dessen Fall hörbarer uns entgegenbrausste, und gelangten an die Stelle,
wo wir unsere arbeitenden Leute verlassen hatten, ganz durchnässt
vom Regen, zitternd von Frost und hungerig. Zu unserm Erstaunen
fanden wir Alles stille, ohne Zeichen ihrer Gegenwart. Sie hatten eine
Sandbank oberhalb der Katarakten zum Bivouac bezogen. Nach vielen
vergeblichen Versuchen gelang es, ein kleines Feuer anzuzünden, und
wir Hessen die begleitenden Indianer mit den glühenden Spänen vorausgehen,
um uns den gefährlichen Weg über die Klippen zu erleuchten.
Diese mussten überstiegen oder umgangen werden, um oberhalb des
Falles wieder an den Strom zu kommen. Je weiter wir uns von ihm
entfernten, und in die Nacht eines verwachsenen Waldes vordrangen,
um «o gefährlicher ward der Weg. Bald fielen wir in ein Loch der
Klippen, bald stiessen wir den verwirrten Schädel an einer scharfen
Kante an, stolperten über eine Baumwurzel oder verwickelten uns in
die stachelichten Windungen der Salsaparilha. Dieäe nächtliche Wanderung,
bei fortdauerndem Regen, in der Gefahr auf Schlangen oder
ein anderes Unthier zu stossen, gehörte unter das Bedenklichste, was
mir je begegnet war. Plötzlich standen die Führer stille, und wir sahen
uns am Rande eines tiefen Felsenabhanges, wohin wir uns, zu
weit vom Strome ab, verirrt hatten. Endlich gelangten wir an diesen,
und erblickten ein fernes Feuer, von wo aus die Wracke unsern Ruf
vernahm und Nachen herbeischickte. Spat nach Mitternacht kamen wir
in dem Bivouac an, dessen Feuer schon spärlich brannten. — W ir waren
nun durch eine natürliche Grenze von dem unteren Stromgebiete
des Vupurä, und somit von dem des Amazonas, getrennt. Ich durfte
annehmen, mich jetzt in einem vom Hauche europäischer Civilisation
noch unberührten, den Ureinwohnern America^ unbestrittenen, Lande
zu befinden. Es lag etwas Reizendes in diesem Gedanken; und die
Umgebungen einer wilden Natur und roher Naturmenschen, ja selbst
die Gefahren, die wir vor und hinter uns sahen, verliehen meiner Lage
ein eigentümliches Colorit Die Menschen, mit denen wir hier lebten,
verdienten diesen Namen nur vermöge dessen, was wie ein Krystallisa-
tionspunct im Gemüthe liegt; sie waren gänzlich frei von jener Civilisation,
welche sich im Verlaufe der Gesittung mit tausend Facetten und Farbenschiller
über jenen unveränderlichen Kern der Humanität gelagert
hat. Die Veränderung unserer Umgebung spiegelte sich unter Anderm
auch in der Vegetation am Flusse, welche mehr und mehr andere Formen
aufnahm, je weiter wir uns gen W£d wandten. (Vergl. Anm. 8.)
Zugleich damit war der landschaftliche Charakter verändert: die Bäume
schienen niedriger, mit minder langgedehnten Aesten, daher zu engeren
kuppichten Kronen gewölbt;’ Schlingpflanzen seltener;, besonders häufig
eine Palme, die Baxiuvta barriguda, deren vierzig und mehr Fuss
hoher Schaft in der Mitte tonnenartig angeschwollen ist, so dass dieser
Theil häufig von den Indianern zu Kähnen ausgehöhlt zu werden pflegt.
Im Walde selbst treten viele kleine Rohrpalmen auf, und hie und da
an den zu Tage gehenden Felsen saftiggrüne Büsche von schlingenden
Aronstauden, namentlich von Carludovica, einer zuerst von Peru her
bekannt gewordenen Pflanzengattung. Dieser Wald schien übrigens
jetzt ziemlich leer an Thieren; nur Aff$n von mancherlei Arten Hessen
sich vernehmen, Hocco’s flatterten durch die Gebüsche, und einige grosse
blaue Araras krächzten auf den Firsten der Palmen, worin sie nisten.
Unsere Indianer ruderten zwar fleissig, wie sie diess besonders während
Regenwetters zu thun pflegen; allein wir kamen nur langsam vorwärts,
da der Sfrom im Hauptcanale sehr reissend, ausserhalb aber
von vielen Untiefen durchsetzt war, die oft zu Umwegen nöthigten. In
der Nacht des 10. Januars passirten wir an der Mündung des Miriti-
Parana (Moritzpalmen-Fluss). Sie hatte etwa dreissig Klafter Breite.
Am i2. Januar Mittags erreichten wir Manacuru, eine Ortschaft der
Indianer Ju r i, welche unter ähnlichen Verhältnissen wie die von f^ari-
vau mit den Weissen in Verbindung steht. Auch hier hauset nur ein
geringerer Theil der Einwohner in acht oder zehn Hütten; die Meisten
wohnen zerstreut im Walde. Die Hütten bestehen aus einem Kreise
von Pfählen, der mit Schlingpflanzen überflochten, mit einem kegelförmigen
Dache von Palmblättern gedeckt, und mit einer niedrigen Thüre
versehen ist, wie die der Cauixänas oder der Chiquitos in Paraguay,
welche bekanntlich davon den Namen (der Kleinen) erhalten haben.