den Blättern steht mit dem Bedürfnisse in Verbindung, sich durch diese, insbesondere der
Einsaugung bestimmte, Organe zu ernähren. Daher finden wir starkbehaarte Pflanzen am
häufigsten in der leichteren Atmosphäre der Hochgebirge und in der heissen trocknen Luftschicht
, welche auf den dürfen Sandsteppen Africa’s liegt. Im tropischen America ist die
Entwickelung eines solchen Saugapparates auf eine verhältnissmässig geringere Anzahl yon
Gewächsen (vorzüglich aus den Familien der Lippenblumen, der Horbblüthen, Verbenaceen,
Euphorbiaceen und Nesseln) beschränkt. Die E u p h o r b ia c e e n (wolfsmilchärtige Pflanzen)
bilden bisweilen einen wesentlichen Zug in der Landschaft eben durch ihre, das gesammte
Laub in ein weiches Silbergrau hüllende, Behaarung. So sind die Hochebenen von Brasilien,
Quito und Mexico oft in grosser Ausdehnung mit geselligen Stauden der Gattung Croton
bedeckt, die vom Winde wie ein graues Blättermeer hin und hergewiegt werden. Dasselbe
ist von zahlreichen Gesträuchen aus der grossen Familie der Ko r b b lü th en (Compositae) zu
berichten. In den Hochebenen von Minas Geraes sind insbesondere die Paineiras, Wollstauden,
(Lychnophora, Tab. II. x.) von auffallender Tracht: niedrige Bäume, dei$n aufwärts strebende
Aeste mit einem so dichten vveissen Filze überzogen sind, dass sie. wie Lampendochte
brennen. Unter den N e s s e ln > (U r t ic a e e a e ) erscheinen grossartige Formen, ausgezeichnet
sowohl durch die Gestalt und-Fülle ihres Laubes als durch dessen weissliche Behaarung;
so vor allem die Cecropia - Bäume (C.peltata, L . , und palmata, TVilld.)y,welche, der
neuen Welt ausschliesslich eigen, auch eine ganz entschiedene Stelle im Gemälde der ame-
ricanischen Tropennatur einnehmen. Ein schlanker Stamm, gleich unserer Birke mit weis-
ser Binde bekleidet, in die Quere geringelt, streckt die leicht geschwungenen Aeste wagerecht
von sich, und die Blätter, oft so gross, dass ein einziges zum Sonnenschirm dienen
mag, gelappt, oben hellgrün, unten mit weissem Filze überzogen, breiten sich, auf langen
Stielen, am Ende dieser.Aeste aus. An den lichten, sandigen Ufern der Flüsse, zwischen
Gebüsche und niedriger Waldung» vertritt dieser seltsame Baum die Stelle der europäi-
schen Pappel und Erle. Im DunSel der Urwälder sind es mancherlei Feigenbäume, welche
die Gruppe der Nesseln repräsentiren. Ihre Stämme wachsen, zu gewaltiger Höhe und Dicke
an, und in dichtem dunkelgrünen Laube prangend, sind sie eine Zierde der Gegend.
Klein und ungeniessbar , ja manchmal giftig sind die Früchte dieser tropischen Feigenbäume,
aber ihr weiches Holz liefert mancherlei Hausgeräthe. Die gigantischen Stämme sind erfüllt
mit Milchsaft, d er, von selbst aus der Kinde hervorquellend, sich zu langen Schnüren
und Seilen von Federharz verdichtet und wie ein Mantel herabhängt*). — Zu der Familie
*) Ein solcher Ueberfluss des organischen Bildungssaftes ist gewöhnlich in den Tropenländem
und bezeichnend für die Thätigkeit der hier waltenden Lebenskräfte. So ergiessen der Kuhbaum
(Brosimum Galactodendron, Don.) in Carracas, der Hya-Hya in“ Demerary eine Fülle süsser, geniesbarer
Pflanzenmilch, die Sorveira am Amazonas, Collophora utilis, Mart., einen zähen Milchsaft, der
zur Bindung der Farbstoffe verwendet wird. In Ostindien bieten die merkwürdigen Wasserschläuche
des Nepenthes dem Wanderer ein süssliches Wasser a n , und ein vegetabilischer Born ist in der Phy-
tocrene gigantea, Wall, (aus der Gruppe der Araliaceen) verschlossen, welcher, eröffnet, in reichlichem
Maasse einen trinkbaren Saft ausgiesst. Wir schweigen von dem ähnlichen, den in geringerer
Fülle die, Thoa urens, Alibi., im Amazonaslande und in Gujana, ergiesst, oder von dem Milchsäfte des
Sandbüchsenbaume6 Hura crepitans, L.), womit die Indianer die Fische betäuben, und von dem der
Siphonia elastica, Rieh., welcher verdichtet unser gewöhnliches Federharz darstellt.
