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(3-) Das Guarand (wohl zu .unterscheiden von dem Gummi Caranna) ward ursprünglich
nur von den Mauhés bereitet. Seitdem aber der Gebrauch desselben sich so weit verbreitet hat,
dass es einen nicht unbeträchtlichen Handelsartikel ausmacht , wird es auch von andern Ansiedlern,
besonders in Villa Boim und noch hie und da am Tapajoz verfertiget. Das ächte unterscheidet
sich von dem unächten durch grösseres Gewicht, grössere Härte und Dichtigkeit, und dass
sein Pulver keine weisse, sondern eine graulich rothe Farbe annimmt. Dié Bereitung, welche
mir der Indianer in Topinambarana zeigte, war folgende. Der Guaranastrauch (1‘aullinia sor-
bilis, Mart.', glabra, caule erecto angulato, foliis pinnatis bijugis, foliolis oblongis remote si-
nuato-obtuse dentatis, lateralibus basi rotundatis, extimo basi cuneato, petiolo nudo angulato ,
racemis pubescentibus erectis, capsulis pyriformibus apteris rostratis valvulis intus Yillosis) reift
seine Saamen im Monat October und November. Diese werden aus der Capsel gelöst und an
die Sonne gestellt. Wenn sie so weit ausgetrocknet worden, dass der weisse, sie zur Hälfte
schüsselförmig einscMiessende Saamenhalter mit den Fingern abgerieben werden kann, schüttet
man sie in einen steinernen Mörser oder auf eine vertiefte Platte von hartem Sandstein, welche
von unten mit Kohlen erwärmt worden. Hierin werdén sie zu einem feinen Pulver gerieben,
welches, mit etwas wenigem Wasser angemengt, oder über Nacht dem Thaue ausgesetzt, sich
zu einem Teige kneten lässt. Unter diesen mengt man noch einzelne ganze oder in wenige Stücke
zertheilte Saamen, und ballt nun das Ganze in beliebige Formen, gewöhnlich in cylindrische oder
spitzweckformige, 12 bis 16 Unzen schwere Pasten, von fünf bis acht Zoll Länge bei verhältnissmäs-
siger Dicke, seltner in Kugeln, zusammen. An der Sonne oder im Bauch der Hütte, in der Nähe des
Feuers trocknet die Masse zu einer bedeutenden Härte ein, und wird so schwer zersprengbar,
dass man eine Axt zur Zertheilung nöthig hat. Sie wird nun zwischen breiten Blättern von
Würzschilfen (Scitamineae) in Körben oder Säcken verpackt, und kann sich, wenn sie nicht
grosser Feuchtigkeit ausgesetzt wird, viele Jahre lang unversehrt erhalten. Im Estado von Para
pflegt man die Guaranäpaste auf dem, mit zahlreichen Knochenfortsätzen versehenen, Zungen-'
Beine des Pirarucufisches zu reiben, welches in einem von Uarumästengeln (Maranta Tonckat,
Aull.) geflochtenen Körbchen, aufbewahrt, ein gewöhnliches Stück des Hausrathes ausmacht.
(S. auf- der Tafel: „Indianische Geräthschaften“ Fig. 40. und 42-) Eine minder gute Bereitungsweise
mengt etwas Cacaopulver oder Mandioccamehl in das Guarandpulver. Die Paste erhält
dadurch eine weisslichë Farbe im Bruche, und geringere Festigkeit und Haltbarkeit.
Der wesentlichste Bestandteil in dem Guarand ist, nach den darüber von meinem Bruder gemachten
Versuchen (vergl. Kästners Archiv f. d. Naturlehre B. VII. 1826. S. 266.), ein eigentümlicher,
dem Anemonin verwandter, Stoff, den er Gua ran in genannt hat; ausserdem finden sich darin
eisengrünender, eisenbläuendcr und oxydirter Gerbestofl, Saponin, grünes, fettes Oel, Extractivstoff,
Amylum mit Farbestoff und etwas Faserstoff. Das Guaranin ist in kaltem und warmem Wasser, in
Alkohol, Schwefel- und Essigäther, fetten und ätherischen Oelen, in Scbwefelalkohol u. s. f. löslich.
Zwanzig Thcile Alkohol und ein Theil Guaranin geben in der Wärme eine helle Auflösung, die beim
Erkalten allen Weingeist fixirt. In einer Glasröhre sublimirt es bei geringer Hitze. Salzsaures Gold
und Gallustinctur wirken auf seine Auflösung am stärksten unter’allen ßeagentien. Mit Säuren, geht
es keine Verbindungen ein. Als eine besondere Eigentümlichkeit desselben führe ich die Kraft an,
diebische zu betäuben, welche, gemäss der Analogie mehrerer Pflanzen aus der Familie der Sapin-
daceen, namentlich der Paullinia Cururü und pinnata, L . , darin aufgesucht, sich in einem hohen
Grade bewährt hat. Auch Tauben und Hasen wurden dadurch unter besonderen Erscheinungen, vorzüglich
Lähmung der Extremitäten und Trismus, getödtet. Bei der Section fand sich der Magen und
Zwölffingerdarm gerötet, das Herz, die Venen des Halses und Kopfes von Blut strotzend.
