hern Bildungsstufe gestanden haben, aber, einander näher wohnend,
gewisse Ideen auf so gleichförmige Weise ausbilden konnten, wie wir
sie gegenwärtig auf eine höchst überraschende Weise durch ganz Brasilien
ausgestreut sehen. Der Indianer kennt fast überall drei Arten
von bösen Geistern: J u ru p a r i, Gurupira (C oru pira) und Uaiuara. Die
Bezeichnung J u ru p a r i findet sich am allgemeinsten durch ganz Brasilien
bei allen Indianern, welche die allgemeine Sprache sprechen5 wo
der Gebrauch derselben aufgegeben worden ist, tritt dagegen der portugiesische
Name D em o n io , böser Geist, Teufel, ein. Fast alle noch
wilden Stämme besitzen dafür in ihren eigenen Sprachen gleichbedeutende
Ausdrücke. Es verdient bemerkt zu werden, dass dieser Juru p
a r i , so wie das griechische Daemon, in vielen Sprachen zugleich die
einzige Bezeichnung für Geist oder Seele des Menschen ist. Die Natur
desselben ist böse, und er thut sich den Menschen in allen ungünstigen
Schicksalen kund, denen sie ausgesetzt sind. Seuchen, reissende Thie-
r e , schädliche, elementarische Einflüsse werden von dem Indianer nicht
etwa als durch den bösen Geist gesendet, sondern als dieser selbst in
concreter Erscheinung gedacht. Dem P a j é wird nicht selten ein unmittelbarer
Verkehr mit dem Ju ru p a r i und die Fähigkeit zugeschrieben
ihn herbeizuschwören. Jedoch erscheint der Dämon niemals in menschlicher
Gestalt; er verschwindet eilig wieder, und berührt somit nur
flüchtig, gespensterhaft, die Schicksale der Menschen. '*') Diese Verhältnisse
und der Umstand, dass viele indianische Stämme, wenn sie,
nach priesterlicher Belehrung, einen Ausdruck für die Gottheit suchen,
nicht selten das Wort Ju ru p a r i oder das gleichbedeutende ihrer Sprache
gebrauchen, berechtigt zu dem Schlüsse, dass dieses Wort der Inbegriff
*) Wo dpr Indianer von langsam wirkenden feindlichen Kräften ergriffen und überwältigt
wird, wo das Uebel nicht plötzlich, gleichsam elementarisch oder geisterhaft wirkend, hereinbricht,
da hat eher die schwarze Kunst eines erzielten Paje gewirkt. Wir haben schon früher
von dem Einflüsse des indianischen Zauberers gesprochen (I. 379.)- Sein Wirken kann füglich
dem des ostasiatischen Schamanen verglichen werden. Am Amazonas hörten wir auch von Hexen
(Maracd imbar a , Klapperbüchsen-'Schwingerinen), deren böse Künste, von gleicher Natur,
sich eben so auf schlaue Benützung der kindischen Gespensterfurcht des Indianers gründen.
aller Ahnungen von einem höheren geistigen Wesen sey, zu welcher
sich die düstere Stumpfheit indianischer Betrachtung erheben könne.
Schmerzlich bleibt dann vor Allem die Bemerkung, dass Liebe und Vertrauen
auf ein höheres, ihre Schicksale leitendes, Wesen sich viel weniger
im Gemüthe dieser Menschen ankündige, als starre Furcht vor
einer bösen, feindlichen Gewalt. Minder schrecklich als Ju ru p a r i ist der
G u ru p ira , ein neckischer Waldgeist, welcher den Indianern unter allerlei
Formen begegnet, sich mit ihnen wohl auch in Gespräch einlässt,
feindliche Gefühle zwischen einzelnen Personen erweckt oder unterhält,
und mit Schadenfreude dem Ungemache oder Unglücke der Menschen
zusieht. Als ich in der B a r r a d o R io N e g r o einst einen gewandten
Indianer, der von den Fluren am Rio Branco hierher gekommen war
{Indio cam p o n e z ), auf eine Excursion in den Wald mit mir nahm, verlor
er, von Jugend auf an die offenen Fluren gewöhnt, in der Nacht
des Waldes den W eg , und wir irrten einige Stunden lang umher, wobei
seine Aengstlichkeit immer mehr zunahm. Tief einherziehende Gewitterwolken
erkälteten die Luft, und machten eine Eidechse vor Erstarrung
auf meinen Nacken herabfallen. Von diesem Augenblicke an
war es um die ruhige Ueberlegung des Indianers vollends gethan. A iq u e
tima ca tü , aique Guru p ira, (Hier ist es nicht geheuer, das ist der
Gurupira!) murmelte er zwischen den Zähnen, und mit Entsetzen sah
er, wie ich den vermeinten Dämon in meiner Botanisircapsel aufbewahrte.
W ir verloren uns immer tiefer in den Wald, und da endlich
mein erschrockener Führer bis zur Hälfte des Leibes in einen mit Gras
bewachsenen Sumpf versank^ blickte er mit der sprechenden Gebärde auf
mich zurück, als sey er schon in der Macht des Unholdes. Er zitterte
am ganzen Leibe, und ich konnte ihn nur langsam, nach mehrmaligem
Ausruhen, vorwärts bringen, bis ich so glücklich war, das Ufer des
Stromes wieder zu gewinnen. Noch scheuer war ein Indianer vom
Stamme der C a ta u a x is , mit welchem ich in C o a r i botanisiren ging.
Jeder krumme Ast oder abgestorbene Baumstrunk, jede seltsame Verschlingung
von Sipös erschreckte ihn, und seine Furchtsamkeit schien
in dem Grade zuzunehmen, als sich, mit Verzögerung der Rückkehr,
HI. Theil. 141