zwanzig Jahren durch Geschenke und wohlwollendes Betragen den portugiesischen
Ansiedlern befreundet worden, und hat sich, wenigstens
theilweise. durch ein Friedensbündniss so enge angeschlossen, dass man
ihre Waffenstärke gegen die Muras richten konnte, die in einzelnen
Trupps einherziehend, als Räuber und Wegelagerer die Fahrt auf den
Strömen und die Niederlassungen an denselben gefährlich machten. Dieser
kleine Krieg war von den Mandrucus unter Beihülfe portugiesischer
Waffen Jahre lang mit beispielloser Grausamkeit fortgesetzt worden,
und hatte die Folge, dass die Macht der Muras gebrochen und ein
Theil derselben veranlasst wurde, sich nach Süden gegen die Katarakten
des Madeiraflusses zu wenden; ein anderer aber in kleineren Haufen
an dem Hauptstrome zurückblieb, wo er sich nur in kleinen Räubereien
eher lästig, als gefährlich zeigt. Das Uebergewicht, welches
sich die Mundrucüs hiedurch erwarben, ist so gross, dass die Muras
ihren Todtfeinden überall aus dem Wege gehen, ja es nicht einmal Wagen
sollen, sich gegen sie zur Wehre zu setzen, wenil sie einzeln zu
ihren Hütten kämen, und ihnen sogar ihre Weiber wegzufuhren versuchten.
Die Hoffnung einer reichen Beute hatte gegenwärtig mehrere
Familien der Muras auf die Inseln und Stromufer herbeigelockt, an
welchen wir vorüberfuhren. In einer kleinen Bucht sahen wir eine
Horde von etwa dreissig Personen gelagert. Männer, Weiber und Kinder
standen nackt um ein grosses Feuer, worauf sie einige Schildkröten
brateten. Auf Sr. ZanyV Zuruf in ihrer Sprache „Gamara! abutia h e y l
Gäbe schur e ry : dohe pae-tisse“ (Kamerad, komm schnell! Bring Schildkröten!
Hier ist Branntwein) warfen sich Mehrere derselben in ihre
Kähne, um uns zu folgen. Jedoch, entweder weil wir zu kräftig ruderten,
um bald erreicht zu werden, oder vielleicht, weil sie des begleitenden
Mundrucü ansichtig geworden waren, sie kehrten nach einiger
Zeit wieder um, ohne uns besucht zu haben. Am folgenden Tage
erblickten wir eine andere Horde, die sich auf einem waldigen Vorsprunge
des Ufers Hütten erbaut hatte. Als sie vier Bewaffnete und einen
gravitätischen, mit Bogen und Pfeil gerüsteten, Mundrucü in einer Montaria
auf sich zukommen sahen, wollte die Mehrzahl die Flucht ergreifen. Doch
gelang es unserem Zurufe, sie festzühalten. Am Lande angekommen,
Hessen wir den Mundrucü seine Waffen im Kahne niederlegen, und
wir selbst suchten sie durch einige Geschenke von Glasperlen und Angeleisen
zutraulich zu machen, was jedoch wenig gelang. Man deutete
auf eine entfernter im Walde stehende Hütte, als dem Wohnorte
des Anführers, welcher eben dort sey. Als wir in die Hütte traten,
und der Mundrucu uns folgte, mahlte sich Zorn, Verwirrung und Furcht
in den Zügen des Tuxaua (Anführers), und er schien froh, dass wir
uns bald aus der niedrigen, rauchigen Hütte ins Freie zurückzogen.
Auch reichten wenige Minuten hin, um den ärmlichen und unreinlichen
Hausrath zu überschauen. Noch nirgends war uns das rohe Elend des
americanischen Wilden so unheimlich und traurig erschienen. Alles
deutete darauf hin, dass selbst die einfachsten Bedürfnisse auf eine fast
thierische Weise befriedigt würden. Die aus kurzen Baumstämmen errichtete,
mit Reissig und Palmblättern gedeckte Hütte, deren niedrige
Thüre auch als Fenster und Rauchfang dienet, war kaum länger, als
eine Hangmatte, zu der hier kein künstliches Flechtwerk, sondern nur
eine kahnförmig abgezogene Baumrinde benützt war. Ausser einigen
W'affen fehlte jeglicher Hausrath. Das Weib, welches bei unserem
Eintritte erschrocken aus der Liegerstatt auffuhr, war eben so wenig
bekleidet, als der Mann, und die der Horde zugehörigen Kinder. Der
Ausdruck der Physiognomien war wild, unstät und niedrig. Selbst das
Freiheitsgefühl konnte die breiten, verwirrten, von lang heraJ>hängen-
den Haupthaaren verdüsterten Züge nicht erheitern, und die Weiber
trugen insgesammt im Antlitze und am übrigen Körper Spuren erlittener
Gewaltthat, was mit dem verworfenen, sclavischen Verhältnisse übereinzustimmen
schien, das sie zu den Männern hatten. Ihre Körper waren
breit, sehr fleischig und unter mittlerer Grösse; die Hautfarbe war wegen
fortwährender Nacktheit ein um so dunkleres Kupferbraun, die Behaarung
fast nur am Kopfe, und bei einem Manne auf der Oberlippe
bemerkbar, welcher seine finstere Gesichtsbildung durch drei grosse
Schweinszähne in der Ober- und Unterlippe noch furchtbarer gestaltet
hatte.. (S. die Abbildung desselben und „den Besuch beim Mura4< im
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