Ueber die medicinischen Wirkungen des Guarand habe ich bereits Einiges (in Büchners Repertorium
für die Pharmazie v. J. 1829«) bekannt gemacht. Es scheint hauptsächlich die Nerven
des Unterleibs zu afficiren, und wirkt sehr kräftig als deprimirendes Mittel bei Diarrhöen und Bühren,
die von Vcrkältung oder Gemüthsaffecten herrühren, oder überhaupt bei Zuständen, wo eine
krankhaft gesteigerte Sensibilität des Plexus coeliacus vorhanden ist. Es wird dagegen bei Gongestionen
oder Saburra nicht angezeigt. In grösseren Quantitäten erregt es das ganze Nervenleben, bringt
Doppelsehcn, Funken vor. den Augen, Schlaflosigkeit, eine ungewöhnliche Aufregung und andere
ähnliche Zustände hervor. Bei Mutterblutflüssen und andern passiven Blutungen hat es vortreffliche
Dienste geleistet. Auffallend ist die, durch ganz Brasilien verbreitete Meinung, dass es zwar als
Apbrodisiacum wirke, zugleich aber die vis foecundans seminis virilis nehme. Ich glaube, dass die
Materia medica, bei genauer Prüfung der Eigenthümlichkeiten dieses seltsamen Mittels, einen sicheren
Gewinn von seiner Anwendung ziehen werde.
(4.) Amazonenstein. Pierre divine. Lapis nkphriticus. Die sogenannten Amazonensteine stellen
diejenige Varietät des Nephrits dar, welche von W erner Beilstein genannt wird, (Die französischen
Mineralogen nennen ihn Jade, und rechnen dazu dasjenige Mineral, welches die Hauptmasse des
Gabro ausmacht (Saussurit) und sonst dem Feldspathe beigezählt wurde.) Diego de Ordas fand (i. J.
1530) auf seiner Expedition im Amazonas bei den Indianern zwei Steine, welche die Spanier für
Smaragde hielten (Herrera, IV. 10.' c. 9.). Wenn diese Steine zu den hier in Rede stehenden gehörten,
was wegen ihrer Grösse, und der Aussage der Indianer, dass es ganze Felsen davon gäbe,
wahrscheinlich wird, so ist diess die älteste Nachricht von diesem Fossile. Offenbar konnten die gegenwärtigen
Bewohner diesem harten Steine seine Gestalt nicht geben; auch hörten wir, eben so wie
vor uns de la Condaminb und von Humboldt, die Indianer sich dahin erklären, dass der Stein unter
Wasser aus Thon geformt worden, und an der Luft erhärtet sey. Man versicherte uns, dass man
ausser der Form, die unser Stein hat, noch die von mancherlei Thieren, und Cylinder oder einfache viereckige
Täfelchen fände. Von der letztem Art sind die ehemals von den Jesuiten nach Europa gesendeten
Platten, auf welchen diese Zeichen des christlichen Cultus hatten eingraben lassen. Als Vaterland
dieser Steine waren den obenerwähnten Reisenden bald das Land der Amazonen, bald die Quellen
des Orenoco oder des Rio Branco angegeben worden. Uns versicherte man, dass sie am häufigsten
von Indianern am Tapajoz, am Madeira und Puruz getragen würden, und wir möchten daher
der Meinung Raum geben, dass sie von den Peruvianern, welchen der Gebrauch des Erzes bekannt
war, zubereitet worden seyen. Manches in der Geschichte und den Sitten der am Amazonas wohnenden
Indianer weisst auf einen Zusammenhang derselben mit südlicheren Stämmen hin; Wanderungen
vonS. nach N. sind schon durch den Verlauf der grossen Beiflüsse des Amazonas erklärlich, und
die Zeugnissei der Indianer selbst erhalten höhere Gültigkeit durch den Umstand, dass die an den
südlichen Abhängen der Gebirge von Parime hausenden Indianer mit denen am Amazonas selbst von
je'her sehr wenig Verkehr gehabt, dagegen mit denen am oberen Rio Negro gehandelt haben. Uebri-
gens widerstreitet nichts der Annahme, dass die bearbeiteten Steine von verschiedenen Seiten her zu
den Wilden am Amazonas gekommen seyen. Müssen wir ja in Südamerica selbst wenigstens zwei
Centralpuncte einer früheren Cultur, bei den Muyscas in Neugranada, und bei den Peruanern, annehmen.
Den alten Mexicanern waren ähnliche grüne Steine unter dem Namen Xouxouque - tecpatl
bekannt, und es verdient vielleicht bemerkt zu werden, dass unser Amazonenstein in seiner Form
mit dem Zeichen des Tecpatl (Silex, schneidendes Instrument) in den astronomischen Denkmälern der
Mexicaner einige Aehnlichkeit hat. — Einen medicinischen Gebrauch kannten die von uns befragten
Indianer nicht. In Deutschland waren die Steine vor etwa hundert Jahren gegen Nierenbeschwerden,
Gicht, Rheumatismen, Ischiatik (daher Jade) berühmt, und das Einheilen kleiner, glattgeschliffener
Linsen davon in den Oberarm, unter dem Musculus deltoideus, ist auch noch neuerlich von grossen
Aerzten empfohlen worden.