieht man die Flecke,nach
verschiedenem Alter in verschiedener Ausdehnung. Die Nase wird am spätesten, die Mundgegend
am frühesten tatowirt. Bei älteren Individuen erblickt man als letzte Zuthat dieser
seltsamen Verschönerung noch zwei gerade Linien von der Nasenwurzeil parallel aufwärts nach
dem Scheitel gezogen, oder ein Netz von gekreuzten Linien, das von den Schläfen an die ol^r-
ste Ecke des Fleckes im Gesichte hinzieht. Früher soll es allgemeine Sitte der Passes gewesen
seyn, auch die Unterlippe zu durchbohren, und mit einer Taboca (einem Holzzäpfchen)
zu zieren, was ich jedoch* an keinem mehr sah. Die Ohrenlappen hingegen sind durchlöchert,
und sie trogen darin ein anderthalb Zoll langes Stäbchen von dem glatten Stengel der Maranta.
einen dünnen Büschel stehen. *) Die Weiber tragen das Haar lang,
was ihnen, besonders wenn sie sie frei herabhängen lassen, zugleich
mit der Malha, einen wahrhaft kriegerischen Ausdruck giebt; und O r e l -
l a n a ’s Soldaten hatten, wenn ihnen solche Heroinen begegneten, volle
Ursache, sie mit dem classischeii Namen der Amazonen zu bezeichnen.
Die Frau des Principals A lb ano hatte eine so regelmässige Bildung, so
glänzendschwarze Augen, und ein so vorteilhaftes Ebenmaass, dass sie
mit ihrem blauschwarzen Mäulchen in Europa Epoche gemacht haben
würde. Auch in ihrer Tracht, die sie jedoch nur beim Erscheinen
von Fremden anziehen, sind die Passes reinlich. Die Weiber waren
grösstentheils in Röcke von gestreiftem Zeug, und in enge Camisole,
mit kurzen Aermeln, von schwarzgefärbtem Baumwollentuche, die Männer
wenigstens in ein Oberhemd gekleidet. Einer von diesen trug einen
Maraquetan gegen Verhexung am Halse. (Fig. 5o. der indianischen
Gerätschaften.) Es ist diess der dickste Theil, aus einer grossen Flussmuschel
oder aus einem Wirbelknochen des Lamantin geschnitten. Die
Gemütsart dieses Stammes entspricht ihrem vorteilhaften Aeusseren:
sie sind gelehrig, sanftmütig, offen, friedfertig, fleissig, und aus dieser
Ursache von jeher von den Ansiedlern zur Bearbeitung ihrer Pflanzungen
gesucht gewesen; eine traurige Zuneigung, da sie die Auflösung des
Stammes grossentheils schon zur Folge gehabt hat. Sie bewohnten
anfänglich einen bedeutenden Landstrich zwischen dem Igä und dem
*) Diese Art das Haar zu schneiden und die ganze Körperbildung der Passés erinnert an"
die Caraiben von Cari, von denen Hr. v. Humboldt, eine so günstige Schilderung gemacht hat
(Eclat. III. Chap. 25.). Bei dem ersten Anblick jener wohlgebildeten Passés hatte ich es mir
möglich gedacht, dass sie der Rest eines zwischen den übrigen Indianerstämmen eingedrungenen
Volkes seyen. Wenn der Name Caraiba, wie der eben erwähnte grosse Reisende bemerkt,
von Calina, Caripuna, hergeleitet werden muss, so ist es wohl auch sehr auffallend, dass Spix
in Olivenza nicht weit von den Passés und zugleich mit Tecunas eine Horde Culino gefunden
hat, und dass alle diese Indianer in ihrer schöneren Körper- und Gesichtsbildung, im Schnitte
der Haare und in dem Gebrauche enger Fussbinden mit den Caraiben Übereinkommen. In der
Tupf heisst Caryba' ein mächtiger Fremdling; (diePortugiesen nannten sich selbst so im Gegensatz
der Franzosen und übrigen Europäer, die sie Tapuy- tinga, d. i. weisse Feinde, hiessen.)
Veigl (a. a. 0 . S. 572.) leitet Caraiba vomTupiworte Carayp, weihen, her, gleichsam die Geweihten,
Auserwählten, (vojuijuoi)-
III. Theil. 153