den einzeln ausser der Stadt wohnenden Indranerfamilien giebt es deren
auch so viele in der Stadt, dass sie sich hier als Theil der bürgerlichen
Gesellschaft bemerklich machen. In den Hausern ist die Bedienung
durch schwarze Sclaven seltner, als in den andern grossen Städten'
Brasiliens; sie wird vorzüglich durch Indianer verrichtet. Fischer und
Lastträger gehören dieser Menschenrage an; «Indianer endlich dienen als
Matrosen auf den Küstenfahrzeugen und als Ruderer auf den Kähnen,
welche die Schifffahrt der grossen Ströme betreiben. Ja, letzteres Geschäfte
fällt ihnen ausschliesslich zu, und oft werden sie mit List oder
Gewalt zum Ruderdienste« gepresst, woraus die Unsicherheit einer weiten
Schifffahrt erklärlich wird, indem sie sich, wo immer es möglich
ist, Fahrzeug und Führer im Stiche lassend, zu ranzioniren suchen. *)
Unter der Leitung von Weissen und Mulatten werden viele Indianer
auf der Schiffswerfte, im Arsenal und bei öffentlichen Bauwerken gebraucht.
Conde de V illaflor , überzeugt von der Wichtigkeit Para's
und der Mündung des Amazonenstromes als militärischer Position, hat
auch ein Bataillon Fussvolk aus Indianern errichtet, die wir mit eben
so viel Präcision als Ausdauer militärische Evolutionen ausführen sahen.
— Zu allen diesen Zwecken werden mehrmals im Jahre ganze Haufen
junger Indianer aus den landeinwärts und auf Marajö gelegenen India-
nervillas requirirt, und nach der Hauptstadt gesendet, wo sie einen
Taglohn von drei Vintens (zwei g. Groschen), neben Verköstigung und
Schlafstelle erhalten. Dieses System führt jedoch grosse Nachtheile mit
sich. Indem es die kräftige Jugend oft Jahre lang dem Landbau und
der Ehe in den Indianervillas entzieht und sie in der Hauptstadt unter
ungewohnten Dienstverhältnissen zusammen bringt, verhindert es die
Zunahme der Bevölkerung, und begünstigt die moralische und physische
Verderbniss jener Rage. Sehr selten bringt der beweibte Indianer
*) Man erzählt, dass als einst der Gouverneur von GramParä, F rancisco X avier de M en-
DOKfx Furtado, Pombals Bruder, eine Visitationsreise von Pard nach, der Insel Marajo machte,
die zum Rudern gezwungenen Indianer insgesammt über Bord gesprungen, und ans Land geschwommen
seyen, und den General genöthigt hätten, mit seinen Offizieren selbst die Ruder
zur Hand zu nehmen.
seine Familie mit zur Stadt, auch wählt man fast ausschliesslich nur Männer,
und hat dadurch in der Stadt ein grosses Missverhältniss der Geschlechter
veranlasst, wodurch Sittenlosigkeit und böse Krankheiten begünstigt
werden. So erblicken wir denn auch jetzt, in einer Zeit,
die Menschenrecht und Menschenwürde kräftiger als jede frühere anerkennen
soll, die Ureinwohner Brasiliens selbst in der Hauptstadt von
Para unter fast eben so traurigen Verhältnissen, als früher, da der eifrige
A ntonio V ie ir a , der L as Cazas Brasiliens,‘ vergeblich, seine Stimme
zu Gunsten dieser verwahrlosten Naturkinder erhoben hat. In der
That, uns von der Schwäche menschlicher „Entwürfe und von den
Schwierigkeiten zu überzeugen, die sich oft auch den gerechtesten Unternehmungen
entgegenstellen, ist keine Betrachtung mehr geeignet, als
die der mancherlei Missgeschicke, welche auf der Entwickelung der
rothen Menschenrage in diesem Lande lasten. Weder die christlichen
Gefühle der Könige, noch die wohlwollenden Gesinnungen der Staatsmänner
, noch der Schutz und die Kraft der Kirche haben vermocht,
die Indianer des Estado von Gram Para aus dem rohen Zustande,
worin sie gefunden worden, zu den Segnungen der Civilisation und zu
bürgerlichem Wohlbefinden zu erheben; wie früher ist diese Rage untergeordnet,
leidend, bedeutungslos im Verbände mit den übrigen, ein
Spiel des Eigennutzes und der Wohllust der Einzelnen, eine träge Last
für die Gesammtheit, die sich gleichsam nur ungerne damit hinschleppt.
Ja, aus ihrem Verharren auf der tiefsten Bildungsstufe und aus dem Umstande,
dass man fast nirgends eine unvermischt indianische Familie zwischen
den übrigen Menschenragen durch mehrere Generationen erhalten findet,
dürfte der traurige Schluss zu ziehen seyn, dass die Indianer, anstatt
von der Civilisation Europa’s geweckt und gebildet -zu werden, dieselbe
vielmehr wie ein allmälig wirkendes Gift empfinden, das damit enden
werde, sie vollkommen aufzulösen und zu zerstören. Demjenigen Leser
, welchem diese Betrachtungen Theilnahme zu verdienen scheinen,
widmen wir in der Anmerkung (3.) eine historische Darstellung der
Verhältnisse, welche vom Anfänge an in Para zwischen Indianern und
Eingewanderten Statt hatten, und der hierauf bezüglichen Gesetze.