mehr als eine Familie. Die Coërunas, Passés und Jumanas haben
hier eigene Obere (Principaës). Denen der beiden ersteren Stämme
sind zusammen nur 107 Individuen untergeben. Diese, aus den Zeiten
des Directoriums herrührenden, Ortsvorsteher bilden eine Art von Magistratur.
Sie werden von den Indianern ihres Stammes gewählt, von
der Regierung bestätigt, und sind das Organ, durch welches der Ortsrichter
(Juiz) die ganze Bevölkerung zu leiten hat. Gregorio hatte
nichts so angelegentlich zu thun, als uns alle gerade anwesende Stammverwandte
vorzuführen, und sie kamen auch am Abend herbei, indem
sie kleine Geschenke {Potaba) von Früchten, Federzierratlien und W affen
darboten, gegen welche sie Eisenwaaren und Glasperlen mit grösstem
Danke annahmen. Die Coërunas machen gegenwärtig einen unbeträchtlichen
Stamm am TYIiriti-Parana aus; den Nebenfluss, an dem
sie grösstentheils wohnen, heissen sie Caritajà. Ehemals pflegten sie
als Abzeichen des Stammes (2.) ein Loch in der. Unterlippe mit einer
runden Scheibe von Muschelschaale oder mit einem Cylinder von Copal
zu zieren; aber die hier anwesenden Individuen waren ohne diese Verunstaltungen.
Im Ganzen waren es lauter kleine und starke, dunkel-
gefärbte Figuren, ohne angenehmen Ausdruck im Gesicht. Sie sprachen
äusserst schnell und ihre, an Nasentönen reiche, Sprache klang mir
widrig. Die Betonung, verstärkt oder geschwächt, schien auch bei ihnen
, wie bei vielen andern Stämmen, verschiedene Zeiten und Personen
zu bezeichnen. Ich konnte sie nicht vermögen, einen ihrer Nationaltänze
aufzuführen; dazu, sagten sie, fehlten gegenwärtig die Früchte
des Waldes. Gregorio, ein gutmüthiger, den Weissen befreundeter
Indianer, ward bald gewonnen, uns stromaufwärts in seinem eigenen
Nachen zu begleiten. Er hat mir mancherlei gute Dienste geleistet,
und ich hatte Gelegenheit, durch ihn Einiges über den Glauben seiner
Stammgehossen zu erfahren, da er sich ziemlich verständlich in der
Lingua geral ausdrückte, worin mir mein Gefährte Capitain Z a n y als
Dolmetscher stets zur Seite stand. Er behauptete, dass die Coërunas
von dem Daseyn der Welt auf einen Gott schlössen, der Alles gemacht
habe: Fluss, Wald, Luft, Sonne und Sterne; dass sie ihn aber noch
nie gesehen hätten. Da er Alles für sie gemacht habe, beten sie ihn
an, und beriefen sich auf ihn. An Unsterblichkeit glaubten sie nicht,
eher fürchteten sie den Tod. Seine Ausdrücke hierüber in der eigenen
Sprache waren sehr einfach; er wiederholte sich oft, und schien ohne
Wechsel der Zeiten und Personen zu reden.
A lb ano , Principal der Pas sé s, stellte mir einige und dreissig seiner
Stammgenossen vor, welche allerdings dürch die Anmuth ihrer
Gesichtszüge und durch ihren schlanken Wuchs die allgemeine Stimme
rechtfertigten, der gemäss sie die schönsten Indianer in Rio Negro seyn * 1 4
*) Als er sich einmal lange über solche Gegenstände mit mir unterhalten hatte, und müde
schien, nahm er plötzlich eine gravitätische Miene an,,und wiederholte mit erhöhter Stimme
sein- Hauptthema : Toibd, Gott, cauückie, für uns , remenehü, macht, raasé, Fluss, aeaitto ,
Wald, ünu nüho, alles Wasser, ünü, Alles ! ünu cauückie memereä agatigocki, Alles für uns
ist gemacht, um gut zu leben} Agaticocki, gut seyn, neiwanicoira, müssen, ocki, auch wir;
agatigocki gahünotütze, gut uns vertragen, cubatoamè , mit Cameraden. Mit dem Schlussätze
wollte er. ausdrücken, dass, da er gegen mich wohlgesinnt sey, ich es auch gegen ihn seyn
möchte, und da ich ihn durch ein grosses Glas Branntwein von meinen freundschaftlichen Gesinnungen
thätlich überzeugt hatte, ging er vergnügt davon.— Bei einer andern Gelegenheit über
die Sterne befragt, gab Gregorio mehrere Antworten, die mich schliessen liessen, dass sein
Stamm gewisse kosmogonische Ideen mit den benachbarten Passés theile. Er wusste recht gu t,
dass der Abend- und Morgenstern identisch seyen, und gab deutliche Spuren von der Ansicht,
dass die Erde sich bewegé, die Sonne aber feststehe.
Gregorio verschaffte mir mehrere Kästchen mit dem Hauptschmucke seiner Landsleute,
worin ich einen derselben skizzirte. (S. das Porträt „Coeruna“ im Atlas.) Diese Zierrathen gehören
unter die schönste Federarbeit , welche ich bei Indianern getroffen habe. Sie bestehen :
1) aus einigen aus Affenhaaren zusammengefilzten Schweifen, die quer über einen, im Nacken
befestigten, Knochen aüf dem Rücken hinabhängen; 2) aus einem, entweder dem europäischen
Haarbcutel oder einem Vogel nachgebildeten, rhombischen Stücke Baumbast, das auf Querstäbchen
von Holz befestigt, und, auf der äussern Seite mit schönfarbigen Federn beklebt, zwischen
jenen Schweifen hinabhängt; 3) aus einem Busche von Flaumfedern, der am Hinterhaüpte,
4) einem andern aus Schwungfedern des weissen Reihers, der am Vorderkopfe befestigt ist,
und 5) ans einer prächtigen, auf Flechtwerk aufgebundenen Federbinde, die um die Stirne befestigt
wird. Auch die Kästchen, worin dieser Schmuck aufbewahrt wird, sind ein interessantes
Document indianischer Industrie. Sie bestehen aus schmalen. Leisten der Marantastengel, die
künstlich neben einander gebunden sind. — Ganz gleich sind die nationalen Zierrathen der
Coretüs, und die Kästchen, worin solche aufbewahrt werden. (Fig. 43. der abgebildeten G e rä tschaften.)
Sehr geschmackvoll sind auch die Gehänge von Baumwollenfaden und Flügeldecken
der Buprestis Gigas, F. (ebendaselbst Fig. 23.), womit die Coërunas bei ihren Tänzen klappern.