daher fast gänzlich im Schatten der Urwälder,, wo nur einige Arten von Rhipsalis und Epiphyl-
lum parasitisch auf Bäumen erscheinen; dagegen herrscht sie in steinigen, von Waldvegetation
cntblössten Landschaften, sowohl in geringer Erhebung, über dem Ocean, als in beträchtliche
Hohen ansteigend. Die kurzen Wurzeln drängen sich in die Klüfte der verhärteten
Lavaströme, welche von den Vulcanen Mexico's ausgegossen worden sind, sie haften
auf den Trachytfelsen von Quito oder umklammern das Kalk- und .Granitgestein der kahlen
Ebenen von Venezuela, Ciarä und Pemambuco. In diesen trocknen Gegenden, über welche
ein reiner und tiefblauer Aether ausgespannt ist, erheben sich die unförmlichen Stämme,
vielmal die Höhe eines Menschen überragend; regungslos starren die blattlosen Massen
empor, und ihr bläuliches Grün contrastirt.ebenso mit dem warmen Colorit der Landschaft,
als die steifen Umrisse selbst gegen die schmiegsamen, milden Formen der übrigen Tropen-
vegetation abstechen. - Blätter sind bei diesen Gewächsen gar nicht, oder nur unter der
Form kleiner Schuppen vorhanden, aber die gesammte Oberfläche der Stämme, mit zahlreichen
Spaltöffnungen-in der Oberhaut versehen, besorget einen thätigen Athmungsprocess,
und die Gewächse erfüllen sich, obgleich die Wurzeln nur wenig Eeuchtigkeit^uführen können,
mit einem überaus saftigen Zellgewebe. Dieses Pflanzenfleischist oft die einzige Nahrung
für das-Rindvieh, welches in den dürren Fluren weidet, und die Wanderer pflegen
solche vegetabilische Brunnen mit dem -Waldmesser zu öffnen, damit sich die durstigen
Thiere nicht durch die furchtbaren Stacheln verwunden mögen, womit die meisten Cacteen
besetzt sind. Wundersam mannichfaltig sind diese Waffen, wie überhaupt die einzelnen
Formen* unter denen das Wesentliche dieser Pflanzenfamilie stets wiederkehrt. Die Melonen
und die Sternnopale (Melocactus, Echinacactus) gleichen plumpen Scheiben, vom
Centrum aus in regelmässige Furchen vertieft, und mit einem Apparate hornartiger Stacheln
besetzt, die in Form, Richtung, Grösse und Farbe, wechseln. In einem gewissen Alter füllt
sichtder Mittelpunct mit einem purpurrothen Filze, aus welchem Blumen hervorbrechen.
Die Säulennopale rügen bald, colossalcn Candelabern vergleichbar, mit mächtigen Armen
empor, bald vereinigen sie sich, in dichten Reihen zusammengedrängt, zu senkrechten Wänden,
mit weissen Zotten oder langen Stacheln bekleidet, bald hängen s ie , zu schlanken,
biegsamen Formen zusammengezogen, bewaffnet mit scharfen Borsten, Schlangen oder Stricken
ähnlich, von Felsen und Gemäuer herab. Nicht minder frappant treten die Tunas
(Opuntia) auf, jene unförmlich dicken, gegliederten Gesträuche, die, nach allen Richtungen
hin verästelt, sich zu undurchdringlichen Wällen und Hecken ausbreiten. Diese Formen
sind es, welche wie im südlichen Europa so in den Tropenländern zu Befriedigungen gepflanzt
werden. Auf den Antillen hat man sie auch statt der spanischen Reuter in grosser
Ausdehnung um Befestigungen vervielfältigt. Auf den Tunas lebt das kleine Insect (Coccus
Cacti, L . ) , welches getrocknet den edlen Farbestoff der Cochenille liefert.
Alle diese Gestalten sind geziert mit grossen Blumen, die in dem entschiedensten
Gelb, Roth und Weiss prangen. Zwar minder augenfällig, aber vielleicht noch wunderbarer,
wegen des Reichthums von Combinationen, in denen sich die Architectur gefällt, erscheinen
die Warzennopale (Mammillaria) : kuglige oder cylindrische Massen, mit dichten
Spiralen vielfachgeformter Warzen und Stacheln besetzt, und hie und da mit einem Kranze
zarter Blumen gekrönt. Mexico scheint das Land, worin die zahlreichen Formen der Nopa-
Ie am Besten gedeihen; von dort her stammt der Name dieser Gewächsgruppe und die Cul-
tur der Cochenille, womit schon die alten Azteken den Saum fürstlicher Gewänder färbten.
