Die übrigen Theile der Bevölkerung von Para bieten allerdings erfreulichere
Verhältnisse und Hoffnungen dar. Der unruhige Geist der
ersten Ansiedler musste sich allmälig verlieren, als Pombal, der die
Wichtigkeit dieser Provinz würdigte, die Auswanderung aus Portugal
und den Inseln vorzüglich hierher leitete. Die Ilheös haben im Allgemeinen
das Lob grosser Thätigkeit, Massigkeit, Einfachheit, Biederkeit,
und stechen durch den Mangel an Förmlichkeit sehr von den Portugiesen
ab. Neben diesem Verhältniss der Einwanderung hat wohl auch
das Klima seinen Einfluss in. hohem Grade geltend gemacht ,■ um eine
gewisse Ernsthaftigkeit und Ruhe in der Gemüthsart auszubilden. So
ist denn gegenwärtig der Zustand ruhiger Sitte und harmloser Behaglichkeit
an dem Bürger von Para unverkennbar. Er ist von phlegmatischem
Temperamente, ohne die tiefgreifende Leidenschaftlichkeit seiner
Nachbarn in Maranhäo und Pernambuco, verständig und wohlwollend.
In keiner Stadt Brasiliens geniesst der europäische Ankömmlinge der
ohne Vermögen sich eine Existenz zu gründen sucht, sobald er sich
nur zu Industrie hervorthut, gleiches Zutrauen, gleiche Unterstützung.
Man rüstet ihm Schiffe nach dem Innern aus, belädt sie mit anvertrau-
ten Waaren, und freut sich, wenn er, nach einigen Fahrten, Mittel
erworben hat, sich selbstständig niederzulassen. Die Unruhen, welche
bald nach unserer Abreise, auf Veranlassung der politischen Katastrophe
in Portugal ausbrachen , waren nicht aus der Bürgerschaft, sondern
aus einigen Haufen des missleiteten Pöbels hervorgegangen, und die
erstere bewies durch die Wahl redlicher und wohlwollender Männer,
welche sie an die Spitze der Regierung stellte, dass sie ihre wahren
Interessen nicht verkenne. Bei dieser ruhigen Gemüthsart, und der
daraus hervorgehenden Beschränkung, wird man hier weder die geistreiche
Beweglichkeit des, im Verkehr freien und lebhaften Pernambu-
caners, noch die rührige Handelsthätigkeit des practisch derben Bahia-
ners, noch die ernste Feinheit des Maranhotten, die abgemessene ritterliche
Artigkeit des Mineiro oder die gutmüthige Laune des offenen
Paulista wiederfinden. Der Paraenser ist ein Mensch des Südens, dem'
der Strahl der Aequatorialsonne jene eigenthümliche Schärfe der südlichen
Temperamente abgestumpft hat. Stimmung, gesellschaftliche Bildung
und geistige Bedürfnisse der weissen' Einwohner sind gleichsam ländlicher,
als in den volkreicheren und von einem grösseren Handel be wegten
Städten im Süden Brasiliens. Die Mulatten gleichen sich auch hier:
dasselbe leicht entzündliche, vielbewegliche, zu jeder Unternehmung bereite
, der Ruhe abholde, nach glänzender Anerkennung strebende Geschlecht.
Ihm ist Spiel, Musik und Tanz befreundet^ und es bewegt
sich, unersättlich im Genuss, mit gleicher Leichtigkeit wie die Stammverwandten
im Süden, zu den monotonen schwirrenden Klängen der
Guitarre, im wohllüstigem Landum oder in der zügellosen Bäducca. In
der höheren Gesellschaft ist man jedoch eher derrt Spiele als dem Tanze,
einer hier erschöpfenden körperlichen Bewegung, geneigt; und ein junger
Mann, der, wie in Minas und Bahia, den Nagel eines Fingers zu monströser
Länge anwachsen Hesse, um ihn beim Schlagen seiner Viola zu
gebrauchen, würde sich kaum des Spottes der Gesellschaft erwehren.
Man hat bis jetzt kein Theater , noch ähnliche allgemeine Volksbelustigungen
und Bildungsmittel. Nur in der Kirche hört man Gesang von
schönen Männerstimmen, mit würdigem Ernste vortragen. Ueberhaupt
aber möchte ich glauben, dass der Bewohner dieser Aequatorialgegend
stummer und unmusicalischer'sey, als der von höheren Breiten; wie
denn eine feierliche Schweigsamkeit hier durch die ganze Natur herrscht,
die vielleicht vor jeder andern stille und innerliche Genüsse der Beschau-
Hchkeit und eines sich tief versenkenden Studiums begünstigen möchte.
W ir sprechen hier eine der allgemein herrschenden entgegengesetzte
Meinung aus, da wir selbst in diesem unter der- Gluth des Aequators
gelegenen Landstriche nicht selten Zeuge einer ungewöhnlich schnellen
Fassungskraft, eines äusserst fruchtbaren Gedächtnisses und einer hohen
literärischen Bildung bei Individuen waren, welche sie sich
fast ohne Zuthun und Hülfe von Aussen erworben hatten. Mathematische
und philologische Studien finden hier viele Freunde. Ein Beispiel
von dem literärischen Fleisse, dessen man auch hier fähig ist, giebt
unter Andern der ehemalige Bischof von Para, D. Caetano Brandüo,
später Erzbischof von Braga, und Primaz von Portugal, einer der