Die östlichen Ufer des X ingü, auf welchen wir uns befanden, sind
etwas höher, als die westlichen, wo zwei Flüsse, der Jaraucü und der kleinere
Guajara, mit mehreren Mündungen dem Amazonas zuschleichen, und
durch eine in diesen Gewässern so häufige Bifurcation auch mit dem Xingü
oberhalb dessen Mündung, Porto de Möz fast gegenüber, in Verbindung
treten. Dieser Canal, welcher den Xingü mit jenen Flüssen vereinigt,
und, parallel mit dem Amazonas fortlaufend, eine niedrige, mit
Buschwerk und Gabö bedeckte, Gegend vom Continente abtrennt, wird
Furo de Aquiqui genannt. Gleichen Namen trägt seine erste Mündung
in den Strom (oder die Hauptmündung des Jaraucü); die zweite (oder die
des Guajara) wird auch Magoary genannt. Manche nach W . steuernde
Schiffer ziehen besonders in denjenigen Monaten, wo der Ostwind selten
ist, vor, in diesem Canale Aquiqui aufwärts zu fahren, um der
Strömung im Amazonas auszuweichen; da uns aber die Einwohner
von Porto de Möz ein schreckliches Bild von der Plage der Mosquiten
auf demselben entwarfen, wo eine zehn Legoas lange Schifffahrt, wegen
zahlreicher Windungen, nur selten mit dem Winde, gewöhnlich
aber blos durch das Ruder, möglich wird, so zogen wir vor, die Reise
im Strome selbst fortzusetzen. Man sucht zu der Umschiffung dös äusser-
sten Landes am westlichen Ufer stets den Landwind zu benutzen, welcher
sehr früh Morgens und am Spätabend eintritt. Nachdem wir daher
von der Villa aus über den Strom geschifft waren, fand der Pilot es
räthlich, in der Nähe der Ausmündung des Aquiqui (A keky) zu landen,
und die Nacht zu erwarten. W ir hingen unsere Hangmatten
zwischen den niedrigen Bäumen des Ufers auf, und durchstreiften die
durch den Aquiqui und Xingü gebildete Insel, welche ebenfalls Aquiqui
heisst. Die Indianer versuchten inzwischen ihr Fischerglück mit dem
Netze, Andere bereiteten einige grosse Schildkröten zum Mahle zu.
Bei genauerer Betrachtung der Bäume auf diesen freundlichen Semdufern
fanden wir eine auffallende Aehnlichkeit mit der Vegetation mancher
südlichen Gegenden, namentlich des Väo do Paranan in Goyaz und der
Taboleiros an den Rios Fermozo und Carynhanha. W ir glaubten uns
in der That wie durch einen Zauberschlag um mehr als zehn Breitengrade
nach Süden versetzt. Die Bäume niedriger, stärker verzweigt,
die Blätter kleiner, trockner, häufiger behaart oder filzig; nicht selten
allerlei Laubfiechten an den Stämmen, daneben Strecken reinlichen
Grases unter den Blumenhecken. Alles diess - wies auf eine Pftanzen-
formation zurück, deren erfreulichen Anblick wir in den nördlichen
Provinzen Brasiliens seit längerer Zeit vermisst hatten. So erschienen
mancherlei Myrten, Malpighien, Apocyneen, und als vorzüglich bezeichnend,
der Acajü- und der Mangababaum, welche trockne sandige Gegenden
des Innern lieben, und ein Balsambaum, den ich an den Meeresküsten
von Rio de Janeiro und Bahia gefunden hatte. *)
Mit einbrechender Nacht verliessen wir die Insel von Aquiqui und
suchten die nördliche Spitze derselben zu gewinnen; allein der Wind
war nicht stark genug, und mit dem Ruder kamen wir nur langsam
vorwärts, indem die Strömung des Xingü hier nicht stark ist. Erst
mit dem Morgenwinde des 12. Septembers konnten wir daher dengelblichen
Amazonenstrom erreichen, dessen gegenüberliegendes Ufer unseren
Blicken durch mehrere schmale Inseln auf der Südseite entzogen
wurde. Während der Nacht waren wir an der östlichen Mündung
des Urucuricayä vorübergefahren; so nennt man den breitesten von
den drei Canälen, durch welche die vereinigten Gewässer des Guajara
und des Jaraucü mit dem Xingü in Verbindung stehen. Sogleich mit
dem Eintritte in den Amazonas, dessen südlichem Ufer entlang wir jetzt
fuhren, stiessen wir auf eine der eigenthümlichen Gefahren, welche die
Reisenden in diesem Strome zu bestehen haben. Eine grosse Menge
*) Humirium Jlorlbundum, JW. JSov. Gen. t. 199., hier Umiri genannt. Andere Pflanzen
des mittleren Hochlandes, denen ich hier begegnete, waren: Wallema laxißora, M. ibid. t. 207.,
Terminalia fagifolia, M. ibid. t. 27., Simaruba versicolor, S. Hil. , der Goajaräbaum, Chryso-
balanus Icaco, L . , Triplctris Pachaü ,' M. , Hedwigia balsamifera, Sw., Dipterix odorata, tV.,
endlich auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Orchideen, welche die Bäume mit ihren
Blüthen zierten. Die Palmen, eine in dem Stromgebiete des Amazonas so charakteristische
Pflanzenform, waren verschwunden, und nur in den Strichen von Gabowaldüng sichtbar, welche
gegen N. auf dem tiefverflachten Lande an der äussersten Mündung des Xingü auftreten.