Fast möchte man behaupten, dass die Denkmäler einer frjjhen Gesittung, welche von jenem
Volke übrig geblieben sind, mit dem seltsamen Charakter •übereinstimmen, den die Cactus-
pflanzen der Landschaft verleihen. Mexico hat einen Nopalstamm, über dem ein Adler emporschwebt,
zum Wappenbilde genommen, und wenn diess Gewächs die Kraft symbolisirt,
wodurch beharrlicher Fleiss auch das todte Gestein zu • vielgestaltigem Leben erwecken
kann, so erscheint das Sinnbild gut-gewählt für einen jugendlichen Staat, der sich aus ungünstigen
Elementen zur Selbstständigkeit entwickeln muss*).
An den Cactusgewächsen bewundern wir vor Allem die eigentliümliche Gestalt; andere
Pflanzen der Tropenländer impóniren uns durch die Gewalt ihrer Masse. W ir treten
in einen-jener Urwälder, worin die Natur nöch ungestört ihre Riesenkraft dem Baue pflanzlicher
Ungeheuer widmet,- und, wit? sonst beim Anblicke des Elephanten oder des Wallfisches,
werden wir auch hier vom' Bilde überschwenglicher Zeugungskraft niedergedrückt.
Da stehen sie, diese himmelhohen Stämme, neben welchen unsre Eichen.wie Zwerge verkümmern,
Zeugen einer undenklichen Vorzeit, felsenfest in den Boden gewurzelb-, und mit
tausend Aesten ein Labyrinth von Gewölben ausbreitend, durch dessen Dunkel kein senkrechter
Sonnenstrahl dringet! Sollen wir mehr die Fülle des immergrünen Laubes bewundern,
mehr die Masse und Härte des Stammes, d e r , wie ein ungeheuerer, vielgestaltiger
Krystall aus dem lebensreichen Erdreich aufgeschossen, an Schwere und Dichtigkeit mit dem
Gesteine selbst zu wetteifern scheinet? Wie hat dieser majestätische Bau sich Jahrhunderte
hindurch entwickelt, wie wird er noch Jahrhunderten trotzen 1 Wie eng und kurz für die
Lebensäusserungen eines solchen Riesenbaumes sind die Perioden, die wir in dér Geschichte
unseres Geschlechtes kennen! Bis mancher dieser uralten Stämme, seine volle Gestaltung
gewinnend, vom Gipfel an bis zu den untersten Aesten sich mit Blüthen und Früchten
bedeckt**), mögen nicht nur Generationen •— mögen ganze Völker vergangen, Sprachen ent*)
Wir führen von den verschiedenen Formen der Nopalgewächse folgende vor: Tab. II. vi. 1.
Cereus scopa, Dyk., ein vielkantiger, aufrechtstehender, einfacher Säulennopal, mit langen Haaren
und Stacheln überdeckt. 2- Cereus Jamacarii,DC., einer der gemeinsten, und grössten Nopalbäume
in Brasilien, mit grossen, essbaren Früchten. 3. Opuntia Tuna, THiZZ. und Ficus^ indic'a, Haw. 4.
Mammillaria coronata, Haw. 's. Cereus pentagonus. Haut. 6.' Opuntia minosissima, UHU. Daneben
haben wir noch jene Euphorbia phosphorea (Reise II.’ S. 612. u. 726.) abgebildet, deren ausströmende
Milch einen Phosphorschein von sich giebt. Diese blattlose und strauchartige Form der Wolfsmilchgattung
schliesst sich an! die Gacteen an. Ihr ähnliche Gestalten machen einen Hauptzug in der Physiognomie
der africanischen Flora aus, und vertreten dort die, ursprünglich fehlende, Form der Nopale.
**) Auch in unsere Wäldern , macht man die Bemerkung, dass der ganze Baum, vom Gipfel bis
zu den untersten Aesten, nur selten blühet und IVüchte, reift. Gewöhnlich ist es nur die Krone, welche,
zur erregenden Einwirkung der Sonne hindurchgedrungen, die Fortpflanzung übernimmt, und
je dichter der Wald, um so höher muss der Stamm treiben, um som e h r der unteren Aeste muss
er abwerfen, bis er Saamen auszubilden vermag. (Ein Baum im Freien, überall der Sonne ausgesetzt,
wirft minder ab , und trägt eher reifen Saamen.) Nun aber gelangt in den Tropenländem je