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wie durch einen Bruder unsere edlen Freundes zu Mar&nhäo, J ohn
Heskbth, der sich hier in Handelsgeschäften niedergelassen hatte, wurden
wir bald in mehrere Familienkreise, eingeführt. Zahlreiche Beweise
von Wohlwollen haben uns diese gesellschaftlichen Verbindungen un-
vergesslich-gemacht, in welchen wir nicht bloss Erheiterung, sondern
auch mannichfaltige Belehrung fanden. Herr R omualdo de S e ix a s , Ge-
neralvicarius der Provinz, der sein Vaterland auf vielfachen Reisen
kennen gelernt, und seinen erhabenen Wirkungskreis auf das thätig-
ste zur Veredlung der Sitten und zur Vermehrung der Kenntnisse unter
seinen Landsleuten ausgedehnt hatte, ertheilte uns interessante Aufschlüsse
über die Indianer und die Brasilianer im Sertäo von Para und
Rio Negro. Seit jener Zeit, durch das Vertrauen seines Monarchen,
auf den erzbischöflichen Stuhl von Bahia erhoben, hat dieser würdige
Prälat nicht aufgehört, den Herausgeber mit brieflichen Mittheilungen
zu beehren, so dass dieser sich der Gelegenheit freut, ihm öffentlich
die Huldigungen der Dankbarkeit und Verehrung darbringen zu können.
In der Person des Dr. A ntonio Correa de L acerda, Oberarztes (Fisi-
co Mör) des Estado do Gram Para, lernten wir einen trefflichen Schüler
B rotero’s kennen. Eine entscheidende Neigung für Botanik hatte
ihn veranlasst, sich hier nieder zu lassen, und diese Gleichheit der
Studien ward zu einem Bande der Freundschaft. Da die Rossinha nur
eine Viertelstunde nördlich von der Stadt liegt, so war es uns möglich,
noch am späten Abend, wenn wir unsere wissenschaftlichen Untersuchungen
geschlossen hatten, jene Freunde zu besuchen, oder sie bei
uns zu empfangen, und wir konnten uns als Bewohner der Stadt selbst
betrachten.
Santa Maria de Belem (Bethlehem) do Gram Pa ra , oder gewöhnlich
nur P a r i genannt, liegt ohngefahr sechszehn Meilen in gerader
Linie vom Meere entfernt, auf einem ebenen und niedrigen Landstriche
des Festlandes, längs dem östlichen Ufer jenes grossen Stromes,
welcher duroh die Vereinigung der Mündung des Rio Tocantins mit
Gewässern des Amazonensfromes (im Canale Tagipuru) und mit vielen
Nebenflüssen des Festlandes und der Insel von Marajo gebildet und Rio
do Para genannt wird. Derjenige Theil dieser mächtigen, mit einem Archipel
kleinerer Eilande versehenen Wasserfläche, welcher sich nördlich
von der Mündung des Rio Moju zwischen der Insel Marajo und dem
Festlande bis zur Stadt und der Bahia de S. Antonio erstreckt, heisst
Bahia do Goajarä. (Andere bezeichnen mit diesem Worte die von
einigen Inseln unterbrochene, niedrige und bewaldete Mündung des
Rio Guama.') Die Breite des Stroms beträgt hier vom Festlande bis
nach Marajo anderthalbe deutsche Meilen; aber ein Theil des jenseitigen
Ufers wird dem Blicke, durch die Insel Ilha das Ongas von ähnlicher
Ansicht, entzogen, welche gen Westen fast eine Stunde von jenem
entfernt liegt. Südlich von der Stadt vereinigt sich mit jener grossen
Wasserfläche der Rio Guama, ein ansehnlicher Fluss, der von Osten
aus dem Continente herabkömmt. Wegen der Ebene des Landes stellt
sich die Stadt dem Beschauer von der Seeseite ohne alle Tiefe, gleichsam
als aus zwei Häuserreihen bestehend, dar, und der nahe Hintergrund
hoher Urwälder macht bemerklich, wie hier menschlicher Kunst-
fleiss nur mit Mühe der tropischen Vegetation seinen Standpunkt
abgewonnen habe. Von der Seeseite aus erblickt man (vergl. die Ansicht
im Atlas) nahe am Ufer und fast in der Mitte der Häuserreihen
das Kauf- und Zollhaus (Praga do Commercio e Alfandegd), hinter
welchem die Doppelthürme der Kirche das M erces hervorragen. Tiefer
im Lande erhebt sich die Kuppel der S. Annenkirche, und auf der
Nordseite endet die Ansicht mit dem Kapuzinerkloster {de S, Antonio);
an der äussersten Südseite ruht der Blick auf dem CasteUo und dem
Militärspitale, an welches sich das bischöfliche Seminarium und die
zweithürmige Kathedrale anschliessen. Noch weiter landeinwärts ragt
auf jener Seite der Pallast des Gouverneurs, ein würdiges Gebäude
hervor, welches unter der Regierung des Bruders von Marquis Pombal
erbaut worden ist. Wenn nun aber der Ankömmling in die Stadt selbst
tritt, findet er mehr, als jene Ansicht versprach: solide, meistens aus
Bruchsteinen gebaute, Häuser reihen sich zu breiten Strassen, die sich
unter rechten Winkeln durchschneiden, oder bilden mehrere ausgedehnte