Charakter im tropischen America, insbesondere in Brasilien, bestimmen. Ihr Totaleindruck
hängt zuerst von der Grösse und dem Umfange des ausdauernden Gerüstes, von seiner Ver-
theilung (Verästelung) und Richtung, dann von der Belaubung, dem hinfälligen Kleide ab,
womit manche Gewächse ohne Unterbrechung, andere nur zu gewissen Zeiten geschmückt
sind. Blüthen und Früchte, nur periodisch an der Pflanze erscheinend, nehmen nur dann an
dem malerischen Charakter (an dem Habitus oder der Tracht) .Theil, wenn sie in grosser
Zahl und Masse hervortreten.
Bekanntlich theilen die Botaniker das gesammte Gewächsreich nach der Organisation
des Saamens in drei grosse Gruppen: die Dicotyledonen, Mono - und Acotyledonen, d. h, in
Pflanzen mit zwei, mit einem Keimlappen und ohne denselben,. Von den letzten, grossen-
theils kleinen, unansehnlichen und holzlosen Gewächsen, wie die Moose, die Flechten und
Tilze sind, kann hier keine Bede seyn, denn sie bestimmen den landschaftlichen Charakter
nicht. Die andern Hauptabteilungen werden auch Exogenen und Endogenen genannt:
erstere Gewächse, die ringsum in der Peripherie des Stammes und der Aeste mit Jahrringen
anwachsen, letztere solche, die ohne getrennte concentrische Lagen anwachsen. Jene sondern
deutlich die Systeme von Binde, Holz und Mark von einander ab ; diese enthalten die einzelnen
Verbindungen (Complexe) von Zellen, Fasern und Gefässen ohne organische Grenzen unter
einander. Der innere Bau der Pflanzen, d. h. die Art in welcher sich die Elementarorgane
gegenseitig verbinden und ausschliessen, steht in einer wefentlichen Beziehung namentlich
zu der Stellung und dem Baue der Blätter Und dadurch zu der äussern Tracht, so dass wir
füglich die physiognomische Betrachtung der Hauptformen auf jene Grundabtheilung in Mono-
und Dicotyledonen zurückbeziehen. Folgende Pflanzenformen nun treten in dem landschaftlichen
Gemälde>des tropischen America am bedeutungsvollsten und am häufigsten hervor:
aus der Classe der M o n o c o ty le d o n e n oder Einsaamenlappigen Gewächse: die kraut- und
baumartigen Gräser, die baumartigen Lilien und Agaven, die Ananasstauden (Bromeliaceae),
die Orchideen (Stendeln), die Arongewächse (Aroideae), die Würzschilfe (Scitamineae), die
Banahen- oder Pisanggewächse, die Palmen; — aus der Classe der D i c o t y le d o n e n oder
Zwcisaamenlappigen Pflanzen: die (Zapfenbäume Nadelhölzer), die Bäume der Seeufer - oder
Mangrovewaldung, die Nopaleen (Cactusgewächse),, die Kürbissbäume und die baumartigen
Nesseln (Urticaceae), die verschiedenen Buschtaue oder Lianen, die Lorbeer- und Myrtenbäume,
die parasitischen Gutti-Gewächse, die dickstämmigen Wollbäume (Bombaceae), und
die fiederlaubigen Hülsenfrüchter. Hier sind endlich noch die Farn zu nennen, jene in der
Bildung seltsam schwankenden Gewächse, die' von den meisten Botanikern zu den Acotyledonen
gerechnet werden.