der Nesseln*) gehört auch der Brodbaum (Artocarpus) , an dessen colossalem Stamme und
dicken Aesten jene kugelrunde grosse Frucht hängt, welche die Hälfte des Jahres hindurch
fast ausschliesslich die Nahrung mancher Südsee-Insulaner ausmacht. Zwar ist der Brodbaum
der neuen Welt ursprünglich fremd, jedoch haben die Portugiesen vorzüglich die
asiatische Art (A. integrifolia, L.) •häufig nach Brasilien verpflanzt, und in der Nähe
der Hauptstädte wird das Auge des Fremden picht selten vom Anblicke des merkwürdigen
Baumes überrascht. Amerita besitzt aber ein’ Gegenstück in den Papayas (Carica
Papaya, L . Tab. II. f. vih'.), Bewohnern seiner heissen Urwälder, aus welchen sie, schon
seit undenklichen Zeiten in die Hütten der Indianer auf den Antillen, wie in Peru, Venezuela
uud Brasilien, verpflanzt worden. Diese rohen Urmenschen scheinen sogar den Unterschied
zwischen männlichen und weiblichen Pflanzen bemerkt zu haben, indem sie vorzüglich
die letztem ihrer Pflege würdigten. Zwar erhebt sich der. Papayabaum nur zu einer
unbeträchtlichen Höhe von zwanzig bis dreissig Fuss, dennoch , aber gehört er unter die bezeichnenden
Formen der americanischen Pflanzenwelt. Ein einfacher oder wenig getheilter
Stamm, an den Enden grosse, tieflappige, denen des Feigenbaums ähnliche Blätter, und
unter diesen,-? dicht angedrängtkürbissartige Früchte tragend, scheint gleichsam das W e sen
der Kürbisspflanzen und der Passifloren an sich zu vereinigen. Diese Gewächse mögen
uns Veranlassung geben, hier auch von der allgemeinsten Nahrungspflanze des neuen'Con-
tinentes, der Juca oder Mandiocca (Manihot utilissima u. M. Aypim, Pohl. Tab. H. f. v.)
zu sprechen. Es scheint jetzt ausser allem Zweifel zu liegen, dass diese nützliche Pflanze
ursprünglich im tropischen America zu Hause sey **). Wenn sie auch in Africa cultivirt
wird, so hat man doch' keine Spur, dass sie dort einheimisch und mit den Negern nach
Amei'ica verpflanzt sey; vielmehr weist die grosse Zahl von mehr als vierzig, mit indianischen
Namen bezeichneten, Spielarten, deren Anbau hier üblich ist, und die Auffindung
einer kleinen, ärmlichen Form, welche wild vorkommt (Manihot pusilla, Pohl.) darauf
hin, dass diese Pflanzenarten nicht nur schon vor der Entdeckung America's dort gewachsen,‘'
sondern auch von den Ureinwohnern "schon sehr lange angebaut worden seyen. Wenn
man bedenkt, wie geringe die Sorgfalt und Pflege ist, welche diese ihren Pflanzen zuwenden,
so wird man anerkennen müssen, dass nicht Jahrhunderte, dass nur Jahrtausende jene
vielen Abänderungen in der Organisation >der Pflanze hervorbringen konnten, die man jetzt
zum Theile erblich an ihr wahrnimmt. Die freien Indianer pflanzen die Mandiocca nur unregelmässig
hie und da in ihren Waldschlägen, und erndten die Stöcke einzeln nach Be-
*) Die Gruppe der Pfeffergesträuche (Piperaceae), welche mit den Nesseln verwandt ist, verdient
hier auch Erwähnung; denn diese knotigen, mit abwechselnden Blättern besetzten Bäumchen und
Stauden nehmen vorzugsweise Theil an .der Bildung des dichten Unterholzes in den Wäldern. An sie
reihen sich im tiefsten Schatten, an Fclsgehängen, über welche kühle Quellen herabträufeln, die
Gruppe der Begonien, Bewohner der beiden Welthälften. Ihre saftigen, an Oxalsäure reichen, Stengel,
die Blüthenrispen von zartem Weiss oder Roth, und die am Grunde ungleichen Blätter machen
sie zu einer der seltsamsten tropischen Pflanzengestaltcn.
**j Dahin berichtigt sich die zuerst von Raratx aufgestellte, von uns (Reise, II. S. 507.) berührte
Meinung, dass die Mandiocca africanischen Ursprungs sey.