was man oft nur durch die Luchsaugen des begleitenden Indianers entdeckt — so giebt es
kein Mittel zu ihr emporzusteigen, denn selbst der kühnste Sohn des Waldes fürchtet die
bösen Ausdunstungen und Säfte des Schlinggewächses, an dem er sonst wohl mit Gewandtheit
emporklimmen könnte, und die benachbarten Bäume starren von Stacheln oder wimmeln
von Ameisen, • deren bösartigem Bisse Geschwulst und Fieber folgen. Versucht man
die Ranken herabzureissen, so erfährt man bald, wie eitel diese Anstrengung sey, denn in
ungeheurer Ausdehnung hat sich das wuchernde Büschtau durch dfe benachbarten Wipfel
verschlungen, und das gespannte Laubgewölbe wird von vieler Menschen Gewalt kaum in
Bewegung gesetzt. Selbst die Wuth des Orcäns versucht sich umsonst an^diesem dicht
verbundenen Blätterbau. — Es giebt endlich noch eine Form von Schlingpflanzen, den Rankengewächsen
ähnlich, welche sich in nördlichem Breiten zu Hecken vereinigen, oder das
Unterholz der Waldungen verflechten. So wie der wilde Weinstock, der Hopfen, ,die Zaunrübe
, die Trichterwinden in der europäischen Landschaft eine malerische Rolle übernehmen,
treten in America’s Tropenländern eine Unzahl rankender Gestalten auf, und die Schattirun-
gen ihres vielförmigen Laubes?vdie Pracht ihrer feuriggefärbten und wohlriechendenBlüthen
verleiht der Gegend ganz vorzüglich jenen Ausdruck von Fülle und Reichthum, den heisse
Länder vor andern voraushaben. Wer mag sie alle nennen,’ diese üppigen Kinder einer
schöpferischem Sonne: die Passifloren, auf deren Blumen jede Farbe verschwendet ist, die
honigduftenden Paullinien mit zartem, vielgefiedertem Laube, die Bougainvillaen mit rosCn-
rothen Blüthentrauben, die Aristolochien*;, deren düstergefärbte Blumen über das gewöhnliche
Maass bis zum Ungeheueren ausgedehnt sind, die zahllosen Arten von Winden, von
Kürbisspflanzen, .vonEchites und andern Apöcyneen mit Milchsäften und mit stattlich gefärbten
Blüthen, die Banisterien, deren Blumen, gleich farbigen Sternen, über das Laub ausgegossen
sind,', die blendend bunten Geschlechter von Allaplectus, V llo a , Eccremocarpus, Mendo-
zia , Bignonia u. s. w., die sich bald, Parasiten ähnlich, über Stämme hinziehen, bald zu
dichten Gehägen und Guirlanden verschlingen, und mit, der Einfalt der Natur kunstreiche
Wände und Tapeten wirken, auf denen sich die fröhlichen Sänger des Waldes schaukeln.
In diesem bunten Gewirre. von Formen hat die Schöpferkraft alle Stufen der Rankenbildung
dargestellt: vom dünnsten Faden, der sich am Ende eines Blattes schraubenförmig zusammenrollt,
bis zum Baume, dessen gewaltige Aeste, gleich Riesenarmen, den Nachbar umschlingen.
Wenn an diesen Gewächsen die Mannichfaltigkeit in der Form eines jeden Organes
ergötzt, so finden wir dagegen bei den M y r t e n - und L o r b e e r b ä u m e n geringen Wechsel
der Gestalten, ungeachtet einer' grossen Zahl von Arten. Die bisherigen botanischen
Entdeckungen im tropischen America lassen schliessen, dass jede dieser beiden Pflanzenfamilien
dort vielleicht durch mehr als tausend Arten repräsentirt werde; aber diese Arten
sind' sich in Bildung der Blätter und Blumen verwandt, und schmelzen in der Landschaft
zu einem einzigen, um so frappanteren Zuge zusammen: das glänzende Laub zu weichen Um-
*) Aristolochia gigantea, Mart. Nov. Gen. t. 48- hat eine fast Fuss lange Blume) am Magdale-
nenstrome wächst Aristolochia cordifolta. Humb. , deren Blumen den Knaben statt Mützen zum Spielzeuge
dienen, v. Hum . Ansichten S. 47.
rissen gruppirt, und wegen der Härte der Blätter und der kurzen Blattstiele ohne Bewe-
gung, nur durch starken Wind zu erschüttern; die Myrten, im Frühlinge mit zarten Sternen
von weissen Blumen übergossen, ein Bild unserer blühenden Obstbäume; die Lorbeeren,
mit unscheinbaren Blüthen versehen, aber um so reicher glänzend im Schmucke des
immergrünen Laubes. Diese schönen Bäume und Gesträuche vertreten die europäischen
Weiden - und Oelbäume; aber sie verleihen der Landschaft noch mehr Ruhe uud Stille.