Die G r ä s e r (Gramina, Plantae grämineae). .Wem wären wohl diese Gewächse
unbekannt, welche in der innigsten Beziehung zu der historischen Entfaltung unseres Geschlechtes
stehen? Der Dienst jener sanften, wohlthätigen Ceres, deren Pflug die früheste
Menschheit’zu Geselligkeit und Sitte verband, ist seit Jahrtausenden die Aufgabe der Staaten
geworden, und jene an Nahrungsstoff reichen Gräser, die C e r e a l i e n , erneuen in jedem
Frühlinge den alten Bund der Völker mit der Erde. Die grünende Saat und das goldne
Erndtefeld, bedeutungsvolle Anschauungen für Sinn undGemüth, symbolisiren in ihrem jährlichem
Wiederkehren die fortschreitende, mehr und mehr sich ausbreitende Civilisation,
Stetigkeit , Fricdei^jund Glück der Nationen. Die Cultur dieser segensreichen Pflanzen verliert
sich im fernsten Dunkel der Mythe. In diesem schon Jahrtausende alten Umgänge mit den
Menschen scheinen sie die ursprüngliche Selbstständigkeit verloren zu haben: sie vermehren
s id r sunter der pflegenden Hand des Ackerbaues, und erhalten sich nur mit Mühe im Zustande
der Verwilderung. Bemerkens wert!» ist hiebei, dass in demselben Maasse, als That-
saclien bekannt werden, die auf die Existenz mehrerer Urvölker in den verschiedenen Weltt
e ile n hinweissen, auch als Begleiter derselben verschiedene Cerealien erscheinen. So
sehen wir in frühster Zeit bei den. Völkern Nordasiens und Europa’s, die Cultur des Hafers,
der Gerste und dés Weizens; gleiche Stelle vertreten Beis und Hirse im südlichen Asien
imd dessen Archipel, von wo aus sie sich über die andern Welttheile verbreitet haben; in
Africa herrscht seit undenklichen Zeiten der Anbau der Mohrenhirse (oder des Sorggrases,
Sorghum), und in America ist das sogenannte türkische Korn (Zea Mais) von- den antilli-
sclicn Inseln (wo es in der Sprache von Cuba Maiz hiess) bis auf die Hochgebirge am See
Titicaca, der Wiege einer uralten Civilisation rother Menschen, schon längst verbreitet gewesen,
als die neue Welt sich dem Osten aufschloss. Ein}gemeinschaftlicher Charakter aller
dieser Culturpflanzen ist die Mannigfaltigkeit in ihrer Bildungsrichtung, wodurch, wie bei
allen übrigen Gewächsen und Thieren mit denen sich die Menschen schon lange -beschäftigen,
so zahlreiche Varietäten entstanden sind. Bei diesem verjährten Umgänge mit den
Cerealien könnte es auffallen, dass Manches in der organischen Bildung der Gräser erst
neuerlich richtig aufgefasst und gedeutet worden ist, — wäre diess nicht überhaupt der
Fall mit allen Pflanzen, denen sich lange Zeit hindurch die phantasievölle Anschauung der
Forscher, bewundernd vielmehr und liebend, als durchdringend und erklärend zugewendet
hatte. Ein Halm, durch solide, hervorspringende Knoten gegliedert, an diesen besetzt mit
abwechselnd stehenden, scheidigen, nach Oben bandförmig gestreckten-Blättern; statt wahrer
Blumen: Spelzen, d. i. eine Metamorphose der Blattscheiden, die, an sehr zusammengezoge-
nen Achsen in einander gefügt, Staubfäden und Griffel enthalten — diess ist die organische
Bildung der Gräser. Das Wesentliche ihres Totaleindruckes beruht daher nicht in der Fülle
und Gi'össe der Blätter oder in dem Glanze der Blumen, sondern in der Schlankheit und
Schmiegsamkeit der Halme, in dem weichen oft bläulichen Grün der schmalen Blätter, und
in der Gruppirung jener bescheidenen, aber körnerreichen, Aehren und Rispen, zu welchen
die Spelzen vereinigt sind. Bei uns erreichen diese Pflanzen nur eine geringe Höhe; sie
sterben alljährig ganz oder doch im oberirdischen, krautartigen Theile ab. So erhält die
europäische Landschaft einen eigenthümlichen Charakter durch die Vereinigung vieler Individuen
zu Wiesen, 'Triften oder Feldern. Im tropischen America hingegen erweckt eine kräftige Sonne
die Halme zu baumartigem Wüchse; bald ragen sie senkrecht auf dreissig und mehr Fuss
in die Höhe, bald krümmen sie sich, unter der Last ihrer Blätter, oder niedergedrückt vom
benachbarten Walde, gleich ländlichen Triumphbögen, abwärts. Diese Grasschafte von hellem
Grün oder' fast weiss wie Elfenbein, vom Ansätze der Blätter geringelt^ erhalten bisweilen
die Dicke eines Mannsschenkels, und ihr Holz wird fest und'dichte, wie das unserer Bäume.
Der Bewohner der Tropenländer kann sie zu Pfosten und Dachsparren verwenden. Nach
Durchbohrung der Querscheidewände, als Böhren zu unterirdischen Wasserleitungen eingegraben,
dauern sie viele Jahre lang aus. Die Lymphe, welche sich im Innern der Schäfte
\