Süsse Melancholie beschleicht den Reisenden auf den klaren Sandufern des Rio Negro, wo
gewürzige Lorbeeren regungslos'über die dunklen Fluthen in die h e i s s e s t i l le Luft aufra-
g en* — Wenn die Sonne untergeht, und ein milder Duft sich auf die Thäler und Hochebenen
des brasilianischen Minenlandes herabsenkt, dann treten die Bilder der .blühenden Myrten
näher heran, welche die blumenreiche Flur umhegen, und die Schwermuth des Ortes
versetzt uns nach jenen ^düstern Gefilden des Orcus, wo ein sinniger Dichter des Alterthums
die Schatten der Liebesiechen unter Myrtengesträuche umherflattern lässt. (Virg. Aen. VI. v.
439* fl*)— America ist reich an köstlichen Früchten aus der Familie der Myrten. Die Gojaven
(Psidium) sind ein durch^dieTropen der ganzen neuenWelt verbreitetes, eben-so schmackhaftes
als gesundes Obst. Die spanischen Conquistadores fanden sie auf den Antillen,- und
auch auf demFestlande ist ihre Cultur sehr altbeidenUrein wohnern, wofür man unter And erm
spricht, dass die Früchte bisweilen die Saamen gänzlich verlieren. Alle diese aromatischsüssen
Früchte werden durch die Künste einer fortgesetzten Cultur noch veredelt werden,
und, gleich den ostindischen Obstarten, eine sorgsame Pflege durch erhöhteren Wohlgeschmack
und reichere Formen belohnen*). Die Gruppe der Lorbeerbäume liefert den Ureinwohnern
vor Allein leicht zu bearbeitendes Holz, woraus sie Hausgeräthe und Kähne verfertigen
und ihre Hütten zimmern; . überdiess mancherlei köstliche Arzneien, und selbst
Nahrung in dem erquickenden Fleische des Abacate (Persea gratissima, Gär tri.), und in
den stärkmehlreichen Saamenkernen des Laurus Chloroxylon, Sw.
Die H u l s e n f r ü c h 't e r (Leguminosae).. .Eine der grössten Pflanzenfamilien, reich an
wechselnden Gestalten, über die ganzeErde verbreitet, aber zwischen den Wendekreisen an
Form und Zahl am meisten entwickelt. Der neuste Monograph, Hr. de Candolle, zählt davon
3725 Arten auf, von welchen nicht weniger als 1190 dem neuen Continentc zukommen.
In der alten Welt sind viele Hülsenfrückter aus der Gruppe der sogenanntemSchmet-
terlingsblumen (Papilionaceae) seit Jahrtausenden Gegenstand der Pflege auf Feldern und
in Gärten, und man kennt ihr ursprüngliches Vaterland eben so wenig, als das der Getreidearten.
Dagegen haben die Urvölker America’s niemals weder Bohnen, noch Faseln,
*) America hat seine wohlschmeckenden Gojaven, Psidium pomiferiim, pyriferum, L . , aromaticum
Alibi. , Cattleyanum, Sabine, Eugenia cauliflorär, M ., E. Michelii, Lam., (die köstliche Pitanga Brasiliens)
u. s. f. zum Theile bereits an Ostindien mitgetheilt, und dafür zugleich mit der trefflichen
Manga, auch den balsamischen Rosenapfel, Jambosa vulgaris, de Cand., erhalten. — Wenn die Früchte
der neuen Welt im Allgemeinen nicht so edel sind, als die der alten, so dürfen wir den Grund
dieser Erscheinung lediglich in dem Mangel an Pflege erblicken, während die Obstarten Asiens bei
den Hindus und Chinesen seit Jahrtausenden Gegenstand der Cultur sind.